Für Inserate brauchst a G'spür

Wiens Amtsträger greifen für Eigenwerbung gerne in öffentliche Töpfe. Im Wahlkampf ist das besonders heikel.

Inserate10.9.2015 

Der Fall ist klar. Ernst Nevrivy bekleidet ein öffentliches Amt. Er ist Bezirksvorsteher des flächenmäßig größten Bezirks Wiens, der Donaustadt. Gleichzeitig ist der 47-Jährige Spitzenkandidat der SPÖ Donaustadt bei den bevorstehenden Bezirksvertretungswahlen in Wien. „Ihr Vertrauen ist mein Auftrag“, lautet seine Botschaft, die er in Inseraten der SPÖ Donaustadt verkündet. Das Problem: Derselbe Slogan und dasselbe Foto finden sich auch in Inseraten, die nicht von der Partei, sondern von der Stadt Wien und somit aus öffentlichen Mitteln bezahlt wurden.

Die beiden fast identischen Anzeigen finden sich in der August-Ausgabe 2015 der dbz – donaustädter bezirkszeitung. 1.575 Euro exklusive Werbeabgabe und Umsatzsteuer kostet eine halbe Seite laut Tarifliste. Es geht also nicht um viel Geld – und trotzdem zeigt das Beispiel eine über die Grenzen des 22. Bezirks hinaus verbreitete Praxis: Wiens Amtsträger bedienen sich an öffentlichen Budgets, um Eigenwerbung zu betreiben.

Auch die schwarze Bezirksvorsteherin im achten Bezirk hat es wieder getan: Vor einigen Wochen berichtete NZZ.at über die Bilanz-Broschüre, in der sich Veronika Mickel auf Kosten des Bezirks bejubeln lässt. Layout und Farben erinnern frappant an die Parteiwerbung der ÖVP. Mickel erklärte damals, dass sie die in Schwarz und Gelb gehaltenen Plakate ihres Parteichefs Manfred Juraczka nicht kenne.

Gleiche Fotos in Bezirks- und Wahlkampfbroschüre

Im Wahlkampf ist es schwer vorstellbar, dass die Bezirksvorsteherin immer noch nicht die Sujets ihrer Partei auf Wiens Straßen entdeckt hat. Doch nun wurde die Broschüre der ÖVP für die Spitzenkandidatin Mickel gedruckt und siehe da, sie sieht nicht nur ganz ähnlich aus wie die Bezirks-Broschüre, sondern enthält auch Fotos, die bei denselben Fotoshootings entstanden sind. Die eine Broschüre wurde von Steuergeld bezahlt, die andere von der Partei. Auf die Frage, wer denn das Honorar für die Fotos bezahlt hat, meint Mickel „wahrscheinlich die ÖVP“.

Politiker auf Bezirksebene sind vom „Kopfverbot“ im Transparenzgesetz ausgenommen (das Fotoverbot in Inseraten aus öffentlichen Mitteln gilt vom Bundespräsidenten abwärts bis zu Mitgliedern einer Landesregierung). Doch: „Mit öffentlichen Mitteln darf keine Imagewerbung oder teilweise Vermarktung von Rechtsträgern finanziert werden“, heißt es dazu vonseiten der Medienbehörde KommAustria.

Politiker verschaffen sich so nicht nur einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Opposition (die ja nicht auf öffentliche Werbetöpfe zugreifen kann), sondern kommen möglicherweise auch mit dem Gesetz in Konflikt.

Keine Strafen vorgesehen

Das Medientransparenzgesetz legt in § 3a fest, dass entgeltliche Veröffentlichungen „der Deckung eines konkreten Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit zu dienen“ haben. Genau dieses scheint bei der Schaltung des Bezirksvorstehers der Donaustadt durch die Stadt Wien mehr als fraglich. Mehrfache Anfragen beim Presse- und Informationsdienst (PID), der das Inserat des Bezirksvorstehers bezahlt haben soll, bleiben unbeantwortet. Die fehlende Auskunftsbereitschaft mag auch daran liegen, dass ein möglicher Gesetzesbruch ohnehin keine Konsequenz hätte: Das Gesetz sieht keine Strafe bei Verstößen gegen § 3a vor.

Eine ähnliche Lücke findet sich in einem weiteren Gesetz, das der Fall Nevrivy berühren könnte: das Parteiengesetz. Die Bezahlung des Inserats durch die öffentliche Hand könnte einer unzulässigen Sachspende für den Wahlkampf des SPÖ-Bezirksvorstehers gleichkommen. Schon 2013 gab es öffentliche Aufregung, als sich herausstellte, dass die Parlamentsklubs der SPÖ und FPÖ Teile der Wahlwerbung der jeweiligen Parteien finanziert hatten. Damals stellte der unabhängige Parteien-Transparenzsenat fest, dass Wahlwerbung in Vorwahlzeiten als „Werbung für die Partei“ und somit als unzulässige Sachspende einzustufen sei. Die Begründung: 

Besteht personelle Identität von Repräsentanten des Klubs und der Partei, so wird eine auf diese Personen bezogene Werbung im Regelfall als Werbung für die Partei zu qualifizieren sein, insbesondere dann, wenn die Werbung im Zuge eines Wahlkampfes stattfindet.

Dass die verantwortlichen Parteimanager damals keine Strafen ausfassten, lag daran, dass im Parteiengesetz eine Regelung fehlt, wie mit „unzulässigen Sachspenden“ zu verfahren sei.

Bei der SPÖ Donaustadt sieht man den Fall gelassen. „Alles legal“, erklärt eine Sprecherin in einem kurzem Telefonat. Später antwortet der SPÖ-Bezirksgeschäftsführer Christian Stromberger per Mail: „Herr Ernst Nevrivy ist Bezirksvorsteher und Funktionär der SPÖ Donaustadt, weshalb auf beiden Inseraten die Person des Herrn Ernst Nevrivy natürlich ident ist.“ Stromberger weist darauf hin, dass das Foto von der SPÖ Donaustadt bezahlt wurde. Und weiter: „In der Gesamtschau ist klar ersichtlich, dass die eine inhaltliche Einschaltung klar und deutlich der Bezirksvorstehung zuzuordnen und das Inserat der SPÖ der SPÖ Donaustadt zuzuordnen ist, weshalb eine Verwechslung keineswegs in Frage kommt.“ Ein klarer Fall also.