Das Kleine Glücksspiel ist zurück. Seit Jahresbeginn ist in der Bundeshauptstadt das Spiel an Automaten außerhalb von Casinos verboten. Wie DOSSIER-Recherchen zeigen, wird in Wien trotzdem eifrig gezockt. Im vorliegenden Fall jedoch nicht in Hinterzimmern zwielichtiger Bars, sondern in Lokalen der bekannten Sportwettenkette Cashpoint, die unter anderem als Hauptsponsor des österreichischen Bundesligisten SCR Altach auftritt.
DOSSIER-Lokalaugenscheine an elf Cashpoint-Standorten legen den Verdacht nahe, dass das Verbot des Kleinen Glücksspiels systematisch umgangen wird. Das funktioniert so: Wie in den Jahren vor dem Verbot ist das Glücksspielangebot hinter getönten Türen winziger Gassenlokale versteckt, die in Wien vor allem in einkommensschwachen Bezirken das Straßenbild geprägt haben. Während andere Anbieter „Außer Betrieb”-Schilder aufgehängt haben, sind an den Türen von Cashpoint-Filialen Schilder angebracht, die auf „neue, interessante Unterhaltungsmöglichkeiten“ hinweisen.
Computer als Glücksspielautomaten
Wer das Lokal durch den Haupteingang betritt, gelangt meist von innen in die winzigen Kammern, die in der Branche „Fuchsbauten” genannt werden. Anstatt der Glücksspielautomaten findet man handelsübliche PCs vor, an denen man auf die Cashpoint-Website zugreifen kann. Dort werden nicht nur Spiele wie einst an Glücksspielautomaten, sondern auch Casino-Spiele wie etwa Roulette oder Black Jack angeboten. Die möglichen Einsätze sind dabei heute bis zu 400-mal höher als vor dem Verbot.
Um die Computer für Glücksspiele nutzen zu können, benötigt man eine „Membercard”, die gegen Vorlage eines Ausweises am Schalter im Wettlokal erhältlich ist. Dort kann man auch Geld auf die Karte einzahlen. Nach dem Login an einem der PCs ist das zuvor eingezahlte Guthaben am eigenen Account verbucht. Mit nur drei Klicks gelangt man von den Sportwetten zu den Glücksspielen. Hat man fertiggezockt, kann man sich das Guthaben direkt am Schalter auszahlen lassen.
Illegales Glücksspiel: „Hase gegen Igel”
Laut dem Leiter der Finanzpolizei Wilfried Lehner handelt es sich bei diesem Angebot um illegales Glücksspiel. Dass Cashpoint die Spiele auf Computer verlagert hat, mache dabei keinen Unterschied: „Auch wenn jemand auf einem PC gegen Entgelt Glücksspiel anbietet, bietet er illegales Glücksspiel an. Das Delikt ist genau das gleiche – ob Münzgewinnspielautomat oder PC“, sagt Lehner.
Hinter der Marke Cashpoint stehen zwei Unternehmen, die laut Firmenbuch an derselben Adresse in Gerasdorf bei Wien sitzen: die Cashpoint Agentur & IT-Service GmbH, die sich mehrheitlich im Eigentum des deutschen Glücksspielkonzerns Gauselmann AG befindet, und die Cashpoint Entertainment AG. Beide Firmen betreiben Sportwettenlokale; die Cashpoint Agentur & IT bietet zudem Franchise-Lösungen für Wettanbieter an. Für DOSSIER war auf Anfrage niemand aus den beiden Unternehmen für eine Stellungnahme zu erreichen.
Dafür erhielt DOSSIER eine E-Mail des Rechtsanwalts Martin Paar, der beide Firmen vertritt: „Weder die Cashpoint Agentur & IT- Service GmbH, noch die Cashpoint Entertainment AG veranstalten oder betreiben irgendwelche Glücksspiele in Wien oder sonst irgendwo in Österreich”, schreibt Paar. Und weiter: „Sofern in einzelnen Lokalen PCs aufgestellt sind, handelt es sich um nichts anderes als bloße Internetzugänge, mithilfe welcher sämtliche Web-Inhalte abgerufen werden können. Wie in jedem anderen Internet-Café liegt es an den Nutzern der Computer, welche Seiten sie abrufen, welche Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen bzw. welche Dinge sie kaufen.”
Dass Cashpoints Rechtsvertreter hier einzig den Spieler bzw. die Spielerin in der Verantwortung sieht, scheint im vorliegenden Fall zu kurz zu greifen. So legt §52 Glücksspielgesetz fest, dass eine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen „insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links" gefördert oder ermöglicht wird. Im Unterschied zu einem Internet-Café würde das Glücksspielangebot von Cashpoint „unternehmerisch bereitgestellt” – sowohl „Tatort”, als auch „Tatobjekt” seien „unzweifelhaft”, sagt auch Wilfried Lehner.
Der Behörde ist der Fall seit Monaten bekannt. Bereits am 12. Februar dieses Jahres brachte die Plattform www.spieler-info.at Anzeige gegen Cashpoint ein. In 17 Cashpoint-Lokalen sollen demnach 78 illegale Geräte gestanden haben. Einen Tag später berichtet die Wochenzeitung Format über die „Anzeigenflut gegen Cashpoint”. Josef Münzker, Geschäftsführer der Cashpoint Entertainment AG, reagiert in dem Bericht auf die Vorwürfe: „Die Soko Glücksspiel war bereits in vielen Filialen und hat die Geräte für legal befunden.“
Dem widerspricht der Leiter der Finanzpolizei: „Wir sind teilweise tätig geworden, es gab auch Beschlagnahmungen”, sagt Lehner zu DOSSIER. Weil Cashpoint aber handelsübliche PCs nutze, seien die Ermittlungen aufwendig. „Wir müssen in jedem einzelnen Fall dokumentieren, dass Glücksspiele möglich sind, denn der Optik nach handelt es sich um Internetterminals. Wenn uns das nicht gelingt, müssen wir wiederkommen, wenn jemand spielt. Das ist kein Katz-und-Maus-Spiel mehr, das ist eher Hase gegen Igel”, sagt Lehner. „Es gibt kein verfahrensrechtliches Detail, bei dem nicht versucht wird einzuhaken. Inhaltlich können die Betreiberinnen und Betreiber aber nicht gewinnen: Illegales Glücksspiel ist illegales Glücksspiel.” Es gibt kein verfahrensrechtliches Detail, bei dem nicht versucht wird einzuhaken. Inhaltlich können die Betreiberinnen und Betreiber aber nicht gewinnen: Illegales Glücksspiel ist illegales Glücksspiel.