Verhängnisvolle Chats

Im Innenministerium gehört Postenschacherei zum Alltag. Die Chatnachrichten von Wolfgang Sobotkas Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller zeigen, wie angewandte Korruption mit Dienststellen funktioniert.

Text: Ashwien Sankholkar; Illustration: Gerhard Haderer

Wolfgang Sobotkas Schule der Macht16.9.2024 

Es war ein folgenschwerer Wackler. Am Rande der Gartenmesse in Tulln – die er einst selbst als Umweltlandesrat ins Leben gerufen hatte – lud Innenminister Wolfgang Sobotka sein Kabinett im Spätsommer 2017 zu einer Bootsfahrt ein. Beim Teambuilding im Kanu mit dabei: Kabinettschef Michael Kloibmüller und seine ­Stellvertreterin Katharina Nehammer – ihr Ehemann war zu dieser Zeit noch nicht Bundeskanzler, sondern lediglich Bezirksparteiobmann der ÖVP Hietzing.

Jedenfalls war es ­Nehammer, die damals im Kanu zu viel schaukelte und das Boot zum Kentern brachte. Dabei fielen ­Handys ins Wasser, was ungeahnte Wellen auslöste. Ohne Zutun eines weiteren Bootsinsassen, des Kabinettsmitarbeiters Michael Takacs, heute Bunde­spolizeidirektor, wäre es bei dem bedauer­lichen Missgeschick geblieben: Doch Takacs übergab Kloibmüllers nass gewordenes Smartphone einem IT-Experten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT, heute: Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, DSN).

Der sollte die sensiblen Daten retten, hatte aber noch anderes im Sinn. 

Eine Wiederherstellung sei nicht möglich, log der BVT-Techniker. Wie man heute weiß, gab der IT-Mann die extrahierten Handydaten stattdessen illegal an einen Kollegen weiter: Egisto Ott. Und der wiederum arbeitete mit Jan Marsalek, dem flüchtigen Ex-Wirecard-Manager und russischen Agenten, zusammen und wird deshalb selbst der Spionage für Russland verdächtigt.

Somit verfügte wohl auch der Kreml schon bald über die Chats aus dem innersten Kreis des Innenministeriums, die sich auf Kloibmüllers Handy befanden – und damit über viele Infos über Wolfgang Sobotka und die Innenminister·innen vor ihm. Weil Ott die Handydaten auch dem ehemaligen Grünen-Politiker und Zack-Zack-Herausgeber Peter Pilz weitergeleitet haben soll und Pilz sie wiederum dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss weitergab, bekam schließlich auch die Öffentlichkeit tiefe Einblicke in krumme Deals an der Spitze des Sicherheitsapparats.

Als »BMI-Chats« wurden die Protokolle von Kloibmüllers bei der Kanufahrt versenktem Handy bekannt: So weit die Vorgeschichte zu einem der größten Fälle von ­Postenschacher, die in Österreich je bekannt wurden.

Exklusiv für Mitglieder

Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie unabhängigen Journalismus!

Sie erhalten die DOSSIER-Magazine des kommenden Jahres und sofort Online-Zugang zu exklusiven Geschichten.

Mehr erfahren

Mitglied werdenund alle Artikel lesen