Inserate machen den Ton

Können Inserate Zeitungsberichte beeinflussen? Laut Studie kam Faymann im Wahlkampf 2008 in Heute am besten weg.

Gratiszeitung Heute8.9.2014 

Inserieren heißt nicht, Zeitungen und Journalisten zu kaufen.

Josef Ostermayer, parlamentarischer Untersuchungsausschuss, Oktober 2012

Im Sommer 2008 platzt die große Koalition. Der Auslöser: Ein Brief, den Werner Faymann an Hans Dichand, den damaligen Herausgeber der Kronen Zeitung schreibt. Verkehrsminister Faymann lenkt darin auf die EU-kritische Linie der größten Tageszeitung des Landes ein. Noch-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) unterschreibt neben Faymann. Kurze Zeit später gibt er den Vorsitz ab. Werner Faymann wird SPÖ-Chef und führt die Partei in den Nationalratswahlkampf 2008.

Im Wahlkampf wird Faymanns enge Beziehung zu Österreichs Boulevard politisches Thema. In der Causa „Inserate“ taucht ein Vorwurf auf, der lange nicht zu beweisen war: Politikerinnen und Politiker würden versuchen, über Inseratengelder Einfluss auf die Einstellung von Zeitungsmachern oder gar auf die Berichterstattung zu nehmen. Können sich Politiker tatsächlich das Wohlwollen einer Zeitung erkaufen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl geschalteter Inserate und der Berichterstattung?

Der Frage nach einer Wechselwirkung zwischen Anzeigenvolumina und Berichterstattung in österreichischen Tageszeitungen gingen die Politologen Günther Lengauer und Lore Hayek von der Universität Innsbruck wissenschaftlich nach. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie 2012 im Sammelband „Erfolgreich wahlkämpfen“. Zu Beginn ihrer Arbeit hätten die Forscher nicht damit gerechnet, „dass wir tatsächlich signifikante Ergebnisse erhalten, weil wir davon ausgegangen sind, dass das in österreichischen Zeitungen nicht möglich ist“, sagt Hayek. Doch sie wurden fündig.

Hayek und ihr Kollege stellten in den Boulevardzeitungen Heute und Österreich einen wissenschaftlich eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Inseratenvolumen und positiver Berichterstattung fest. In Heute etwa inserierten die SPÖ und die FPÖ im Vergleich zu anderen Parteien im Wahlkampf 2008 am meisten. Über die Spitzenkandidaten der beiden Parteien wurde überdurchschnittlich gut berichtet. Heute-Herausgeberin Eva Dichand schreibt dazu in einer E-Mail:

Ihre Behauptung hinsichtlich Inserate beeinflussen Inhalte...SPÖ und FPÖ wären verstärkt vorgekommen, ist insofern FALSCH, da die Redaktion von Heute überhaupt keine Schnittstelle zur Verkaufsabteilung hat – außer die technische Produktion. Alleine die unterschiedlichen parteipolitischen Inhalte von FPÖ und SPÖ, die angeblich in Heute verstärkt vorgekommen sind, führen Ihre Behauptung ad absurdum, da diese gegensätzlicher nicht sein könnten. Im Übrigen war im Nationalratswahlkampf 2008 die ÖVP von den politischen Parteien der größte Werbekunde in Heute.

Die DOSSIER-Erhebung sämtlicher Anzeigen in der Wien-Ausgabe von Heute zeigt ein anderes Bild. In den sechs Wochen vor der Nationalratswahl am Ende September 2008 zählte DOSSIER 15,88 Seiten Inserate der SPÖ, 13,5 Seiten der FPÖ und 6,75 Seiten der ÖVP. Das BZÖ schaltete im selben Zeitraum vier, die Grünen nicht ganz eine Seite.

Doch in der politischen Meinungsbildung geht es in erster Linie nicht um Inserate. Wie eine Wähler-Befragung der Austrian National Election Study (AUTNES) nach der Nationalratswahl 2008 zeigt, kommt es beim Einfluss auf die Wahlentscheidung allen voran auf redaktionelle Inhalte an. Inserate in der politischen Werbung haben nur begrenzte Wirkung – lediglich 15 Prozent der Wählerinnen und Wähler beurteilten Inserate als eine wichtige politische Informationsquelle. Ganz anders sieht es bei redaktioneller Berichterstattung aus. Rund 72 Prozent der Befragten erachten Zeitungsberichte als entscheidungsrelevant. Ein Inserat ist eben leicht als Werbung auszumachen, redaktionelle Berichte vermitteln hingegen den Eindruck von journalistischer Unabhängigkeit. Über Faymann wurde in Heute während des Wahlkampfs 2008 positiv berichtet, während die SPÖ bester Werbekunde der Gratiszeitung war. Laut Eva Dichand stehe das allerdings in keinerlei Zusammenhang. Die Innsbrucker Politologen Lengauer und Hayek ziehen ein anderes Resümee:

Tatsächlich gibt es einen punktuellen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Anzeigenvolumen und Tonalität in der Berichterstattung, natürlich konterkariert oder auch unterstützt von anderen begleitenden Faktoren, wie Seilschaften oder Bindungen auf vielerlei Ebenen (...).

Am Ende geht die Wahl für Werner Faymann gut aus: Am 28. September 2008 fährt der SPÖ-Bundesparteivorsitzende mit 29,3 Prozent der Stimmen zwar das bis dahin schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Partei ein, zum Bundeskanzler reicht es trotzdem. Faymanns Inserate bleiben politisches Thema. Bald zeigt sich der Faymann-Effekt in den Anzeigenkurven der Gratiszeitung Heute.