Ärztekammer: Panik im Präsidium

Die Equip4Ordi-Affäre bringt Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart in Erklärungsnot. Über die ominösen »Provisionszahlungen an Dritte« war er 2021 informiert worden, wie aus einer Aktennotiz hervorgeht.

Text: Ashwien Sankholkar

Ärztekammer1.2.2023 

Fotocredit: Georg Hochmuth / APA

Update vom 3. Februar 2023:

Staatsanwalt startet Strafverfahren

Die Equip4Ordi-Affäre ist nun offiziell ein Fall für die Justiz. Die Kurie der niedergelassenen Ärzt·innen der Ärztekammer für Wien hat kürzlich drei Personen bei der Staatsanwaltschaft Wien (StA) angezeigt, wie DOSSIER berichtete. Die Anfangsverdachtsprüfung wurde im Rekordtempo abgeschlossen. StA-Pressesprecherin Nina Bussek bestätigt gegenüber DOSSIER:»Wir haben ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.« Zwei Personen stehen unter Untreueverdacht, einem wird Begünstigung vorgeworfen.

»Nach seiner Freistellung verweigerte der Drittbeschuldigte zunächst die Herausgabe seiner dienstlichen elektronischen Geräte«, heißt es in der DOSSIER vorliegenden Strafanzeige vom 26. Jänner 2023.»Zwar gab er sie mittlerweile zurück, sämtliche Daten waren jedoch gelöscht.« Der Ärztekammer-Mitarbeiter wurde entlassen. 

»Die Beschuldigten versuchen nun, Beweise zu vernichten und Zeugen zu beeinflussen. Aus diesem Grund ersucht die Einschreiterin die Staatsanwaltschaft, den Sachverhalt möglichst rasch zu überprüfen und die erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen«, heißt es in der Strafanzeige der Kurie. Johannes Steinhart, Ärztekammerpräsident von Österreich und Wien und ehemaliger Kurienobmann, lässt über seinen Pressesprecher ausrichten: »Kein Kommentar zum laufenden Verfahren.«

 

Für Johannes Steinhart wird es eng. Dem Ärztekammerpräsidenten von Österreich (ÖÄK) und Wien (ÄKW) fliegt aktuell die Equip4Ordi (E4O) um die Ohren. Gemeint ist die im Eigentum der Kurie der niedergelassenen Ärzt·innen befindliche Gesellschaft, die mit medizinischen Produkten und Bedarfsartikeln handelt und seit wenigen Tagen ein Fall für den Staatsanwalt ist. »Ich unterstütze die vollständige Aufklärung der mutmaßlichen Missstände«, betont Steinhart gebetsmühlenartig. 

Trotzdem herrscht nun akute Panik im Präsidium. Denn Steinhart dürfte enger in das Gebaren der Firma involviert gewesen sein, als bislang bekannt war. Das legt eine DOSSIER exklusiv vorliegende Aktennotiz nahe, die bei den internen Ermittlungen sichergestellt wurde.

Was wusste der Präsident? 

Laut Aktennotiz fand am 18. Februar 2021 eine brisante Besprechung in der ÄKW-Zentrale in der Wiener Weihburggasse statt – der Anlass: »Jahresabschluss zum 31.12.2020 der E4O-GmbH mit den Themen ›Provisionszahlungen an Dritte‹ – ›Prämien für Geschäftsführer‹«. Anwesend waren nicht nur drei Geschäftsführer der E4O und Advokat Friedrich Spitzauer, sondern der oberste E4O-Eigentümervertreter höchstpersönlich: nämlich der damalige Kurienobmann Johannes Steinhart. 

In der Besprechung wurden Geldflüsse rund um E4O-Deals erörtert: Im Jahr 2020 zahlte E4O mehrere hunderttausend Euro Provision an eine Privatfirma und nahm bei derselben Gesellschaft einen Millionenkredit auf. Der Haken: Die Privatfirma gehörte einem Equip4Ordi-Geschäftsführer. Die fragwürdigen Rechnungen waren dem Steuerberater bei Arbeiten zum Jahresabschluss aufgefallen.

Gesellschaftsrechtlich musste Spitzauer eingebunden werden, weil er Alleingeschäftsführer der E4O-Muttergesellschaft ist. Als Anwalt kennt er die Haftungsregeln des GmbH-Gesetzes. Die politische Verantwortung trägt hingegen Johannes Steinhart, der als Kurienobmann den sparsamen und sorgsamen Umgang mit Kurienvermögen im Auge haben muss. 

Der Verteidiger der Provisionen

Bei der Besprechung soll ein Mann den Ton angegeben haben: Klaus Brinkmann (Name von der Redaktion geändert, Anm.). Dabei handelt es sich nicht nur um einen einflussreichen Mitarbeiter der Wiener Ärztekammer, sondern auch um den engsten Vertrauten von Steinhart. Gegenüber dem Steuerberater verteidigte er die Transaktionen mit Verve. 

»Klaus Brinkmann stellt klar, dass die verbuchten und gewährten ›Provisionszahlungen an Dritte‹ in Höhe von rund 564.000 Euro in Ordnung sind, da die damit verbundenen Geschäfte für die Gesellschaft von Vorteil sind (und zur Ergebnisverbesserung 2020 beigetragen haben)«, heißt es in der Aktennotiz des E4O-Steuerberaters. 

»Die Prämienvereinbarungen mit den GF (Geschäftsführern, Anm.) sind notwendig, da diese sonst nicht mehr mit ihrem Know-how und ihren guten Kontakten der Gesellschaft zur Verfügung stünden. Die Gesellschaft benötigt insbesondere Herrn P. als GF der Gesellschaft zum Aufbau des Geschäftsumfeldes und zur Erschließung des Marktes. Klaus Brinkmann stellt weiters klar, dass alles zu unterlassen ist, was ein Verbleiben des GF Herrn P. im Unternehmen gefährden könnte.« 

Warum setzte sich Klaus Brinkmann derart vehement für die Geschäftsführer ein? Eine DOSSIER-Anfrage zur Causa Equip4Ordi blieb bis dato unbeantwortet.

Und was sagen Steinhart und Spitzauer? Während Anwalt Spitzauer kein Statement abgeben will, bestätigt Ärztekammerpräsident Steinhart gegenüber DOSSIER: Er sei zwar über Geschäfte mit dem E4O-Geschäftsführer informiert worden, aber nicht über die Details. Fürs Operative sei Klaus Brinkmann zuständig gewesen. Zum laufenden Verfahren? Steinhart: »Kein Kommentar.«

Verweigerter Persilschein

Zwei Jahre später wird derselbe Sachverhalt ernster genommen. Steinharts Nachfolger als Kurienobmann, Erik Randall Huber, veranlasste eine Sonderprüfung von Equip4Ordi – und stellte grobe Pflichtverletzungen fest, DOSSIER berichtete. Diesmal verweigerte der Wirtschaftsprüfer der E4O einen Persilschein und gab dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2020 nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk, was außergewöhnlich ist. 

In der E4O wurde indes hart durchgegriffen. Die Geschäftsführer wurden wegen der aufgedeckten Malversationen vor die Tür gesetzt, DOSSIER berichtete. ÄKW-Mitarbeiter Klaus Brinkmann wurde suspendiert, entlassen und gemeinsam mit den E4O-Geschäftsführern bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt.

 »Das konkrete Ausmaß des entstandenen Schadens wird noch zu ermitteln sein«, heißt es in der DOSSIER vorliegenden ÄKW-Strafanzeige vom 26. Jänner 2023. »Jedoch sprechen allein die grob nachteiligen Bedingungen (...) dafür, dass Equip4Ordi durch die Rechtsgeschäfte einen erheblichen Vermögensnachteil erlitten hat.« Einige sollen sich bereichert haben, heißt es. Wer das war, muss nun die Strafbehörde klären.