Editorial

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Wolfgang Sobotkas Schule der Macht12.9.2024 

2024, Superwahljahr. Wenn innerhalb eines Jahres Milliarden Menschen ­darüber entscheiden, wer sie regiert und mit welchen Programmen und Zielen, liegt es nahe, ein Magazin über Demokratie zu machen. Dass es letztlich ­keine ­Bestandsaufnahme der besten bekannten Regierungsform wurde, ­sondern ein Heft über Wolfgang Sobotka, haben Sie und wir Georg ­Eckelsberger zu ­verdanken.

Inspiriert vom Buch Kickl und die Zerstörung Europas der Profil-­Journalisten Gernot Bauer und Robert Treichler warf Georg im Frühjahr bei einer Redaktionssitzung eine Idee in die Runde: »Recherchieren wir eine ­investigative Biografie über Wolfgang Sobotka.«

In der Redaktion begann es zu sprudeln. Sobotkas TV-Interview mit ­Wolfgang Fellner poppte auf: »Für ein Inserat gibt’s ein Gegengeschäft.« Sobotka, der »Sprengmeister« der bisher letzten großen Koalition. Sobotka, der bei Ermittlungen interveniert haben soll – ja, über Wolfgang Sobotka lässt sich viel erzählen.

Immerhin hat er es bis ins zweithöchste Amt der Republik geschafft – als Politiker, der mit Vorwürfen des Amtsmissbrauchs, der verdeckten Parteienfinanzierung und des Postenschachers konfrontiert ist.

Was ein Skandal ist, entscheidet letztlich die Partei, erklärte uns Politologe ­Peter Filzmaier. Schon sind wir mittendrin in der »Biografie«, die wir in einzelnen ­Geschichten erzählen: Etappen in Wolfgang Sobotkas Karriere, die uns lehren sollen, wie Macht funktioniert und was in Österreichs Demokratie falsch läuft. Und ­natürlich ist Wolfgang Sobotka nicht der einzige Politiker, der Steuergeld in den Sand oder für eigene Zwecke eingesetzt hat.

Darüber, wie Machterhalt und Inseratenkorruption gehen, kann auch die SPÖ Wien ein Lied singen. Wie man Tarnvereine aufsetzt und wie Postenschacher läuft, weiß man auch in der FPÖ, die in ihren vergleichsweise kurzen Regierungsperioden überdurchschnittlich vielen »ihrer« Leute Jobs ­zuschanzte. ­

Allerdings ist es Sobotkas Netzwerk, das, zumindest noch bis zur Wahl, an den zentralen Schaltstellen der Macht sitzt. Eine Auswahl: Karl ­Nehammer im Kanzler­amt, ­Gerhard Karner im Innenministerium, August Wöginger, ­Christian Stocker, Andreas Hanger im Parlament.

Wie unsere Recherchen nachzeichnen, stehen in Sobotkas Karriere Machterhalt und die Interessen der ­Partei an erster Stelle. Es ist dieses »System ÖVP Niederösterreich«, das mitgeholfen hat, den Boden für jene »illiberale Demokratie« zu bereiten, die FPÖ-General­sekretär Christian Hafenecker im Sommer 2024 in einem ZiB 2-Interview zum Wunschszenario erklärt hat.

Dagegen heißt es aufzustehen – am besten mit dem Wissen darüber, was unsere Demokratie schwächt oder gar bedroht. Und weil man schlimme Dinge am besten mit Humor sagt, freut es uns umso mehr, dass wir mit Gerhard Haderer einen der Größten seiner Zunft an Bord haben. Denn die Feder ist mächtiger als das Schwert.