Wiener Beilagen

Wie die Stadt Wien Werbeausgaben in Beilagen versteckt und ein SPÖ-naher Verlag davon profitiert.

Von Eja Kapeller und Rosanna Atzara

Inserate4.12.2017 

  • Rechnungen und Angebote zwischen dem Bohmann- beziehungsweise dem Holzhausen-Verlag und der Stadt Wien dokumentieren, wie die Stadt das Medientransparenzgesetz seit Jahren bewusst umgeht.
  • Ein Firmennetzwerk macht es möglich, dass Zahlungen der Stadt für Beilagen nicht offengelegt werden müssen.
  • Weder die Stadt Wien noch die Geschäftsführer der Verlagsgruppe wollten Anfragen zu den Vorgängen beantworten.

 

Am 17. Mai dieses Jahres gibt die Stadt Wien eine Werbebeilage in Auftrag. In dem Heft Holzhausen Spezial rühmt die Stadt ihre digitalen Strategien: Die App AnachB bringe Reisende sicher an ihr Ziel, das Programm der MA 48 informiert über Abfallsammelstellen und das nächstgelegene öffentliche WC. 64.386 Euro ist der Stadt Wien die Eigenwerbung wert  die Öffentlichkeit soll das aber nicht erfahren.

Seit mehr als fünf Jahren gilt für öffentliche Stellen die Offenlegungspflicht, wenn sie innerhalb eines Jahres mehr als 20.000 Euro für Werbung in einem einzelnen Medium ausgegeben haben. Ebenso lange steht die Stadt Wien wegen ihrer Werbeausgaben in der Kritik: Keine andere Gebietskörperschaft gibt annähernd so viel Geld für Eigenwerbung aus. 125 Millionen Euro Steuergeld verwendete Wien seit Mitte 2012 dafür – und dann ist da noch die Dunkelziffer.

Der Rechnungshof schätzt die nicht gemeldeten Zahlungen auf 30 bis 50 Prozent der bekannten Summe. Lücken im Gesetz machen das möglich. DOSSIER-Recherchen zeigen nun erstmals, wie die Stadt Wien diese Lücken bewusst nützt und das Medientransparenzgesetz umgeht – mit Beilagen wie dem Holzhausen Spezial.

Lücke erkannt, Lücke genutzt

Das Druckwerk Holzhausen Spezial liegt Ende Juni 2017 dem IT-Magazin Monitor bei. Im zweiten Quartal 2017 findet sich in den Medientransparenzdaten aber keine Zahlung der Stadt Wien an Holzhausen. Auch für das Magazin Monitor meldet die Stadt im selben Quartal nur 13.681 Euro. Wie ist das möglich?

Öffentliche Stellen müssen nur Zahlungen an periodische Medien melden, also Hefte, die mindestens viermal im Jahr erscheinen. So manch findiger Verleger gibt seither Beilagen heraus, die nur dreimal im Jahr erscheinen und eine andere Firma als Herausgeber anführen.

Im konkreten Fall erscheint Monitor im Bohmann-Verlag, die Beilage Holzhausen Spezial wird hingegen von Holzhausen herausgegeben. Alle Voraussetzungen, um die Beilage nicht melden zu müssen, sind erfüllt – obwohl die Eigentumsverhältnisse zeigen: Beide Verlage haben denselben Besitzer. Dazu gleich mehr.

Erscheinung Holzhausen

DOSSIER hat diesen Trick erstmals 2013 in einer Beilage der Tageszeitung Österreich entdeckt. Auch damals war die Stadt Auftraggeberin. Anhand der DOSSIER nun vorliegenden Rechnungen und Dokumente zeigt sich, dass die Stadt Wien diese Lücke im Medientransparenzgesetz häufiger und bewusst ausgenutzt haben dürfte.

Ende 2012 macht der Bohmann-Verlag dem Presseinformationsdienst der Stadt Wien ein Angebot für das darauffolgende Jahr. Für insgesamt 753.790 Euro bietet der Verlag Schaltungen von Inseraten und Werbebeilagen in diversen Magazinen des Verlags. Doch das Erstangebot stößt nicht auf Zustimmung seitens der Stadt. Aus einer handschriftlichen Notiz geht hervor: Nicht die Preise sind zu hoch, die Erscheinungsfrequenz ist es.

„3x Erscheinung (sic) Holzha[usen]“ wird auf dem Angebot vermerkt. Fortan wird die Beilage Centrope dem Onrail-Magazin nicht mehr sechs-, sondern nur mehr dreimal im Jahr beigelegt. Auch das Impressum ist neu: Anstelle des Bohmann-Verlages, der das Magazin herausgibt, scheint als Medieninhaber der Beilage Holzhausen auf.

Weil im Impressum der Beilage und des Magazins unterschiedliche Verlage verzeichnet sind, müssen die Zahlungen der Stadt Wien nicht mehr gemeldet werden. Centrope wird zu einem eigenen Medium, das weniger als viermal im Jahr erscheint, somit nicht mehr als periodisch gilt und Zahlungen der Stadt für die Beilage dadurch nicht mehr meldepflichtig sind. Die Anzahl der bezahlten Seiten bleibt trotzdem gleich: Anstatt 16, umfasste eine Ausgabe schließlich 32 Seiten. Auf 288.000 Euro beläuft sich nur dieses Angebot.

Nach exakt demselben Schema erscheinen auch in der Transportzeitschrift Verkehr Beilagen. Im Impressum der Beilage Modernes Wien, eine achtseitige entgeltliche Einschaltung der Stadt zu Wohn- und Bauprojekten in der Hauptstadt vom 13. Mai 2016, wird der Holzhausen-Verlag angegeben, der Medieninhaber von Verkehr heißt: Bohmann. Drei Beilagen folgen diesem Muster, 2015 und 2016 – jedes Mal unter einem anderen Namen.

Auf dem Papier sind es auch hier immer zwei Herausgeber: Bohmann und Holzhausen. Beide Verlage gehören letztendlich aber denselben zwei Personen, Gabriele Ambros und Gerhard Milletich. Sie sind stadtbekannt, zumindest im Wiener Rathaus und der SPÖ.

Der Verlag, die Stadt und die Partei

Gabriele Ambros begann ihre Karriere in der Anzeigenabteilung der Arbeiter-Zeitung. Von 2010 bis 2015 saß sie im Aufsichtsrat der ÖBB-Personenverkehr AG und der Rail Cargo Austria, berufen von der damaligen Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ). Bis heute hält sie ein Aufsichtsratsmandat in der nationalen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

Ihr Geschäftspartner Gerhard Milletich trat 2012 bei den Gemeinderatswahlen im Burgenland für die SPÖ an. Die SPÖ-Parteizeitung Parndorf aktuell präsentierte ihn als Kandidaten für dessen Heimatort Parndorf. Verleger des Magazins übrigens: die Bohmann Druck & Verlag GmbH. Mit Listenplatz 16 ist Milletich damals allerdings an nicht wählbarer Stelle. Für ihn trotzdem eine „Bekenntnissache“, wie er der Tageszeitung Die Presse sagte.

Milletich und Ambros übernahmen den Bohmann-Verlag 2004. Über die Jahre haben sie ein Firmennetz aufgebaut, an allen Unterfirmen der Bohmann-Verlagsgruppe halten sie – mal alleine, mal gemeinsam – Beteiligungen. Heute gehören unter dem Dach der Dietrich-Medien-Holding neben dem Bohmann-Verlag vier weitere Firmen dazu. Ein Konstrukt aus mehreren Verlagshäusern, das für Anzeigenkunden, die das Medientransparenzgesetz umgehen wollen, von Vorteil ist.

Heute profitieren die beiden von guten Geschäftsverbindungen zur Stadt, die einst der mittlerweile verstorbene Rudolf Bohmann, ein persönlicher Freund von Wiens Bürgermeister Michael Häupl, aufgebaut hat. Seit 2004 gibt Bohmann stadteigene Medien heraus, darunter das Magazin Mein Wien, das alle Wiener Haushalte monatlich im Postfach finden.

133 Millionen Euro lässt sich das die Stadt allein in den acht Jahren ab 2013 kosten. Dazu kommen rund 5,7 Millionen Euro, die Wien in den vergangenen fünf Jahren in Bohmann-Medien an Inseraten schaltete – und die geheimen Geldflüsse in Form von Beilagen.

Keine Auskunft

Wie viel Geld seit Mitte 2012 insgesamt am Gesetz vorbei an Bohmann beziehungsweise Holzhausen geflossen ist, lässt sich nicht feststellen. Gabriele Ambros und Gerhard Milletich ließen Anfragen um Interviews unbeantwortet.

DOSSIER fand im Veröffentlichungszeitraum 2012 bis heute 13 Beilagen, die die Stadt in vier Publikationen des Bohmann-Verlages in Auftrag gegeben hatte. Alle Beilagen erschienen jeweils in einem anderen Verlag als ihr Trägermedium, eine Voraussetzung dafür, die Lücke im Medientransparenzgesetz nutzen zu können.

Bei der Stadt Wien wollte man auf Anfragen von DOSSIER weder die Stückzahl, in der die Beilagen erschienen sind, noch die Gesamtsumme der nicht gemeldeten Werbeausgaben bekanntgeben. Paul Weis, Leiter des Presseinformationsdienstes, jener Abteilung, bei der die Werbeaufträge der Stadt zusammenlaufen, lässt DOSSIER lediglich wissen:

Zu Ihren Anfragen darf ich Ihnen mitteilen, dass sich die Magistratsabteilung 53 nach den Vorgaben des Medientransparenzgesetzes richtet.