Die OMV-Chats: Türkis-blauer Postenschacher im Ölgeschäft

Die Casinos-Packelei war kein Einzelfall. Volkspartei und Freiheitliche konspirierten 2019 auch rund um die börsennotierte OMV AG. Per SMS dealten Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) mit Aufsichtsratsmandaten und Vorstandsjobs. DOSSIER präsentiert die brisanten Chatprotokolle zum Nachlesen.

von Ashwien Sankholkar

OMV7.10.2020 

Aufmacherbild: BMF/Bruckberger (CC BY 2.0), Bwag (CC-BY-SA-4.0), OE3BLS (CC BY-NC-ND 2.0)

In der OMV brodelt es gewaltig. Österreichs größter Industriekonzern (23 Milliarden Euro Umsatz, rund 20.000 Beschäftigte) befindet sich im Fadenkreuz von Politik und Justiz. In einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) – er trägt die politische Verantwortung für die OMV – wurde bereits das Luxusleben des Vorstandsvorsitzenden mit Firmenpartys, Privatjets und Millionengagen angeprangert.

Zudem haben die Neos eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Alma Zadić eingebracht – der Grund: Die Übernahme des Petrochemieriesen Borealis wurde wegen Untreue und schwerer Sorgfaltspflichtverletzungen von einem Whistleblower bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angezeigt. WKStA-Mediensprecher René Ruprecht gegenüber DOSSIER: „Die Anfangsverdachtsprüfung zur OMV ist noch nicht abgeschlossen.“

Nun ist die Affäre OMV um eine brisante Facette reicher.

Die Datenauswertung im Casinos-Strafverfahren (Aktenzahl: 17 St5/19d) brachte brisante Chatprotokolle ans Tageslicht, die den türkis-blauen Postenschacher im Ölgeschäft dokumentieren. Das DOSSIER exklusiv vorliegende Protokoll der Chats zwischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) umfasst fünf A4-Seiten.

Das Dokument gibt Einblick, mit welcher Unverfrorenheit im staatsnahen Bereich Posten besetzt werden. Der SMS-Verlauf erinnert an die freche Packelei rund um die teilstaatliche Casinos Austria, die zum handfesten Korruptionsskandal wurde. Deshalb ist die OMV nun Gegenstand des parlamentarischen Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung.

„Mein Mandant weist strafrechtlich relevante Vorwürfe zurück“, sagt Strache-Anwalt Johann Pauer. Den Inhalt der Chatprotokolle wolle er nicht kommentieren. Löger-Anwalt Werner Suppan ersucht um Verständnis, dass sein Mandant „keine medialen Statements“ abgibt: „Mein Mandant hat gegenüber der WKStA zu allen aufgeworfenen Themen umfassend Stellung genommen.“ Thomas Schmid war für eine Stellungnahme gegenüber DOSSIER nicht erreichbar.

Aus dem Protokoll

„Hallo HC - können wir am Mittwoch vor MR betr AR-Besetzungen bei Beteiligungen reden...?
LG Hartwig“, schreibt Löger am 18. März 2019. MR steht für Ministerrat und AR für Aufsichtsrat. Es geht um die großen Staatsbeteiligungen.

„Ja. wir haben alle Nennungen“, antwortet Strache und fragt nach: „Um was geht es genau?“ Löger: „OMV-Besetzung sofort und weitere ab 2020...“ Strache versteht nicht ganz: „Wieso erst ab 2020? Sollte doch 2019 passieren.“ Er pocht darauf, dass alles rasch erledigt werden müsse: „Hier haben wir eine Vereinbarung, dass ab der Wahl von Schmitt (sic!) die AR 2019 neu gewählt werden und auch der eine oder andere Vorstand!“

Offenbar wollten die Parteien nicht nur im Kontrollgremium mitmischen, was laut WKStA nicht von strafrechtlicher Relevanz wäre. Die Besetzung von Aufsichtsräten nach Parteinähe ist umstritten, aber nicht strafbar. Anders schaut es aus, wenn es um die Besetzung des Topmanagements geht.

Die Auswahl des OMV-Vorstands durch politische Entscheidungsträger wäre eine Grenzüberschreitung, denn diese Aufgabe liegt in der Verantwortung des Aufsichtsrats. In der OMV würde das obendrein vermögensrechtliche Fragen aufwerfen – denn für die Suche nach einem fünften OMV-Vorstand wurde extra der Personalberater Spencer Stuart eingeschaltet, der dafür ein fürstliches Honorar kassiert hat.

Laut Chatprotokoll bietet Löger an, die offenen Postenvergaben im Anschluss an den Ministerrat zu bereden. Strache macht am 19. März 2019 trotzdem Tempo: „Lieber Hartwig! Im Anschluss geht es schwer, da wir Verhandlungen mit dem BK haben. Am Nachmittag reden Schiefer und Schmitt (sic!) sowieso. Und die haben für beide Parteien eine Vereinbarung fixiert. Beide haben bereits für ÖBIB/ÖBAG-neu vereinbart, dass wenn Schmitt (sic!) AR-Vorsitzender ist. dann alle AR-Neubesetzungen sofort - nämlich 2019 - erfolgen... vor der HV Im April vom Verbund. Post, OMV. BIG. etc! Alles andere wäre eine Provokation. Wir haben umgekehrt bei der ÖBB, ASFINAG, Donau, etc alle eure 30 AR sofort umgesetzt in euren Ressorts warten wir bis heute... auch Telekom! Ausgemacht war 2018/2019. das bitte auch sicherstellen und einhalten! Lg HC.“

Lögers Replik lässt nicht lange auf sich warten. „Werde mit Thomas Schmid reden... Lg Hartwig.“ Mit dem von Strache irrtümlich als „Schmitt“ Bezeichneten ist Lögers rechte Hand gemeint. Thomas Schmid war seit 2015 Generalsekretär im Finanzministerium, ab Ende März 2019 Alleinvorstand der Staatsholding Öbag und ab Mai 2019 Vizepräsident des OMV-Aufsichtsrats. Wegen seiner Rolle in der Casinos-Austria-Affäre wird Schmid als Beschuldigter geführt. Das Casinos-Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen. 

„Ich ersuche Euch wirklich um rasche AR-Neubesetzung vor dem Sommer 2019 - vor den Hauptversammlungen Ende April“, so Strache an Löger. „Brauchen sofort nach Einsetzung von Schmitt (sic!) bei OMV, Verbund, Post, BIG, CASAG unsere AR (1/3) eingesetzt, wie vereinbart. Es gibt da Pakete, welche nur dann umzusetzen sind. Und Vereinbarungen sind einzuhalten.“ Strache hat einen Tipp für Löger: „Ihr braucht eure Leute nur ersuchen zurückzulegen...... die Roten gehören endlich ersetzt! Wir haben wirklich geduldig auf die jetzige Reform gewartet. Jetzt geht es um rasche Umsetzung der Vereinbarungen!“

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Der umgefärbte Aufsichtsrat

Die Strache-SMS zeigte Wirkung. Tatsächlich wurden am 14. Mai 2019 – wenige Tage vor Ausbruch des Ibiza-Skandals – die Aufsichtsräte in der OMV vereinbarungsgemäß besetzt. Thomas Schmid wurde Vizepräsident. Weiters zogen Stefan Doboczky (Lenzing), Elisabeth Stadler (VIG), Christoph Swarovski und Cathrine Trattner, die Tochter von FPÖ-Urgestein Gilbert Trattner, neu in den OMV-Aufsichtsrat ein. Wolfgang Berndt, ein Spender von Sebastian Kurz (ÖVP), wurde zum OMV-Präsidenten gekürt.

Qualifikation spielte grosso modo eine untergeordnete Rolle, die parteipolitischen Befindlichkeiten von Strache und Löger waren wichtiger. Das behaupten OMV-Insider. So sei es der Casinos-Affäre rund um die unglückliche Vorstandsbestellung von Peter Sidlo zu verdanken, dass der Aufsichtsrat davon Abstand nahm, einen parteipolitischen Günstling in den OMV-Vorstand zu hieven. Dabei hatten sich einige in Stellung gebracht. Die besten Politkarten hatte Markus Friesacher.

In der OMV war er seit 2016 in der zweiten Managementebene als Senior Vice President Public Affairs tätig. So hätte man ihn als „Inhouse“-Lösung präsentieren können. Friesacher ist vor allem politisch vernetzt und pflegt gute Kontakte zu Sebastian Kurz und René Benko. Aus der Vorstandsbestellung wurde letztlich doch nichts, weshalb Friesacher die OMV Anfang 2020 verließ. Markus Friesacher will sich zur OMV-Zeit nicht äußern. Die OMV dürfte an einem Sidlo-Skandal haarscharf vorbeigeschrammt sein.

Wie gesagt, seit wenigen Wochen steht die OMV auf der Agenda der WKStA. Es geht laut Kurier um mutmaßlich strafbares Handeln von OMV-Organen im Zusammenhang mit der 4,11 Milliarden Euro teuren Übernahme des Petrochemieriesen Borealis. Die OMV soll um zumindest eine Milliarde Euro zu viel bezahlt haben, heißt es.

Zudem berichteten Profil, Standard und ZiB 2 im Oktober, dass Konzernchef Rainer Seele als Zeuge vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss am 16. September 2020 widersprüchlich ausgesagt haben soll: Den Betrieb eines russischen Gasfelds will er ohne politische Schützenhilfe durch Kanzler Kurz und Finanzminister Löger durchgezogen haben. Doch OMV-E-Mail-Verkehr mit Thomas Schmid vermittelt das Gegenteil.

Laut WKStA-Sprecher Ruprecht werde nun die Ausfertigung des Ibiza-Ausschussprotokolls abgewartet, danach schaue man weiter. OMV-Pressesprecher Andreas Rinofner zu den Vorwürfen: „Kein Kommentar.“

Auf der internationalen Watchlist

Postenschacherei, Parlamentsvorladungen und Justizverfahren sind für den internationalen OMV-Investorenkreis mehr als ärgerlich. Rund 43 Prozent der Aktien befinden sich im Streubesitz. Das mediale Getöse wirkt sich – neben Corona und Ölpreis – negativ auf den Aktienkurs aus. Seit dem Vorjahr hat sich die Marktkapitalisierung der OMV AG halbiert – und damit auch der Börsenwert des 31,5-Prozent-Pakets, das die Republik über die Öbag hält. Parlamentarische und staatsanwaltschaftliche Verfahren wirken wie Gift für den OMV-Konzern, der sich momentan bei der Suche nach einer nachhaltigen Zukunftsstrategie plagt.

Der erste Kopf ist schon gerollt. Einen Tag nach Seeles Auftritt im U-Ausschuss und keine zwei Wochen vor der Hauptversammlung am 29. September 2020 wurde der 78-jährige Wolfgang Berndt ausgetauscht. Berndt saß seit 2010 im OMV-Aufsichtsrat und führte seit Mai 2019 den Vorsitz. Der Abu-Dhabi-Staatsfonds Mubadala – er hält 24,9 Prozent an der OMV – hatte offenbar genug vom medialen Trubel.

Sie holten einen Vertrauten und gestandenen Petrochemiekenner: Der frühere Borealis-Boss Mark Garrett wurde in der Hauptversammlung zum neuen OMV-Präsidenten gewählt und soll nun wieder Ruhe ins Unternehmen bringen. Ursprünglich wollte sich Berndt gegen seine eiskalte Demontage zur Wehr setzen. Er entschied sich anders. Vielleicht wurde ihm bewusst, wem er den OMV-Job zu verdanken hatte. Die Politik kann es geben, aber auch schnell wieder nehmen.