Aus dem Luxusleben eines Ölprinzen

Opulente Firmenpartys, fragwürdiges Fußballsponsoring und Trips im Privatjet. OMV-Boss Rainer Seele vollführt seit Jahren ein famoses Kunststück: Wie er Millionen für Luxus ausgibt und gleichzeitig bei anderen einspart.

Text: Ashwien Sankholkar

OMV5.5.2020 

Aufmacherbild: Hans Punz / APA / picturedesk.com

Er sitzt auf einer sprudelnden Geldquelle. Egal ob die Preise für Öl und Gas in den vergangenen Jahren in den Keller rasselten oder anzogen, für Rainer Seele ging es gehaltsmäßig stets bergauf. Mit 7,2 Millionen Euro für 2019 gilt er als Österreichs bestverdienender Manager. Damit kassiert der 59-jährige Vorstandschef der OMV AG umgerechnet über 20.000 Euro pro Tag, also mehr, als viele Supermarktangestellte im Jahr verdienen.

Der 1,90 Meter große Deutsche steht seit Juli 2015 an der Spitze der OMV. Das Industrieschwergewicht mit 19.345 Mitarbeitern und 23,4 Milliarden Euro Konzernumsatz ist das Flaggschiff der Wiener Börse, das im Vorjahr 2,1 Milliarden Euro Gewinn erzielte. Jüngst landete Seele einen Coup: Er verkündete die Übernahme des Kunststoffspezialisten Borealis – und damit den größten Deal in der österreichischen Industriegeschichte.

Seeles Welt ist eine der Superlative, doch hinter den Kulissen rumort es. Denn für den Erwerb von 39 Prozent an der Borealis AG muss die OMV vier Milliarden Euro auf die Beine stellen. Deswegen und wegen der Corona-Krise ist beinhartes Sparen angesagt.

Seele schnürte vor wenigen Wochen ein „Maßnahmenpaket“, wie er es nennt, das Einsparungen von mehr als zwei Milliarden Euro vorsieht. Konkret werden die 1,5 Milliarden Euro teure Russland-Expansion vorerst auf Eis gelegt, das Investitionsvolumen um 500 Millionen Euro gekürzt und die operativen Kosten um 200 Millionen Euro gesenkt. Letzteres bedeutet, dass liebgewonnene Privilegien gestrichen werden und Personal massiv abgebaut wird.

Der jüngste Quartalsverlust von 159 Millionen Euro hat den Spardruck abermals erhöht. Der Großteil trifft das Personal, wo sich die Aufwendungen im Vorjahr auf rund eine Milliarde Euro summierten. Seele setzt auch beim einflussreichen OMV-Adel den Rotstift an. Die Bosse der zweiten Managementebene, die sogenannten Senior Vice Presidents (SVPs), sind deshalb in Aufruhr. Ein besonderer Affront für die Aristokratie: Beim obersten Sparmeister selbst wird nicht gespart. 

Die Rachegelüste der SVPs dürfte Seele massiv unterschätzt haben. Unter dem Schutz der Anonymität plaudern nun ehemalige und aktive OMV-Topmanager über ausufernde Vorstandsprivilegien. So erhielt DOSSIER einen exklusiven Einblick in eine Welt, in der Konzernchef Rainer Seele ein kleines Vermögen für Firmenpartys, Fußball und Privatjets ausgibt – und das Luxusleben eines Ölprinzen führt; eine Doppelmoral, die Seele auch in Konflikte mit allgemeinen Konzernrichtlinien bringt.

„Game of Thrones“ in der Alpenrepublik

Das Ränkeschmieden in der OMV erinnert an die US-Fantasy-Serie „Game of Thrones“. Dort kämpfen verfeindete Fürstentümer mit heimlichen Allianzen und offenen Kriegen um den Eisernen Thron, das Symbol der unumschränkten Macht im Fantasiereich Westeros. Auch in der OMV geht es um viel Macht. In der 1956 errichteten Österreichischen Mineralölverwaltung haben Chefprivilegien eine lange Tradition.

Das geht so weit, dass ehemalige Vorstände selbst nach ihrem Ausscheiden ein Vermögen nachgeworfen wird, wie aus den jüngsten Geschäftsberichten hervorgeht: Gerhard Roiss trat als OMV-Chef im Juni 2015 zurück und sein Vorstandskollege Jaap Huijskes im August 2015.Trotzdem cashten sie von 2016 bis 2019 noch ordentlich ab. 

Roiss erhielt 9,2 Millionen Euro und Huijskes rund vier Millionen Euro. Auch zwei weitere Ex-Vorstände erhielten nach ihrem Ausscheiden nachträglich rund 1,8 beziehungsweise fünf Millionen Euro ausbezahlt. Ohne einen Finger zu rühren, erhielt dieses Quartett in vier Jahren mehr als 20 Millionen Euro. Für OMV-Mitarbeiter, die vor einem harten Sparkurs zittern, wirkt das wie blanker Hohn.

Kritiker riskieren ihren Kopf

In der OMV regiert jeder Vorstandsdirektor über ein kleines Königreich. Seit Jahresbeginn legt sich Großkönig Seele mit den mächtigen OMV-Fürsten an, den Senior Vice Presidents (SVP). Wer nicht spurt, muss gehen.

Den einflussreichsten SVP, Markus Friesacher, katapultierte er vor kurzem aus dem Unternehmen. Damit eliminierte er nicht nur einen Konkurrenten, sondern sendete eine klare Botschaft an potenzielle Rebellen: Keiner ist vor mir sicher. Immerhin ist Friesacher mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dem Immobilientycoon René Benko befreundet. Zudem verfügt er über beste Connections ins Scheichtum Abu Dhabi und ins Finanzministerium, wo die Staatsholding Öbag angesiedelt ist.

Mit 31,5 Prozent ist die Öbag der größte Einzelaktionär der börsennotierten OMV AG. Gemeinsam mit dem Abu-Dhabi-Staatsfonds Mubadalla – er hält 24,9 Prozent an der OMV – bildet die Öbag das OMV-Syndikat, ein gesellschaftsrechtliches Bollwerk gegen feindliche Übernahmen. Bei einem Streubesitz von 43 Prozent kann sich ein schwarzer Ritter leicht einschleichen, wogegen ein Syndikat auf Aktionärsebene hilft.

Markus Friesacher ist ein umtriebiger Entrepreneur, dem neben Immobilien und Tankstellen auch die traditionsreiche Manufaktur Gmundner Keramik gehört. Seit 2016 fungierte Friesacher als Seeles Verbindungsoffizier zur Regierung. Hinter vorgehaltener Hand wurde er sogar als OMV-Vorstand gehandelt, der – ähnlich wie Bettina Glatz-Kremsner in den Casinos Austria und Thomas Arnoldner in der A1-Telekom Austria – zum türkisen Fahnenträger in der OMV aufgebaut werden sollte. Friesacher ist Seeles prominentestes Opfer.

Auf DOSSIER-Anfrage will Friesacher seinen Ausstieg nicht kommentieren.

In der Schlangengrube der SVP

Senior Vice Presidents wie einst Friesacher besitzen reichlich Insiderwissen über Seeles Aktivitäten und beziehen die höchsten Einkommen. Laut Geschäftsbericht 2019 summierten sich Gehälter, Prämien und Bonusaktien für 38 leitende Führungskräfte auf 32,4 Millionen Euro, macht im Schnitt 850.000 Euro pro Nase. Seele überraschte die SVP-Lords mit Lohnkürzungen.

Ohne Vorwarnung mussten sie „freiwillig“ auf versprochene Gehaltserhöhungen verzichten. Bei einem Fixgehalt zwischen 14.000 Euro und 25.000 Euro im Monat sind die SVPs zwar nicht armutsgefährdet. Aber selbst privilegierte Einkommensbezieher können 6.000 bis 8.000 Euro Minus pro Jahr als persönliche Kränkung auffassen. Ein langdienender SVP:

Es geht nicht nur ums Prinzip, sondern auch um den Stil, wie uns das alles serviert wurde. Quasi: Friss oder stirb!

Mit neuen Regeln bei den Dienstwagen schlachtete Seele eine heilige Kuh. Ein Senior Vice President fährt gehobene Mittelklasse wie etwa einen 5er-BMW. Dieses Privileg lässt Seele auslaufen. Firmenautos werden sukzessive eingezogen und künftig pauschal abgegolten. Mit der „Car Allowance“ – eine Pauschale, die als Gehaltszuschuss monatlich überwiesen wird – dürfen sich die SVPs fortan selbst ein Dienstauto leasen und auch privat fahren.

Viele OMV-Aristos empfanden Seeles Vorgehen als persönlichen Angriff. Wegen der reduzierten Car Allowance verlieren sie nicht nur ihren Wunschwagen, sondern auch Bequemlichkeit. Denn die Auflösung des teuren Fuhrparkmanagements bedeutet das Ende der Rundumbetreuung aller Dienstkarossen. Vom Tanken übers Ölservice bis hin zum Reifenwechsel: Die verwöhnten SVPs müssen das künftig selbst erledigen. Was die Manager der zweiten Reihe so wurmt: Die Autos der Vorstände bleiben unangetastet. Ein empörter SVP:

Seele behält sogar seinen Chauffeur.

Der Monarch bestimmt die Regeln, die Untergebenen müssen sie einhalten. Als Österreichs Regierung in der Corona-Krise Ausgangsbeschränkungen einführte, düste Rainer Seele auf sein Privatanwesen nach Irland, wo er seit Mitte März Homeoffice machte. Airlines hatten als Corona-Reaktion den Flugverkehr im März zum Großteil auf null reduziert. Laut Flughafen Wien wurden im April alle Linienflüge von Irland nach Österreich gestrichen.

Firmenintern wird spekuliert, dass die OMV für Seeles Irland-Flüge bezahlt habe. „Kosten für private Reisen werden von jeder OMV-Mitarbeiterin und jedem OMV-Mitarbeiter privat bezahlt“, sagt OMV-Pressesprecher Andreas Rinofner. Das gilt wohl auch für den obersten Chef. Detailfragen zu Seeles Irland-Reise werden nicht beantwortet. Dabei ist der Konzernboss schon seit langem ein ausgiebiger Jetsetter auf Firmenkosten.

Im Privatjet durch die Weltgeschichte

Eigentlich sind Dienstreisen im Privatjet in der OMV verpönt. Diesbezüglich sind die allgemeinen Reiserichtlinien streng: Njet zum Jet. Rechnungen des Bedarfsflugunternehmens Jetfly Airline GmbH, die DOSSIER exklusiv vorliegen, zeichnen aber ein anderes Bild – zumindest in der Chefetage. Demnach war Seele seit 2016 oft dienstlich mit dem Jet unterwegs – beliebte Destinationen: die Emirate sowie Russland und Irland. Nach DOSSIER-Recherchen kostete Seeles Jetsetleben die OMV seit 2016 mehr als 400.000 Euro. 

„Die OMV ist ein langjähriger und sehr geschätzter Stammkunde von uns“, bestätigt Jetfly-Marketingmanager Raphael Spindelberger. Stammkunden fliegen übers Jahr betrachtet ein- bis zweimal pro Monat, manchmal öfter. Und wie oft fliegt Rainer Seele? Spindelberger: „Über Kundenbeziehungen geben wir prinzipiell keine Auskunft.“

Auffällig sind Seeles Reisen nach Irland. Die Flüge nach Kerry stechen hervor. So flog der Vorstand von 6. bis 8. Juni 2017 die Strecke Wien–London–Edinburgh–Dublin–Kerry–Wien, Kostenpunkt: 41.023,40 Euro. In London, Edinburgh und Dublin standen Investorengespräche auf dem Programm. Warum Kerry? Ein privater Hintergrund? Immerhin besitzt Seele ein Refugium auf der Grünen Insel, wo er sich die Zeit „mit Lachsangeln“ vertreibt, wie er der Tageszeitung Der Standard erzählte. Kommen solche Abstecher öfters vor? Wurden die Kosten von der OMV übernommen? „Dienstreisen, die Herr Seele für die OMV absolviert, werden von uns nicht kommentiert“, sagt OMV-Sprecher Rinofner. „Sämtliche Flüge sind operativ notwendig und werden gemäß der OMV-Reiserichtlinie ordnungsgemäß abgerechnet.“

Das teuerste Flugticket

Das teuerste Ticket unter den DOSSIER vorliegenden Rechnungen wurde der OMV im Sommer 2018 ausgestellt: Am 12. August hob ein Privatjet um 8.55 Uhr von Wien nach Abu Dhabi ab und flog am Tag darauf um 8 Uhr wieder zurück. Ein Linienflug in der Business-Class hätte um die 3.000 Euro gekostet, ein Bruchteil der Kosten eines Privatjets. Kein Wunder, dass die Rechnung wie eine heiße Kartoffel im Unternehmen herumgereicht wurde. 

Betreffend „Jet-Anfrage“ schreibt Seeles Vorstandsassistent am 7. August 2018 an eine Kollegin: „Herr Seele möchte, dass Herr L. ihn auf diese Reise begleitet. Bitte finde untenstehend die Zeitplanung sowie den Preis des Jets. Herr Seele meinte, den Betrag auf Kostenstelle L. zu verbuchen. Bitte um finales Okay, damit wir den Jet buchen können.“ Der Flugpreis in der eleganten Challenger: 60.500 Euro, das Zwanzigfache des Linienflugs. „Interne Buchungsvorgänge werden von uns nicht kommentiert“, sagt OMV-Sprecher Andreas Rinofner gegenüber DOSSIER. „Gemäß der OMV-Reiserichtlinie können alle Vorstände Charterflüge in Anspruch nehmen. Entscheidend ist die dienstliche Notwendigkeit.“

Im obersten Managerzirkel, bei den Senior Vice Presidents (SVP), sorgt Seeles Rechtfertigung für Empörung. Denn die 23 Seiten starke „Reiserichtlinie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich“ ist diesbezüglich unmissverständlich: „Reisen mit einer Flugzeit von bis zu vier Stunden sind grundsätzlich in der Economy-Class zum günstigsten verfügbaren Tarif bei Direktflügen zu buchen“, heißt es darin. 

„Reisen mit einer Flugzeit von mehr als vier Stunden dürfen unter Ausnützung von Spezial- und Sondertarifen in der Business-Class unternommen werden.“ Selbst für große Gruppen werden Charterflüge etwa mit der Jetfly GmbH laut Richtlinie nicht ohne weiteres genehmigt: „Hat eine Gruppe von Reisenden des Unternehmens eine gemeinsame Dienstreise durchzuführen – auch zu Destinationen, die nicht von Linienflügen angeflogen werden –, ist vom Reisebüro ein Kostenvergleich anzufordern und die günstigste Option zu wählen.“

Derartige Kostenvergleiche wurden aber nie durchgeführt, wie auch Rinofner eingestehen muss. Ein Exklusivvertrag mit der Jetfly GmbH in Hörsching verhinderte das. Der teure Vertrag wurde von Seeles Vorgänger Gerhard Roiss abgeschlossen und beinhaltet im Vertragszeitraum ein fixes Flugstundenkontingent mit der OMV. Warum Seele den Luxusvertrag nicht frühzeitig aufgekündigt hat? „Inhalte von OMV-Verträgen kommentieren wir nicht“, sagt Rinofner. „Alle vertraglichen Vereinbarungen werden in der OMV nach den geltenden Richtlinien des Einkaufs ausverhandelt und abgeschlossen.“

Rainer Seeles Sekretariat kümmerte die Reiserichtlinie wenig. Reserviert wurde per E-Mail direkt beim Jetfly-Office in Hörsching. „Lead Passenger Rainer Seele“ – so ist im Jetfly-Reservierungssystem registriert – jettete auch auf Kurzstrecken, etwa im August 2016 von Innsbruck nach Wien (4.641,31 Euro) beziehungsweise im August 2017 Wien–Klagenfurt–Wien (4.941,69 Euro). Zwei Mitarbeiter nahm Seele von Tirol mit, beim Kärnten-Trip war er der einzige Passagier.

Aus Klimaschutzsicht macht das keinen schlanken ökologischen Fuß, und dass obwohl sich die OMV im eigenen Nachhaltigkeitsbericht 2019 als Vorzeigeunternehmen in Sachen „Klimaschutz und verantwortungsvolles Ressourcenmanagement“ präsentiert. Die Reduktion der CO2-Bilanz ist in der OMV Chefsache. Blöd, wenn der Chef nicht mitmacht.

Trips im Privatjet, die das Zehnfache an Emissionen eines vergleichbaren Linienflugs verursachen, passen nicht ins Bild eines klimafreundlichen Unternehmens. In der OMV wird das anders gesehen. Pressesprecher Rinofner: „Flugreisen sind für das Management eines internationalen Konzerns notwendig. Aus Kosten- und Umweltgründen achten wir darauf, dass nur wirklich notwendige Flüge durchgeführt werden. Die Flugreisen innerhalb des OMV-Konzerns wurden in den letzten fünf Jahren – im Vergleich zu den Jahren davor – um rund 43 Prozent reduziert.“ Der letzte Satz ist eine Spitze gegen Seeles Vorgänger Gerhard Roiss. Wie hoch waren die Privatjet-Aufwendungen von Roiss und Seele? Rinofner: „Wir veröffentlichen keine Reisedetails von ehemaligen und aktiven Vorständen.“

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Streifzug durch die Sponsoringwelt

Das Image des Saubermanns pflegt Rainer Seele im Bereich Sport und Kultur – die ideale Bühne für den polyglotten Deutschen, der bei Firmenfeiern aus dem Stand Ringelnatz-Gedichte rezitiert. Die OMV verfügt über eines der größten Sponsoringbudgets des Landes – und Seele ist ihr Big Spender. Laut Nachhaltigkeitsbericht wurden 2019 in Summe 20,8 Millionen Euro für Projekte ausgegeben, die die OMV aus sozialer Verantwortung unterstützt.

So wurden 2019 etwa „mehr als 800 Schülerinnen und Schüler sowie bedürftige Kinder aus unseren Anrainergemeinden in Österreich zu einem Weihnachtskonzert in die Wiener Staatsoper“ eingeladen. Zur Erinnerung gab es ein entzückendes Foto von Seele, Staatsoper-Direktor Dominique Meyer und sechs Mädchen und Buben. Für die „OMV-Kinderoper“ machte Seele 54.600 Euro aus der Konzernkasse flüssig.

Die Wiener Staatsoper kann sich seit Jahren über viel Geld von Österreichs Ölriesen freuen. Laut Wirtschaftsmagazin Trend zahlt die OMV eine halbe Million pro Jahr, Insider gehen vom Doppelten aus. Die üppige Unterstützung wird unter dem Titel „Generalsponsor der Wiener Staatsoper“ geleistet. Der damit verbundene Benefit fällt dem kulturaffinen Konzernboss zu.

Die OMV ist einer von zwei Generalsponsoren. Als deren oberster Vertreter wird Seele eine Ehrenloge am Opernball zur Verfügung gestellt, wo er 2019 den deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder zu Gast hatte. Hinzu kommt ein Kontingent an Premierentickets, selbstverständlich auch für ausverkaufte Aufführungen. Wie viel für Staatsoper und Schröder 2019 ausgegeben wurde? OMV-Sprecher Rinofner: „Die Kosten unserer Gäste und Geschäftspartner kommentieren wir nicht.“

Viel mehr als für die Oper gibt die OMV für das Sportsponsoring aus. Aktuell werden Österreichs Skispringer, der Motocross-Fahrer Matthias Walkner und der Fußballklub Rapid Wien finanziell unterstützt. Auffällig ist: Weder auf der OMV-Webseite („Sponsoring im Konzern“) noch im Nachhaltigkeitsbericht („Kultur- und Sportsponsoring“) ist ein Hinweis darauf zu finden, dass die OMV seit Ende 2018 auch zu den großen Förderern des russischen Fußballs zählt. Obwohl der Konzern Millionen für die Partnerschaft mit dem Spitzenklub Zenit St. Petersburg ausgibt, hält man sich mit genauen Details zurück.

Feudale Feste

Im OMV-Konzern sind Feste keine Seltenheit. Die teuerste Party in der jüngeren Firmengeschichte fand im Juni 2018 statt. Beim „Golden Wedding“ in der Hofburg wurden 50 Jahre Gasliefervertrag mit Russland zelebriert. Die Ehrengäste der schillernden Hochzeitsfeier, darunter Gazprom-Chef Alexei Miller, kamen direkt aus Moskau angeflogen. Um die Leute bei Laune zu halten, wurden keine Kosten gescheut. Die Rechnung für die Jubiläumssause ist sieben Seiten lang und summiert sich auf 868.558,97 Euro, hier ein Auszug.

PositionKosten
Catering 3-Gang-Menü für 400 Gäste (Starkoch Stefan Speiser)26.000 €
Catering-Personal (12 Köche, 40 Service-Mitarbeiter, 2 Barkeeper)29.000 €
Getränkekonsumation (Wein, Sekt, Bier, Spirituosen)23.000 €
Blumen- und Pflanzendekoration35.000 €
Künstler und Akteure (Staatsopernballett, Performer, Moderator)146.000 €
Licht und Ton sowie LED-Projektionstechnik123.000 €
Einladungs-Mailing – 850 Stück, exklusive Versand14.242 €
Versand der Einladung bzw. personalisierte VIP-Card in Österreich1.621 €
Kuverts – 1.400 Stück, Vorderseite Goldfolie8.784 €
Fotobudget – 6 Stück Fotos für die Einladung1.145 €
Event-Dokumentation9.900 €
Eintrittskarten für das Kunsthistorische Museum – 450 Stück2.304 €
„Landkarte“ als Gastgeschenk für Gazprom-Chef Alexei Miller2.100 €
Hostessen für Gäste-Leitung, Verteilungen3.000 €
Organisationspauschale (Erlebnismarketing GmbH)54.000 €
Agenturpauschale (Erlebnismarketing GmbH)30.000 €
Projektaufsicht vor Ort (Erlebnismarketing GmbH)18.000 €
Gesamt868.559 €

Die strengen Einkaufsrichtlinien der OMV, die das Einholen von Gegenangeboten ab einem Auftragswert von 30.000 Euro zwingend vorschreiben, werden im Eventbereich nicht so eng gesehen. Nach einer billigeren Agentur zu suchen, war offenbar auch nicht so wichtig.

Beauftragt wurde bei Firmenveranstaltungen regelmäßig die Erlebnismarketing GmbH von Reichl & Partner. „Die OMV ist unser bester Kunde“, bestätigt Erlebnismarketing-Manager Hermann Gruber. OMV-Sprecher Rinofner ergänzt: „Die Firma Erlebnismarketing wurde im Zuge einer Ausschreibung als ein Rahmenvertragspartner ermittelt. Da es sich um einen bloßen Rahmenvertrag handelt, gibt es keine Abnahmeverpflichtung.“ Mit anderen Worten: Die OMV zahlt nur, was in Rechnung gestellt wird – und meist ohne Nachverhandeln.

Tatsächlich wurden die Weihnachtsfeste unter Rainer Seele Jahr für Jahr teurer, wie aus DOSSIER vorliegenden Rechnungen hervorgeht. Im Dezember 2017 traf man sich noch in der Aula der Wissenschaft in der Wiener Wollzeile zum Essen und spazierte im Anschluss zum Weihnachtskonzert in den Stephansdom, Gesamtkosten: rund 77.000 Euro. In den Jahren darauf wurde es opulenter, Show, Raumkonzept und multimediale Inszenierung aufwendiger.

2018 kostete die Sause in der Staatsoper bereits 236.000 Euro, 2019 im Musikverein 270.000 Euro. Ob die fulminanten Firmenpartys wegen Corona und Co heuer gestrichen werden? OMV-Sprecher Andreas Rinofner: „Unser Weihnachtskonzert steht für die Wertschätzung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist ein kulturelles Event und keine Party.“ Nachsatz: „Auch dieses Event wird bezüglich der Kosten überprüft.“ Das sei Teil von Seeles „Maßnahmenpaket“.

Mit dem Sparen kennt sich Rainer Seele aus: Vor seinem Amtsantritt im Juli 2015 waren konzernweit 24.124 Personen beschäftigt. Seither sind 4.000 Jobs weg. Doch während er bei anderen den Rotstift ansetzt, wächst die Summe auf seinem Gehaltszettel. 2019 stieg seine Jahresgage um 55 Prozent auf 7,2 Millionen Euro im Vergleich zum Jahr davor.

Obwohl Seele seit Jahren zu Österreichs Topverdienern zählt, wurde sein fürstliches Salär 2019 nochmals großzügig aufgefettet: Zu 1,1 Millionen Euro Fixgehalt für 2019 bekam er eine Nachtragsprämie für 2018 in der Höhe von 1,25 Millionen, 280.000 Euro für die Pensionskasse sowie 3,6 Millionen Euro an Aktienvergütung. Doch es kommt noch besser: Für die interimistische Übernahme eines Vorstandsbereichs erhielt er ein finanzielles Zuckerl von einer Million Euro. Ein Job, den Seele ein halbes Jahr nebenbei erledigte. Pikant: Der Vorstand, der zuvor hauptverantwortlich zuständig war, machte es um 334.689 Euro billiger.