Journalismus im Ausverkauf

Journalismus im Ausverkauf: Wie die Tageszeitung „Österreich“ Schleichwerbung betreibt und damit ihr Publikum täuscht.

»Österreich«7.9.2016 

Schleichwerbung hat viele Namen: „Gratis-PR-Artikel“, „rein redaktionelle Integration“, „eine kleine redaktionelle Geschichte“. Bei der Tageszeitung Österreich sind Begriffe wie diese mehr als geläufig. Das zeigen interne E-Mails, die der DOSSIER-Redaktion vorliegen. Sie geben einen tiefen Einblick in das System Fellner: Sie buchen, wir schreiben.

Mit Journalismus hat das wenig zu tun. Es geht um Inhalte, die Menschen täuschen und die gegen das Gesetz verstoßen. Und es geht darum, wie Werbung getarnt und als  Journalismus verkauft wird. Das beginnt bei Österreich ganz oben, wie sich anhand der E-Mails nachvollziehen lässt. Der Herausgeber der Zeitung, Wolfgang Fellner, veranlasst darin höchstpersönlich eine mehrwöchige Serie an redaktionellen Berichten über einen seiner größten Werbekunden. Firmenchefs sollen Gefälligkeitsinterviews zugeschanzt werden. Den Unternehmen wird die Entscheidung überlassen, ob Sie „klassische Werbung“ oder doch lieber positive Berichterstattung kaufen möchten. Hauptsache, der Preis stimmt.

Die Traumküche

Im Fall des Möbelhauses Ikea belief sich dieser auf 10.000 Euro. „Ikea will nicht klassisch mit einem Küchensujet drinnen sein, sondern nur eine rein redaktionelle Integration und dafür eine Art Druckkostenbeitrag zahlen“, steht in einer E-Mail, die eine Mitarbeiterin der Anzeigenabteilung im Jahr 2011 verschickt. Fellner hätte für den Deal sein „Okay“ gegeben. Am vereinbarten Tag erscheint der ganzseitige Beitrag „Clevere Traumküchen“ in der Österreich-Beilage Madonna. Ikea kommt in dem Artikel, der nicht als Werbung gekennzeichnet ist, als einziger Hersteller vor. 

Schleichwerbung täuscht Leserinnen und Leser, deshalb ist sie verboten: Gemäß Paragraf 26 Mediengesetz müssen entgeltliche Einschaltungen als solche gekennzeichnet sein. Schon in der Vergangenheit wurden vielfach Fälle aufgezeigt, in denen Medien dagegen verstoßen haben – die DOSSIER vorliegenden Dokumente zeigen, dass dies bei der Tageszeitung Österreich nicht nur aus Versehen geschieht, sondern auch aus geschäftlichem Kalkül. Juristisch sind die aufgezeigten Fälle bei Österreich bereits verjährt, doch sie belegen: Getarnte Werbung ist ein lukratives Geschäft und ein wichtiges Verkaufsargument für Inserate. Oder wie es Wolfgang Fellner am Ende einer der E-Mails aus dem Jahr 2012 formuliert: „Bitte nicht auf die Storys vergessen.“

In der gleichen E-Mail schickt Fellner der Leiterin seiner Wirtschaftsredaktion eine ausführliche To-do-Liste:

Ob und welche Gegenleistung Saturn konkret erbringt, geht aus der E-Mail nicht hervor. Eine Erklärung, warum sich der Herausgeber so stark für den Elektrohändler einsetzt, ist trotzdem schnell gefunden: Saturn, oder besser gesagt, die Mediamarkt-Saturn-Gruppe, zählt zu den besten Anzeigenkunden der Zeitung. 

Ein weiterer Fall zeigt das System Fellner noch deutlicher: „Soeben habe ich die Freigabe von der ÖBB bekommen“, steht in einer E-Mail der Verlagsleitung. An vier Tagen im März 2012 schalten die Bundesbahnen fünf ganzseitige Inserate, zu diesen solle es am Montag, Dienstag und Mittwoch jeweils eine „kleine redaktionelle Geschichte“ geben. Die Themen der Artikel kommen der Bahn gelegen: „Hohe Benzinpreise“, „Stauzeit zu Ostern“ und „Benzinsparen, auf Öffis umsteigen“.

Und erneut findet sich der Hinweis: Der Deal sei „mit WoFe besprochen“ - das Kürzel WoFe steht für Wolfgang Fellner. Wenig später berichtet Österreich: „Benzin und Diesel waren im vergangenen Jahr (...) so teuer wie noch nie.“ Ein anderer Artikel widmet sich dem neuen Catering: „Die Speisewagen der ÖBB sind am besten Weg zur Top-Adresse für Gourmets.“

„Teil unseres redaktionellen Konzepts“

Für Wolfgang Fellner ist all das kein Problem. „Die Storys ‚Oster-Reisewelle‘, ‚hohe Benzinpreise‘ und ‚Stau zu Ostern‘ sind in jeder Tageszeitung des Landes erschienen – dafür braucht es keine ÖBB-Inserate“, schreibt er in einer Stellungnahme. Berichte über Eröffnungen und Verkaufsaktionen von Saturn und Media Markt seien wiederum „Teil unseres redaktionellen Konzepts, weil sie bei Lesern extrem beliebt sind.“ Und weiter:

„Ich kann Ihnen versichern, dass es in ,Österreich‘ keine Schleichwerbung gibt – jedenfalls viel weniger als in anderen Medien.“

Die werbetreibenden Unternehmen sind auf DOSSIER-Anfragen zurückhaltender: Es sei „selbstverständlich, dass Inserate und bezahlte Einschaltungen gekennzeichnet sind“, schreibt Ikea-Sprecherin Barbara Riedl. Die konkreten Fälle will sie, wie auch Saturn und die ÖBB nicht kommentieren – man halte sich aber an alle gesetzlichen Vorschriften.

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„Schleichwerbung ist tägliche Praxis“

In einem Punkt hat Fellner jedenfalls recht: Die Vermischung von bezahlter Werbung und scheinbar unabhängiger Berichterstattung ist nicht einzig ein Österreich-Problem, es ist ein Österreich-Problem. „Schleichwerbung ist tägliche Praxis“, sagt Gabriele Faber-Wiener, Vorsitzende des PR-Ethikrats, eines Selbstkontrollorgans für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Käufliche Berichterstattung ziehe sich durch die gesamte Medienlandschaft. „Das große Problem ist, dass Schleichwerbung nicht geahndet wird“, sagt Faber-Wiener. „Medien, die das auf täglicher Basis machen – und Österreich ist so ein Medium ­–, lachen sich da ins Fäustchen.“

Solange die Behörden das Gesetz so schlampig, wenn nicht gar fahrlässig vollziehen wie bisher, so lange wird das System Fellner funktionieren. So lange wird er in Österreich zu haben sein, der Journalismus im Ausverkauf, wie man auch anhand der Ausgabe vom 2. September 2016 vermuten kann.