Film fatal

Mit seinem Produktionsbudget entscheidet der ORF darüber, welche Filme, Serien und Dokus in Österreich gedreht werden. Doch das Geld wird intransparent und ungleich verteilt.

ORF27.3.2023 

Gutes Fernsehen ist nicht billig. Wie viel die Produktion von ­Sendungen kostet, kann man im Internet nachsehen: Eine 45-minütige historische Dokumentation zum Beispiel kommt auf »im Schnitt 70.000 Euro«. Naturdokus sind mit »circa 300.000 Euro pro Folge« deutlich teurer. Am günstigsten sind Wissenschafts- oder Gesellschaftsdokus (»mittlerer bis höherer fünfstelliger Bereich«) und Kulturreportagen (»zwischen 35.000 und 80.000 Euro«). Das Problem: Diese Zahlen stammen aus Deutschland – von der Website des ZDF. Ähnliche Kalkulationen veröffentlichen das Schweizer SRF und die britische BBC. In Österreich tappt man hingegen im Dunkeln, wenn man herausfinden will, wie viel Auftragsproduktionen des ORF kosten.

Dabei geht es um viel Macht und Geld. Rund 100 Millionen Euro – ein Zehntel seines Budgets – vergibt der ORF jährlich an Produktionsfirmen und entscheidet damit darüber, was in Österreich gedreht wird. »Die Branche lebt und stirbt mit dem ORF. Umso wichtiger ist, dass die Finanzierung sichergestellt wird«, sagt Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Produzent und Obmann des Fachverbands Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich. »Wenn du vom ORF nichts mehr bekommst, ist das existenzgefährdend«, bekräftigt Kurt Brazda, Regisseur und Vorstandsmitglied des Verbands österreichischer Kameraleute.

Wer etwas bekommt – und wie viel –, wird beim ORF hinter verschlossenen Türen entschieden und bleibt auch intransparent. Damit sind Willkür, Machtmissbrauch und Bevorzugung Tür und Tor geöffnet. »Im Jahr 2021 hat der ORF 106 Millionen Euro an österreichische Produzent·innen im Rahmen von Auftrags- und Co-Produktionen vergeben. Dieses Volumen wurde an 145 österreichische Produktionsfirmen vergeben«, heißt es vom ORF auf Anfrage. Mehr Infos gibt es nicht, denn: »Die gewünschte Auswertung nach Sendern und Produktionsfirmen wäre sehr komplex, und wir ersuchen um Verständnis dafür, dass der ORF diese nicht zur Verfügung stellt.« DOSSIER hat trotzdem versucht, sich den Zahlen anzunähern.

Anhand der Daten des Fernsehfonds Austria – der staatlichen Förderstelle für TV-Produktionen – kann man aufgrund seines großen Marktanteils Rückschlüsse auf die Produktions­tätigkeit des ORF ziehen: Mehr als 80 Prozent der geförderten Projekte werden vom ORF kofinanziert. Die Auswertung der Fernsehfonds-­Daten zeigt, wie viel TV-Produktionen in Österreich durchschnittlich kosten: 2.661 Euro etwa kostete eine Minute Dokumentation in den Jahren 2018 bis 2022 – das liegt deutlich über dem Durchschnitt des ZDF. Doch manche Produktionen schießen bei den Kosten noch viel weiter darüber hinaus: Passenderweise geht es in einer davon um die höchste Kirche Wiens.

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