
»Herr Präsident, es ist ungewohnt für mich, dass Sie heute nicht links, sondern rechts von mir sitzen. Obwohl Sie diese Belehrung schon sehr, sehr oft gehört haben, bin ich dem Gesetz nach verpflichtet, auch Ihnen diese Belehrung heute zuteilwerden zu lassen« – mit diesen Worten eröffnet am 9. September 2020 Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl die 13. Sitzung des sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschusses.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist »als Auskunftsperson« geladen. Es geht um die »mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung« in den Jahren 2017 bis 2019, der Sobotka, wie er gleich anmerken wird, nicht mehr angehörte.
Kurze Rückblende: Im Sommer 2017 waren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und sein Parteifreund Johann Gudenus einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte auf Ibiza in die Falle getappt. »Novomatic zahlt alle«, hatte Strache im Wodka-Red-Bull-Rausch geprahlt. Und damit, was in Österreich nicht alles möglich sei: Einflussnahme auf Medien, Zuschanzen von Staatsaufträgen, verdeckte Parteispenden über Vereine.
Zwei Jahre später – Strache ist Vizekanzler der Republik – gelangt das Ibiza-Video an die Öffentlichkeit. Das Parlament entzieht der ÖVP-FPÖ-Regierung das Vertrauen. Es kommt zu Neuwahlen, die Sebastian Kurz (ÖVP) am 29. September 2019 gewinnt und mit den Grünen eine Koalition bildet.
Doch bald stellt sich heraus: Auch die ÖVP ist in die Ausläufer der Ibiza-Affäre verwickelt. Die Justiz ermittelt, das Parlament untersucht – und der Nationalratspräsident ist plötzlich mittendrin.
Waren die Szenen auf Ibiza nur Allmachtsfantasien zweier betrunkener FPÖ-Politiker? Oder doch mehr? Gab es die Einflussnahme von Unternehmen wie dem Glücksspielkonzern Novomatic auf Politiker·innen? Die verdeckten Parteispenden an Vereine? Das wollten die Abgeordneten im Ibiza-U-Ausschuss klären.
Dabei spielten nicht nur Vereine mit FPÖ-, sondern auch solche mit SPÖ- und ÖVP-Nähe eine Rolle. Zu besonderer Prominenz schafft es ein Verein: das »Alois-Mock-Institut – Forum für Zukunftsfragen«. Dessen Gründer: Wolfgang Sobotka.
Seit 2017 bekleidet er das zweithöchste Amt im Staat. Und von diesem – das weiß er – kann er nicht abgesetzt werden. Das bedeutet Macht – wohl auch deshalb gibt er den Vorsitz in den Untersuchungsausschüssen selbst dann nicht ab, als klar wird, dass auch er Gegenstand der Untersuchungen sein wird.
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