Transparenz mit Lücken

Schwächen im Medientransparenzgesetz: Nicht alle Geldflüsse scheinen in den öffentlichen Daten auf.

Inserate15.3.2013 

Aufgrund der Anfragen, die uns erreicht haben, kann man den Schluss ziehen, dass in dem einen oder anderen Fall an Umgehungskonstruktionen gearbeitet wird.

Florian Philapitsch, stv. Leiter der Kommunikationsbehörde Austria

Medientransparenzdaten, die Zweite. Seit 15. März 2013 sind die Geldflüsse von öffentlichen Stellen an Medien für das vierte Quartal 2012 öffentlich einsehbar. Sie können auf der Website der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) heruntergeladen werden. Die Liste der Inseraten- und Werbeaufträge der öffentlichen Hand ist umfassend – und hat doch ihre Schwächen und Lücken. DOSSIER hat diese untersucht.

Die Lücken: Beilagen und Boxen

Sinn des Medientransparenzgesetzes ist es, Geldflüsse zwischen öffentlichen Stellen und Medien offenzulegen. Dadurch soll die Vergabe öffentlicher Werbebudgets nachvollziehbar gemacht und sichergestellt werden, dass Steuergelder wirtschaftlich verwendet werden. Für die Medien- und die Werbebranche war das Gesetz ein Schock – weil die Zahlen nun veröffentlicht werden müssen, haben Ministerien und andere öffentliche Stellen ihre Werbeausgaben bereits beträchtlich gekürzt. Doch wie DOSSIER-Recherchen zeigen, dürften öffentliche Rechtsträger Mittel und Wege gefunden haben, die Lücken des Medientransparenzgesetzes auszunützen.

Am 31. Jänner 2013 erscheint in der Gratistageszeitung Österreich eine Beilage mit dem Titel „Die Stadt für deine Zukunft“. Darin bewirbt die Stadt auf 16 Seiten ihr Lehrlingsangebot. Interessant ist das Impressum: Als Herausgeberin und Medieninhaberin ist die Medienprojekte und Beteiligung GmbH angeführt, eine Gesellschaft, die zu 49 Prozent direkt der Medienbeteiligungen Privatstiftung gehört. Die restlichen 51 Prozent gehören der New Media Enterprise GmbH, die wiederum zu 100 Prozent  im Eigentum der Medienbeteiligungen Privatstiftung steht. Als deren Stifter finden sich im Firmenbuch der Österreich-Gründer und Herausgeber Wolfgang Fellner, dessen Bruder Helmuth und Liselotte Fellner.

Wolfgang Fellner führt auf DOSSIER-Anfrage aus: „Ich kann Ihnen dazu nur mitteilen, dass es die Medienprojekte und Beteiligung GmbH bereits seit über 20 Jahren gibt, sie in dieser Zeit zahllose Medienprojekte und Medienaktivitäten durchgeführt hat und es sich dabei unter anderem um eine der Eigentums-Gesellschaften des News-Verlages handelt.“ Er selbst halte derzeit keine Funktion in dem Unternehmen, was sich auch im Firmenbuch zeigt. Wie lange die Medienprojekte und Beteiligung GmbH tatsächlich Medienprojekte durchführt, ist hingegen fraglich. Laut Firmenbuch existiert die Firma seit 1999 und trägt bis 2010 den Namen Immo 2000 Immobilieninvestitionen GmbH.

Wie viel die Stadt Wien für diese Beilage bezahlt hat, ist trotz Anfragen nicht herauszufinden. Gemessen an branchenüblichen Preisen müsste der Wert, vorsichtig geschätzt, bei mehreren zehntausend Euro liegen – Geld, das die Stadt Wien im Endeffekt an die Fellner-Stiftung bezahlt hat und laut geltendem Medientransparenzgesetz nicht melden wird müssen. Denn laut Gesetz sind nur solche Beilagen und Sondertitel meldepflichtig, die denselben Medieninhaber aufweisen wie das die Beilage beinhaltende Druckwerk, sofern diese nicht öfter als vier Mal im Jahr erscheinen. Im beschriebenen Fall sind die Medieninhaber der Tageszeitung und der Beilage juristisch gesehen tatsächlich unterschiedliche – auch wenn es dieselben Personen sind.

Auf Anfrage sagt Oliver Stribl, Leiter des Presse- und Informationsdienstes (PID) der Stadt Wien, lediglich: „Es ist durchaus marktüblich, dass in Tageszeitungen und Magazinen Beilagen erscheinen. Wir haben immer schon auch Angebote für derartige Beilagen bekommen und diese nach Bedarf abgelehnt oder angenommen. Dieser Vorgang ist absolut nichts Neues.“ Doch warum hat die Stadt Wien die Beilage nicht in der Zeitung Österreich, sondern über eine Firma im Besitz der Fellner-Stiftung gekauft? Ob dieser Geldfluss in den nächsten Transparenzdaten im Juni 2013 aufscheinen wird, lässt Stribl unbeantwortet.

„Auf die Problematik mit den Beilagen sind wir öfters angesprochen worden“, sagt Florian Philapitsch, der stellvertretende Leiter der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria), im Gespräch mit DOSSIER. „Aufgrund der Anfragen von Rechtsträgern, die uns erreicht haben, kann man den Schluss ziehen, dass in dem einen oder anderen Fall an Umgehungskonstruktionen gearbeitet wird.“ Aus Sicht von werbenden Kunden dürften diese Beilagen keinen Sinn machen. So sagt Joachim Feher, Chef der Mediaagentur Mediacom Vienna, dass er „niemandem empfehlen würde, das so durchzuführen“. Erstens sei die Produktion von mehreren Seiten um einiges teurer, als ein Inserat oder eine Doppelseite zu schalten. „Zweitens wissen wir aus sämtlichen Werbewirkungsstudien, dass Beilagen nicht die gleiche Wirkung haben wie Anzeigenseiten. Bei Beilagen gibt es den Schütteleffekt – man schüttelt die Zeitung und alles was, nicht zur Zeitung gehört, fällt heraus.“

Beispiel 2: Die Heute-Boxen

Die Gratistageszeitung Heute bietet ihren Kunden nicht nur Werbeflächen im Heft an. Auch auf den rund 330 roten Entnahmeboxen, die in so gut wie jeder U-Bahn wie auch Schnellbahn-Station in Wien stehen, kann Werbung gekauft und platziert werden. Der Preis für die „Top-Info“ beläuft sich auf 2.100 Euro pro Tag. Diese Fläche direkt über den Entnahmeschlitzen nützte die Stadt Wien, um in den Wochen vor der Volksbefragung (7. bis 9. März 2013) für die Abstimmung zu werben. Wie viel die Stadt dafür an den Heute-Verlag bezahlt hat, wird allerdings nicht in den im Juni 2013 ausgewiesenen Transparenzdaten stehen. Denn die Werbung auf den Boxen wertet das Gesetz als Plakatwerbung und diese ist nicht vom Medientransparenzgesetz erfasst.

Beide Beispiele zeigen, wie öffentliche Rechtsträger Lücken im Medientransparenzgesetz nützen können – wenn sie das wollen. Abseits dieser Beispiele offenbart das Gesetz weniger als ein Jahr nach seinem Inkrafttreten eine deutliche Schwäche. Die Transparenz der Datenbank endet oft dort, wo sie tatsächliche Rückschlüsse über den sparsamen Umgang der öffentlichen Rechtsträger mit ihren Werbebudgets zulassen würde.

Aus den veröffentlichten Daten geht nicht hervor, ob eine bzw. welche Leistung für das geflossene Geld vom jeweiligen Medium erbracht wurde. Man weiß zwar, wie viel die Stadt Wien im letzten Quartal des Jahres 2012 etwa an die Gratistageszeitung Heute bezahlt hat. Unklar bleibt aber, ob die Stadt dafür ein, zehn oder 100 Inserate erhalten hat. Das wichtigste Kriterium in der Werbung bleibt damit außen vor, wie Mediaagentur-Chef Joachim Feher bestätigt: Das Preis-Leistungs-Verhältnis. „Wenn ich in diese Datenbank hineinschaue und die Werbeausgaben sehe, weiß ich eigentlich nichts“, sagt Feher.