Aufmacherbild: gazprom.com
Seit mehr als 50 Jahren machen Gazprom und OMV schon Geschäfte. 2018 wurde diese Beziehung gefeiert, erneuert und sportlich vertieft: Während der russische Energieriese Gazprom beim Bundesligisten Austria Wien einsteigt, fädelt die OMV einen Sponsoringvertrag mit dem Gazprom-Klub Zenit St. Petersburg ein.
Das gegenseitige Engagement wird als Zeichen der Verbundenheit präsentiert. Zur feierlichen Ankündigung im September 2018 flog OMV-Boss Rainer Seele nach St. Petersburg, wo er im Beisein von Gazprom-Boss Alexei Miller seine Freude über das Zenit-Sponsoring kundtat.
Das Sponsoring bei Zenit sollte auch die geschäftliche Zusammenarbeit mit Gazprom festigen. Im Oktober 2018 unterzeichnete Seele einen Vertrag, der damals als spektakulärer Einstieg der OMV in Russland verkündet wurde. Mit dem gefeierten „Achimov“-Deal sicherten sich die Österreicher zwei Lagerstätten im Gasfeld Urengoi. Mit einer Fläche von mehr als 12.000 Quadratkilometern ist das Gasfeld größer als Oberösterreich.
Die Freude darüber währte gerade einmal ein Jahr. Im März 2020 musste die Expansion nach Westsibirien abgeblasen werden. Schuld daran waren der massive Geschäftseinbruch wegen der Corona-Krise und die mehrheitliche Übernahme des Petrochemieriesen Borealis – Kaufpreis: vier Milliarden Euro.
Football forever
Das Zenit-Sponsoring bleibt trotzdem bestehen. „Seit 2018 ist OMV Partner des FC Zenit und der Gazprom Zenit Football Academy“, heißt es auf der Russland-Website der OMV. „Das Hauptziel dieses Projekts ist die Unterstützung der Entwicklung des Jugendsports und eines gesunden Lebensstils in Russland sowie die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen führenden russischen und österreichischen Sportorganisationen.“
Die Kooperation läuft bis 2023 und umfasst also auch die Finanzierung einer Fußballschule. „Über die Höhe des Sponsorings kann ich keine Angaben machen“, sagt OMV-Sprecher Andreas Rinofner, der auch sonst keine Details des Sponsorings offenlegen will: „Der Vertrag unterliegt der Vertraulichkeit.“ Auch vonseiten des russischen Spitzenklubs ist nichts zu erfahren. Eine Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Laut DOSSIER-Informationen sollen jährlich fünf Millionen Euro nach St. Petersburg fließen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wären das 25 Millionen Euro für Zenit. Für österreichische Verhältnisse ein Riesenbetrag.
Damit würden die Russen deutlich mehr kassieren als Rapid Wien, dessen Vertrag mit der OMV von 2019 bis 2021 läuft und mit 1,2 Millionen Euro pro Jahr dotiert ist. Einziger Lichtblick für die Grün-Weißen: Obwohl ein OMV-Vizegeneral im Aufsichtsrat der Austria sitzt, erhielt der violette Erzfeind jahrelang nur die Hälfte. 2017 zahlte die OMV letztmalig 600.000 Euro. Aber da war mit Gazprom bereits ein potenter Ersatz gefunden worden.
Das Engagement bei Wladimir Putins Lieblingsklub wurde im Jahr der Feierlichkeiten zum „Golden Wedding“ auf Schiene gebracht. Im Juni 2018 wurde das 50-jährige Bestehen des Gasliefervertrags zwischen Österreich und Russland großzügig gefeiert. Dabei wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Trotzdem wurden die Zenit-Millionen in Wien nicht an die große Glocke gehängt.
Großes Geld für kleine Kinder
In Russland fallen die Österreicher nicht wirklich auf. Die Zenit-Kampfmannschaft läuft nicht mit OMV-Logo aufs Spielfeld. Dafür ist es auf den Shirts der Nachwuchskicker zu finden.
„Es handelt sich hierbei einerseits um die Jugendförderung einer Nachwuchsmannschaft und damit um eine Investition in die Zukunft“, sagt OMV-Pressesprecher Rinofner. „Zum anderen umfasst das Sponsoring sehr wohl auch die Kampfmannschaft mit einem entsprechenden Werbewert.“ In Russland besitzt die OMV keine Tankstellen, wozu also das Sponsoring? „Es geht um Imagewerbung, nicht um Produktwerbung im klassischen Sinn“, sagt Rinofner.
Zumindest auf Social Media ist das Emblem der Österreicher zu entdecken. Doch man muss lange suchen und genau hinschauen – beispielsweise im offiziellen Youtube-Kanal des FC Zenit mit 524.000 Abonnenten. Dort sind putzige Videos der Kindersendung Prodlyonka zu finden, wo kleine Kinder großen Kickern knifflige Quizfragen stellen. Beim Kinderquiz sind die OMV-Logos dezent im Hintergrund platziert. Prodlyonka registriert mehr als 200.000 Aufrufe pro Sendung.
In Youtube-Tutorials der „Gazprom Football Academy“, wo Ex-Zenit-Superstars wie Andrei Arschawin ihre Fußballtechnik präsentieren, ist das OMV-Logo dezent rechts oben am Bildschirmrand eingeblendet. Solche Kurzvideos kommen zwar auf hunderttausende Aufrufe, die Werbewirkung eines Matchs der Zenit-Kampfmannschaft bleibt unerreicht.
Ein Geschenk für Gazprom?
Der Zenit-Deal fällt in eine spannende Zeit. Im November 2018 enthüllte das rumänische Reporterkollektiv The Blacksea, dass Gazprom bei der Finanzierung von Fußballklubs jahrelang geschummelt hatte. Konkret geht es um das sogenannte Financial Fair Play. Der Fußballverband Uefa kämpft seit Jahren gegen „Financial Doping“: Reiche Klubbesitzer sollen sich durch großzügige Geldspritzen keine Wettbewerbsvorteile erkaufen dürfen. Durch erhöhte Transparenz soll das verhindert werden.
Die Russen spielten nicht fair. Gazprom soll über krumme Sponsorenverträge von 2012 bis 2017 hunderte Millionen Euro in Russlands Fußball gepumpt haben, darunter auch Zenit St. Petersburg. Topspieler und bessere Chancen in den Uefa-Pokalbewerben wurden so eingekauft. Der Gazprom-Konzern zahlte Klubs aus der Portokasse und schleuste Geld über ein Netzwerk aus Tochterfirmen.
The Blacksea machte die Finanzierung öffentlich, dass etwa Gazprombank 15,1 Millionen Euro, Gazprom Germania 12,3 Millionen und die Öltochter Gazprom Neft weitere zwölf Millionen Euro in Zenit pumpten.
Mini-Transparenzfenster bei Zenit
Bis heute müssen Sponsorenerlöse von Zenit St. Petersburg nicht öffentlich ausgewiesen werden. Doch 2019 öffnete sich erstmals ein kleines Transparenzfenster: Auf Druck der Europaverbands Uefa musste der russische Fußballbund geheime Klubzahlen rausrücken.
Das Ergebnis wurde in einen Sonderbericht gegossen und an die Schweizer Uefa-Zentrale geschickt. Die russischen Verbandsverantwortlichen offenbarten zwar nur das Nötigste, doch der Bericht enthält eine spannende Information über Zenit St. Petersburg.
Im Anhang zum Sonderbericht findet sich eine Aufstellung der großen russischen Fußballvereine, wo auch die Ausgaben für die Förderung der Nachwuchsarbeit ausgewiesen werden. Im Falle von Zenit waren das 493 Millionen Rubel – umgerechnet rund 6,6 Millionen Euro.
Wer hätte das gedacht: Fast die gesamte Nachwuchsarbeit des 1925 von Josef Stalin als „Stalinez“ gegründeten Fußballvereins wird von den Österreichern finanziert. Von dieser sportlichen Entwicklungshilfe können die Wiener Traditionsklubs Austria und Rapid nur träumen.