Zum eigenen Vorteil verrechnet

Wiener Wohnen, die Hausverwaltung der Stadt Wien, gibt bei Sanierungen immer wieder falsche Zahlen an. In einem Fall verrechnete sich Wiener Wohnen um mehr als zwei Millionen Euro – zu Ungunsten der Mieterinnen und Mieter.

Wohnen28.6.2016 

Es ist ein Großprojekt. Die Sanierung eines der traditionsreichsten Gemeindebauten Wiens, des Hugo-Breitner-Hofs im 14. Bezirk. Die geschätzten Kosten: mehr als 27 Millionen Euro. Um die Arbeiten zu finanzieren, beantragt Wiener Wohnen 1999 bei der Wiener Schlichtungsstelle (MA 50) eine Sanierung nach Paragraf 18 des Mietrechtsgesetzes – und bekommt diese genehmigt: Die Mieten dürfen in den Jahren 2000 bis 2015 erhöht werden.

Als 2009 die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sind, kann Wiener Wohnen die vorgeschriebene Endabrechnung über die Baukosten jedoch nicht vorlegen. Die MA 50 setzt daraufhin die Genehmigung für die Mieterhöhung aus: Wiener Wohnen muss die Mieten bis zur Vorlage der Endabrechnung wieder senken.

Jahre vergehen, bis die Abrechnung 2013 schließlich vorliegt und eine böse Überraschung für die Bewohnerinnen und Bewohner birgt: Die Sanierung sei teurer gewesen als veranschlagt, die Mieten müssten nun für die gesamte Wohnhausanlage um mehr als 170.000 Euro pro Monat erhöht werden. Doch nach einem Einspruch der Mieterbeiräte im Mai 2014 zieht Wiener Wohnen den Antrag auf die neuerliche Erhöhung zurück.

Die offizielle Begründung: „Zahlreiche erfreuliche Entwicklungen haben bewirkt, dass die Sockelsanierung der gegenständlichen Wohnhausanlage rückwirkend ohne Mietzinserhöhung gemäß §§ 18ff MRG finanziert werden kann.“ Wäre die ursprüngliche Mieterhöhung im Jahr 2000 also gar nicht notwendig gewesen? Die Bewohner bekommen die Differenz für den gesamten Zeitraum jedenfalls rückerstattet – es geht um mehrere Millionen Euro für die gesamte Anlage. Warum Wiener Wohnen die Kosten mehrmals grob unterschiedlich berechnet hat, bleibt im Dunkeln. Bei Wiener Wohnen wollte man trotz Anfrage nicht Stellung nehmen.

Die Sanierung des Hugo-Breitner-Hofs ist jedoch nur ein Beispiel für Rechenfehler, die Wiener Wohnen bei Paragraf-18-Sanierungen unterlaufen. DOSSIER und NZZ.at sind im Zuge der Recherche auf weitere Fälle gestoßen, etwa auf einen Gemeindebau im 2. Bezirk. Laut Wiener Wohnen stand die Wohnhausanlage mit fast 130.000 Euro in der Kreide – tatsächlich war knapp eine halbe Million Euro an Mietzinsreserven vorhanden.

„Bemerkenswert hohe Fehlerquote“

Bereits im Jahr 2003, als das Wiener Kontrollamt (heute: Stadtrechnungshof) die Arbeit der damals zuständigen MA 16 (heute: MA 50) untersuchte, fanden die Prüfer „eine bemerkenswert hohe Anzahl von (...) unrichtigen bzw. fehlerhaften Positionen“ bei den Anträgen von Wiener Wohnen. „Allein bei einem Objekt wurde die Hauptmietzinsreserve von einem eingereichten Passivum von 383.253,30 EUR auf ein geprüftes Aktivum von 20.193,18 EUR korrigiert“ steht in dem Bericht – eine Differenz von 403.446,48 Euro. In einem anderen Gemeindebau wichen die Zahlen von Wiener Wohnen um 266.066,05 Euro ab.

Derartige Fehler können den entscheidenden Unterschied ausmachen: In einem dritten Fall hielt das Kontrollamt fest, dass Wiener Wohnen bei korrekter Abrechnung die Mieten nicht hätte erhöhen dürfen. Anstatt eines Minus von 657.100 Euro sei ein Plus von 249.000 Euro vorhanden gewesen. Insgesamt verrechnete sich Wiener Wohnen alleine bei den drei vom Kontrollamt veröffentlichten Fällen um 1.575.612,53 Euro – immer zu Ungunsten der Mieterinnen und Mieter. Bei privaten Antragstellern waren die Abweichungen laut Bericht wesentlich geringer: Das Kontrollamt nannte exemplarisch eine Wohnhausanlage, in der die Abrechnung um 7.267,28 Euro nicht stimmte.

Rechenfehler bis heute

In den folgenden Jahren kontrolliert die MA 50 verstärkt. Interessanterweise geht die Zahl der Anträge deutlich zurück. Doch als der Stadtrechnungshof 2013 die Paragraf-18-Sanierung eines Gemeindebaus in der Aistgasse im 21. Wiener Gemeindebezirk prüft, stellt er erneut grobe Fehler fest. Die MA 50 findet ein Aktivum von 110.186,79 Euro. „Das ist insofern bemerkenswert, da der ursprünglich von Wiener Wohnen bekannt gegebene Saldo ein Passivum von 1.988.609,67 EUR auswies“, berichtet der Stadtrechnungshof. Wiener Wohnen hatte sich also um knapp 2,1 Millionen Euro verrechnet.

Wiener Wohnen wollte kein Interview zu den heiklen Paragraf-18-Sanierungen geben und auch schriftlich nicht zu den genannten Vorwürfen Stellung nehmen.