Inhaltsanalyse

Was trinken wir eigentlich, wenn wir zu Energydrinks greifen? Wir haben den thailändischen Ursaft Krating Daeng und das heutige Red Bull zur Hand genommen und mit einem Lebensmitteltechnologen und einer Ernährungswissenschaftlerin tief in die Dose geschaut.

Text: Sahel Zarinfard; Infografik: Fabian Lang

Red Bull12.2.2021 

Was ist ein Energydrink?

Gute Frage. Weltweit gibt es weder eine einheitliche Definition für Energydrinks noch einheitliche Grenzwerte für die Bestandteile. In Deutschland fallen Energydrinks unter die Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung. In Österreich liefert das Lebensmittelbuch in Kapitel B 26 eine Definition, an der man sich orientieren kann: Energydrinks sind demnach alkoholfreie Erfrischungsgetränke, denen mindestens 150 Milligramm Koffein pro Liter zugesetzt werden. Zusätzlich enthalten sie eine oder mehrere der folgenden Zutaten: Vitamine, Mineralstoffe, Taurin/Aminosäuren, Glucuronolacton, Inosit und Kohlenhydrate. Als Höchst- bzw. Referenzwerte gelten in beiden Ländern folgende Mengen pro 100 Milliliter:

Koffein32 Milligramm
Inosit20 Milligramm
Glucuronolacton240 Milligramm
Taurin400 Milligramm

Das Österreichische Lebensmittelbuch hält ferner fest, dass Energydrinks bloß von den Herstellern als solche bezeichnet werden und der Name allein »keine gesundheitsbezogenen oder nährwertbezogenen Angaben« impliziert. Was in Österreich als Energydrink durchgeht, muss in anderen Ländern als Stimulans deklariert sein, wobei nicht nur die Bezeichnung, sondern auch der Konsum geregelt ist. In Kanada etwa galt Red Bull bis 2012 aufgrund des hohen Koffeingehalts als Nahrungsergänzungsmittel, in Indonesien fällt das Getränk bis heute in diese Kategorie.

Was tun, wenn Nahrungsmittel zur Modeerscheinung werden und eher mit Lifestyle und Selbstoptimierung zu tun haben als mit gesunder, ausgewogener Ernährung? Insbesondere dann, wenn ein Produkt zum Welt­erfolg wird? Genau hinschauen! Welches Produkt zum Verkaufsschlager wird, hängt von vielen Faktoren ab. Ein fein justierter Mix aus Food-Design, Marketing und ernährungswissenschaftlicher Expertise erhöht die Erfolgschancen.

Ökonomisch bleibt es aber unsicheres Terrain, wenn man ein neues Produkt lancieren will. Vor allem, wenn es sich um eine völlig neue Produktkategorie handelt. Energydrinks kannte in Europa vor Red Bull lediglich eine Handvoll Menschen. Und obwohl der thailändische Ursaft Krating ­Daeng und dessen erfolgreiche japanische Vorlage Lipovitan Volltreffer waren, eins zu eins lassen sich Rezepte und Marktkonzepte nie kopieren.

Auch deswegen kursiert die Legende, Dietrich ­Mateschitz habe jahrelang die Rezeptur von Krating Daeng studiert, um mit seinem Red Bull die europäischen Geschmacksnerven zu treffen. Viel hat er sich allerdings nicht einfallen lassen. Letztlich mischte er Kohlensäure dazu und passte die Menge einiger Inhaltsstoffe an. So findet sich in der europäischen Rezeptur um mehr als die Hälfte weniger Zucker (11 statt 23,3 Gramm auf 100 Milliliter) als in Krating Daeng.

Wie man beim Mischen und Abfüllen vorgeht, zeigen interne Dokumente: Im Jahr 2014 trägt die Standardformel die Bezeichnung »7802«, es handelt sich um das in Österreich verkaufte Red Bull. In Japan hat das Getränk die Rezeptnummer »4709AS« und enthält kein Taurin. Die Substanz wird dort durch Arginin, eine andere Aminosäure, ersetzt. Das Kürzel »AS« steht für »Asien«. Kurzum: Die synthetisch hergestellten Substanzen variieren in ihrer Dosierung je nach Gesetzeslage von Land zu Land.

Die größten Unterschiede zum thailändischen Ursaft liegen aber ohnehin in der Größe und im Gebinde: Der Austro-Trunk wird in schlanken Aludosen (250 Milliliter) und nicht in dunkelbraunen Glasfläschchen (150 Milliliter) verkauft, die an den pharmazeutischen Ursprung des Getränks erinnern. Dennoch lesen sich die Zutaten da wie dort wie jene eines Medikaments: Taurin, Inositol, Dexpanthenol, Magnesium­carbonat und einige B-Vitamine sorgen für ein gewisses Apotheken-Flair. Wären da nicht die alles dominierenden Aromen.

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