Bühnen aus Papier

Als Landesrat war Wolfgang Sobotka nicht nur auf wohlwollende Berichte angewiesen. Er machte sich kurzerhand selbst zum Verleger – auf Steuerkosten und am Gesetz vorbei. Bis heute hat das in Niederösterreich System.

Text: Eja Kapeller; Illustration: Gerhard Haderer

Wolfgang Sobotkas Schule der Macht16.9.2024 

Zum Abschied gibt es große Worte. »Er hat es sich nicht leicht ­gemacht und immer und immer wieder genau beobachtet, um zu lernen.« Als Wolfgang Sobotka seine politische Zuständig­keit für die Niederösterreichischen Landeskliniken abgibt, zieht die Zeitschrift Gesund & Leben Bilanz. »Er ist im Rettungsauto mitgefahren und im OP dabeigestanden, hat sich genau angeschaut, wie eine Angiografie abläuft und wie die Notfall­versorgung funktioniert, war bei Nachtdiensten auf den Stationen und hat bei Diensteinteilungen zugesehen.«

Dass Gesund & Leben den Landesrat fast zum Helden stilisiert, überrascht wenig: Sobotka hat das Heft 2005 gegründet. Die Niederösterreich-Ausgabe des Magazins, das heute sogar bundesweit erscheint, wird von der NÖ Landesgesundheitsagentur (LGA) herausgegeben, der Dachgesellschaft für die Kliniken und Pflegezentren des Landes.

Man wolle damit, so Sobotka, die Niederösterreicher·innen unterstützen, sich »und ihren Körper gesund, fit und leistungsfähig zu erhalten«. So weit, so lobenswert – würde Sobotka das Magazin nicht von Beginn an auch anderweitig nutzen: als PR-Bühne auf Kosten der Steuerzahler·innen.

Neben Gesundheitstipps hatte Gesund & ­Leben ­allen voran ein Thema: Wolfgang Sobotka. Das liest sich etwa im Jahr 2011 so: Sobotka, der eigentlich nicht Gesundheitslandesrat ist, fordert eine dritte Turnstunde (Ausgabe 1+2/2011). ­Sobotka im Bild bei Veranstaltungen, Preisverleihungen und Pressekonferenzen (6/2011, 9/2011, 12/2011). Sobotka zeigt, »dass ihm Bewegung wichtig ist – trotz randvollem Terminplan und oft stressigen Arbeitstagen« gibt er Tipps, wie man genügend Schritte am Tag schafft (4/2011).

Der Landesrat griff auch selbst in die Tasten: Acht ­Jahre lang verfassten der damalige Landeshauptmann Erwin Pröll und Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) jeweils ein Editorial für das Magazin.

Es ist nicht Sobotkas erste Bühne aus Papier. Auch in der Zeitschrift Umwelt und Gemeinde der Koor­dinierungsstelle für Umweltschutz, für die Sobotka als Umweltlandesrat (1998–2005) ­zuständig ist, treffen Leser·innen ihn häufig an. So oft, dass der grüne Abgeordnete Martin Fasan Sobotkas Medienpräsenz im Juni 2000 im Landtag thematisierte: »Manchmal habe ich ein bisschen den Eindruck, diese Zeitung (...) ist eine Art Sinfonie à la Sobotka.«

Mit einem Unterschied: Bei einem Stück bleibt es nicht. 2007 erscheint die Erstausgabe von Natur im Garten, dem Magazin zur gleichnamigen Landesinitiative, die Sobotka einst aus der Taufe gehoben hat. Darin kann er seinen grünen Daumen zunächst sogar in einem eigenen Format zur Schau stellen: »Gartentipp von Landesrat Wolfgang Sobotka«.

DOSSIER stieß auf insgesamt dreizehn Zeit­schriften, die mindestens zweimal jährlich vom Land oder Unternehmen und Agenturen in Landesbesitz herausgegeben werden. ­Darin prominent, meist exklusiv vertreten: ÖVP-­Politiker·innen der Landesregierung. Hier bewegt man sich auf einem schmalen Grat: Steckt dahinter ein legitimes Informationsbedürfnis, Parteiwerbung oder gar indirekte Parteienfinanzierung?

Niederösterreichs Medienimperium ist jedenfalls kein Unikat. Auch im SPÖ-geführten Wien setzen Regierungspolitiker·innen schon lange für positive Medienpräsenz auf Publikationen der Stadt. Dabei kommen in der Hauptstadt Verlage mit SPÖ-Nähe zum Zug, wie ­DOSSIER mehrfach berichtete

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