Die Fellner-Novo-Connection

Der Glücksspielriese Novomatic und die Brüder Fellner pflegten engere Beziehungen als bisher bekannt. Eine Beteiligung von Novomatic-Gründer Johann Graf am Fellner-Sender oe24.tv stand im Raum. Wurden auch Berichte abgesprochen?

Text: Ashwien Sankholkar

Inserate12.11.2021 

Aufmacherbild: DOSSIER, Foto: Alex Halada / picturedesk.com

„Am schlimmsten waren die Fellners und die Tageszeitung Österreich“, sagt Peter Barthold gegenüber DOSSIER. „Die agierten unter der Gürtellinie. Sie haben nur negativ geschrieben. Ich wurde nie um Stellungnahme gebeten, was sorgfältige Journalisten machen müssen.“

Seit Jahren legt sich Peter Barthold mit Österreichs Marktführer der Glücksspielbranche an, der mächtigen Novomatic-Gruppe – DOSSIER berichtete. Der frühere Goalie beim SK Rapid Wien hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die fragwürdigen Geschäftspraktiken des Glücksspielkonzerns aufzudecken – und ist seither Konzernfeind.

Anfänglich wurde der Ex-Novomatic-Partner noch belächelt. Doch dessen hartnäckige Kritik wirkte mit der Zeit, und seine eidesstattlichen Aussagen bei Justiz, Medien und Politik brachten den Riesen Novomatic zunehmend in Bedrängnis. Einige von Barthold gegen Novomatic angestrengte Verfahren wurden von der Justiz eingestellt.

„Die mussten meine Glaubwürdigkeit beschädigen“, vermutet Barthold. Das Ziel: aus dem redseligen Robin Hood einen korrupten Don Quijote machen. Nach Bartholds Erzählung ritt die Tageszeitung Österreich eine Art Kampagne gegen seine Person.

„Die Storys in Österreich haben mir immer geschadet und Novomatic immer genutzt“, sagt Barthold heute. Die Schlagseite der Zeitung zugunsten des Glücksspielriesen komme nicht von ungefähr, vermutet er: „Bei Österreich finden Sie online häufig Werbeeinschaltungen von Admiral Sportwetten. Das ist sicher nicht billig.“ Admiral ist eine Tochter von Novomatic.

Ein DOSSIER vorliegendes WKStA-Papier vom 20. Juli 2021 stützt Bartholds Sichtweise auf die Artikel, die in der Mediengruppe Österreich über ihn erschienen sind. Der Bericht mit dem Titel „Meldedaten (KommAustria / RTR) zu ‚Regierungsinseraten‘ Fokus auf Fellner-Gruppe“ umfasst 244 Seiten inklusive Beilagen – und lässt die Beziehung zwischen den Fellners und Novomatic in einem neuen Licht erscheinen.

Demnach dürften die Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner nicht nur mit Kurz & Co gemeinsame Sache gemacht, sondern auch mit Novomatic diskret gepackelt haben. E-Mails, die bei einer Novomatic-Razzia sichergestellt wurden, legen den Verdacht nahe, dass redaktionelle Berichte in Österreich vorab mit Novomatic-Verantwortlichen abgesprochen worden sein könnten.

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Schleichwerbung als Geschäftsmodell

Die E-Mails, in denen auch Peter Barthold eine Rolle spielt, geben tiefe Einblicke in die Beziehungen zwischen dem Glücksspielriesen und dem Fellner-Reich. Was deutlich wird: Novomatic hat Geld ohne Ende, aber ein Imageproblem.

Die Fellners hingegen verfügen über mediale Reichweite und einen – vorsichtig gesagt –lockeren journalistischen Zugang. Seit Jahren verschwimmen im Hause Fellner die Grenzen zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung. Schleichwerbung gehört zum Geschäftsmodell.

Wie DOSSIER im Rahmen eines Schwerpunkts zu Österreich berichtete, wies mitunter Wolfgang Fellner höchstpersönlich seine Journalistinnen und Journalisten per Mail betreffend große Inseratenkunden wie Ikea oder Saturn an: „Bitte nicht auf die Storys vergessen!“

Auch Novomatic zählt zu den großen Kunden mit VIP-Status. Der Glücksspielriese, der Medien gegenüber nicht zimperlich ist, wäre beinahe selbst Medieneigentümer geworden – ginge es nach den Fellners, wie E-Mails zeigen.

2018 versuchten die Fellners dem milliardenschweren Novomatic-Eigentümer Johann Graf eine Beteiligung am eigenen TV-Sender schmackhaft zu machen.

Filmreife Partnerschaft

 „Das oben vereinbarte Treffen könnte mit der Anbahnung eines Beteiligungsprojekts (oe24.tv) zwischen der Novomatic und der Fellner-Gruppe in Zusammenhang stehen“, heißt es im WKStA-Bericht vom 20. Juli 2021.

Zum Hintergrund: Die Fellners suchten 2018 Partner für ihren Fernsehsender oe24.tv, der unter anderem die Sendung Fellner! live ausstrahlt. „Novomatic wurde das Projekt oe24.tv vorgestellt“, bestätigt Novomatic-Anwalt Peter Zöchbauer, der auch auf Fellners Payroll steht.

„Novomatic ist dem Projekt aber nicht nähergetreten und folglich auch nicht (und zwar in keiner Weise) an der erwähnten Gesellschaft beteiligt. Gleiches gilt für Herrn Prof. Graf persönlich“, sagt Zöchbauer zu DOSSIER. Worüber wurde noch gesprochen?

„Zu Gesprächsinhalten oder allfälligen Kundenbeziehungen erteilt Novomatic keine Information“, so Zöchbauer. Auskunftsfreudiger ist Helmuth Fellner.

Er hatte den Termin am 11. September 2018 zwischen Graf, dem damaligen Novomatic-CEO Harald Neumann und seinem Bruder Wolfgang eingefädelt: „Bei dem Abendessen wurde Herrn Graf – sowie zahlreichen anderen wichtigen österreichischen Unternehmern auch – u. a. das Projekt oe24.tv vorgestellt“, so Helmuth Fellner gegenüber DOSSIER. 

Und weiter: „Aufgrund der extrem erfolgreichen Entwicklung von oe24.tv war die Mediengruppe Österreich in der Lage, den Ausbau des Projekts völlig eigenständig zu finanzieren und zu entwickeln.“ Daher soll es zu keinen detaillierten Gesprächen über eine Beteiligung oder ein Investment durch Novomatic oder Graf gekommen sein.

Eines lässt Helmuth Fellner jedoch unerwähnt.

Ein spendabler Milliardär war 2019 nicht mehr nötig, weil die öffentliche Hand zunehmend als großzügiger Geldgeber einsprang. Aus dem Bericht der WKStA geht erstmals hervor, wie massiv der Fellner-Sender eigentlich gefördert wird.

„In der fallrelevanten Phase 2016–2018 summierten sich die ausgewiesenen Fördererträge auf 3.093 Tsd. Euro“, heißt es dort. „Dies entsprach 65 Prozent der akkumulierten (echten) Nettoumsätze (4.794 Tsd. Euro) im Vergleichszeitraum.“ Mit anderen Worten: Der Fellner-Sender wurde in den ersten Jahren zu zwei Dritteln von der öffentlichen Hand finanziert.

Der WKStA-Bericht empört Helmuth Fellner: Die Zahlen und Daten seien völlig falsch und aus dem Zusammenhang gerissen. Doch ein Blick in die RTR-Datenbank unter der Rubrik Privatrundfunkfonds zeigt, dass die oe24.tv-Betreiberfirma zwischen 2016 und 2021 bisher rund zehn Millionen Euro an Förderungen erhielt. Demnach sind nach 2018 sogar noch mehr Fördergelder geflossen.

Zurückgewiesene Interventionen

Also alles paletti? Ein stinknormales Geschäftsessen? Vielleicht. Die Verbindungen reichen jedenfalls darüber hinaus – und gehen so weit, dass Ermittler der WKStA sogar ableiten, dass Helmuth Fellner ins operative Geschäft der Mediengruppe eingebunden war.

Laut Firmenbuch besitzt Helmuth Fellner keine offizielle Geschäftsführer-, Vorstands- oder Aufsichtsratsfunktion in der Mediengruppe Österreich und hält auch keine direkten Anteile. Dennoch mischt er kräftig mit.

 „Anhand des nachfolgend einkopierten Mails, welches Mag. Helmuth Fellners Assistentin am 21. Jänner 2019 an Prof. Johann Grafs Assistentin sendete, kann man erkennen, dass Mag. Helmuth Fellner auch im Jahr 2019 einen operativen Bezug zum Zeitungsgeschäft der Fellner-Gruppe hatte“, heißt es WKStA-Bericht.

Der Österreich-Artikel „Novomatic setzt auf Spanien: neues Casino in Granada“ vom 19. Jänner 2019 beschreibt die Expansionspläne und liest sich wie ein Novomatic-Pressetext. Ein klassisches Gegengeschäft? Ein als Bericht getarntes Inserat?

Im zweiten Österreich-Artikel „Ex-Rapidler soll Novomatic erpresst haben“, der am 17. Jänner 2019 online gestellt wurde und tags darauf in der Printausgabe erschienen ist, wird Peter Barthold attackiert.

Hat Novomatic bei den Fellners interveniert, gegen Barthold zu schreiben? Solche Vorwürfe werden von den Fellners als „absurd und für uns geradezu ehrenrührig“ zurückgewiesen.

Fakt ist: Nicht jeder Inseratenkunde erhält ein Presseclipping von „HeFe“ persönlich. Aus Sicht der WKStA agierte Helmuth Fellner wie der verlängerte Arm der Novomatic-Pressestelle. Der E-Mail-Verkehr zwischen Novomatic und Helmuth Fellner vom 12. beziehungsweise 13. Februar 2019 erhärtet den Eindruck, dass Peter Barthold auf Geheiß von Novomatic ins publizistische Visier der Fellners geraten ist.

Nachdem das Online-Portal der Tageszeitung Österreich,oe24.at, berichtet hatte, fragte Helmuth Fellner zur Sicherheit im Novomatic-Headquarter nach, ob alles gepasst hat:

Und wie rechtfertigen „HeFe“ und Novomatic diese E-Mails?

Helmuth Fellner: „Bei der am 12. Februar 2019 übersandten Information handelte es sich um eine APA-Meldung (!!!!), die die Redaktion von Österreich zu diesem Zeitpunkt längst als APA-Bezieher hatte, die die Redaktion also längst kannte und auch schon eigenständig und unabhängig – auf Basis der APA-Meldung – berichtet hatte.“

„Das Weiterleiten eines APA-Beitrags ist Teil der regulären Pressearbeit und daher keinesfalls eine ‚Intervention‘“, rechtfertigt Novomatic-Anwalt Zöchbauer: „Der Begriff der Intervention wird aufs Schärfste zurückgewiesen.“

Zöchbauer hat einen Punkt: Wenn ein Pressesprecher eine APA-Meldung an eine Journalistin schickt, dann gilt das als reguläre Pressearbeit. Im konkreten Fall hat aber nicht der zuständige Konzernpressesprecher der Novomatic AG die APA-Meldung weitergeleitet, sondern der Konzernmarketingverantwortliche. Der kontaktierte nicht einen Journalisten, sondern Helmuth Fellner, der mit kaufmännischen Angelegenheiten betraut ist.

Die Zeitung Österreich ist Mitglied des Presserats und unterliegt dem Ehrenkodex, der unter Punkt 4 „die Einflussnahme Außenstehender auf Inhalt und Form eines redaktionellen Beitrags“ als unzulässig erklärt. Solche Einflussnahmen sind in der Regel schwer nachzuweisen, weil sie über drei Ecken erfolgen und selten schriftlich dokumentiert werden.

Einblicke wie jene in den intensiven Austausch zwischen Novomatic und den Fellner-Brüdern – und die Auswirkungen auf die redaktionelle Berichterstattung – sind rar. Und schon bald könnte es neuen Stoff geben.

Denn die Geschäftsbeziehung zwischen den Fellners und der Novomatic-Gruppe wird die WKStA noch länger beschäftigen. Der bei den Hausdurchsuchungen rund um die Affäre von Sebastian Kurz (ÖVP) sichergestellte E-Mail-Verkehr der Fellners liegt im Moment noch versiegelt beim Haft- und Rechtsschutzrichter – die Auswertung soll in den nächsten Wochen beginnen.