Wiener Transparenz: Gläsern und trotzdem undurchsichtig

Wien stellt sich – bekräftigt von einer österreichischen Studie – als Transparenz-Vorbildstadt dar. Ein DOSSIER-Vergleich zeigt Verbesserungspotenzial auf.

Von Markus Hametner

Aktuelles  

Aufmacherbild: Ashley Van Haeften (CC BY 2.0)

Wie viel Steuergeld gab die Stadt Wien für die Bewerbung der Wiener Gastro-Gutscheine aus? Keine Antwort. Wie viel Steuergeld floss in Form von Inseraten von der Stadt an SPÖ-nahe Organisationen? Keine Antwort. Und wie viel Steuergeld steckt die Stadt in nicht meldepflichtige Beilagen? Abermals: keine Antwort.  

Informationen über das Wirken von Behörden und der Verwaltung der Stadt Wien zu bekommen ist oft gar nicht so einfach. In vielen Fällen werden Auskünfte über die Verwendung von Steuergeld einfach nicht erteilt, weder an Journalistinnen noch an Abgeordnete des Wiener Gemeinderates. 

Umso mehr überraschte es, als Transparency Austria (TI AC) die Stadt Wien Anfang des Jahres neuerlich zur „transparentesten Gemeinde Österreichs“ kürte. Manche Medien gingen etwas weiter und machten Wien daraufhin sogar zur auskunftswilligsten Gemeinde des Landes.

Und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) setzte eines oben drauf, als er die Trophäe für den ersten Platz bei der Pressekonferenz entgegennahm:

Sie können alles nachvollziehen, was in der Politik in Wien entschieden wird.  (...) Wir versuchen, wie eine gläserne Stadt den Wienerinnen und Wienern den Zugang zu allen Gegebenheiten der Stadt zu ermöglichen. Das ist nicht überall so. Wir sind auch im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt.

Doch wie schneidet Wien ab, wenn man die Transparenz der Stadt nicht mit jener von Linz oder Perchtoldsdorf, sondern international vergleicht?

Der Blick über den Tellerrand zeigt, dass es Verbesserungspotenzial gibt. Eine 2019 von Transparency International Slovakia koordinierte Studie, die den Informationszugang in Hauptstädten Europas misst, liefert Beispiele.

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Dieser zufolge veröffentlichen 50 Prozent der 26 überprüften Hauptstädte nicht nur die Namen von Unternehmen, die Ausschreibungen gewonnen haben, sondern auch die Verträge, die dann mit diesen geschlossen wurden.

48 Prozent dokumentieren das genaue Abstimmungsverhalten in den Stadtgremien; in 34 Prozent der Städte ist der Terminkalender des Stadtoberhaupts einsehbar; und 27 Prozent beugen Interessenkonflikten vor, in dem sie sogar die Vermögenswerte von Behördenleitern publizieren. Wien versteht sich zwar als gläsern, ist da aber weit undurchsichtiger.

Dass Österreichs Hauptstadt in der internationalen Vergleichsstudie nicht berücksichtigt wurde, liegt an Transparency Austria. Man habe zwar an den Kriterien mitgearbeitet, aber beim Hauptstadtvergleich schließlich nicht mitgemacht, heißt es auf Anfrage von TI AC.

Der Grund: Die Kriterien seien zwar einfach in der Anwendung, aber es würden Äpfel mit Birnen verglichen. Beispielsweise seien die Anstrengungen im hochplatzierten Pristina zu loben, aber im Gegensatz zu der geringen Punkteanzahl von Stockholm weniger aussagekräftig.

Wien im Mittelfeld

Anlässlich der bevorstehenden Wien-Wahl haben wir die internationale Studie um Wien erweitert. Nach unserer „Quick-and-dirty“-Einschätzung würde Wien einen Wert zwischen sieben und neun Punkten erreichen; insgesamt sind 14 Punkte zu vergeben. Wien wäre somit nicht im Spitzenfeld, wo Kiew, Madrid, Prag, Pristina, Tallinn und Vilnius jeweils mehr als drei Viertel der Punktezahl erreichen. 

Die Bundeshauptstadt müsste sich mit einem Platz im Mittelfeld begnügen; zwischen Berlin (veröffentlicht Verträge und den Meeting-Kalender des Bürgermeisters) und Bern (veröffentlicht keine Stadtratsprotokolle). Denn wie auch in der Studie von Transparency Austria, meistert Wien manche Punkte vorzüglich, etwa die Veröffentlichung des Budgets, der Vergabeverfahren und der Stadtratsprotokolle. Von wirklicher Transparenz ist man im internationalen Vergleich dennoch ein gutes Stück entfernt.

Das zeigt sich abseits von Studien insbesondere dann, wenn man Fragen an die Verantwortlichen der Stadt stellt. Diese führen häufig ins Leere, wie die journalistische Arbeit von DOSSIER und anderen Medien seit Jahren zeigt.

Ein Rechtsstreit über den Zugang zu Informationen über Effizienzmaßnahmen mit Einsparungspotenzial in Millionenhöhe zieht sich schon über vier Jahre und landete im Sommer erneut beim Höchstgericht, auch Gutachten und Verträge zum Verkauf der Semmelweis-Kliniken wurden und werden geheim gehalten. 

Seit mehr als zwei Jahren versucht DOSSIER von der Stadt zu erfahren, wie viel Steuergeld in ausgewählte Beilagen gesteckt wurde. Vor dem Verwaltungsgericht Wien bekam DOSSIER recht: Die Stadt müsste diese Information eigentlich öffentlich machen – doch das will man partout nicht und ging in Berufung. Eine gläserne Stadt sieht anders aus. 

Über den Autor

Markus Hametner ist Datenjournalist. Er ist Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit und hat sowohl privat als auch im Auftrag seines ehemaligen Arbeitgebers Addendum Rechtsstreite wegen Informationsverweigerungen – auch durch die Stadt Wien – geführt. Seine „Quick & dirty“-Einstufung Wiens der Methodik der TI-Slovakia-Studie finden Sie hier.