Im Frühjahr 2015 wurde irgendwo in Wien gefeiert: Ein Mann, eine Frau, ein Paar, vielleicht eine kleine Familie, hatte es endlich geschafft. Eine Gemeindewohnung war frei geworden, das Ausharren auf der Warteliste hatte sich gelohnt. Das neue Heim ist Teil des Hugo-Breitner-Hofs in Wien-Penzing. Mit rund 1.300 Wohnungen zählt die Wohnhausanlage zu den größten Gemeindebauten der Stadt. Verwaltet wird sie von Wiener Wohnen.
Was der neue Mieter allerdings nicht weiß, als er den Vertrag unterschreibt, den ihm die Hausverwaltung übermittelt hat: Die Wohnung ist um rund 2,5 Quadratmeter kleiner als angegeben. Rechnet man den Größenunterschied auf Mietzins, Betriebskosten und Mehrwertsteuer hoch, werden dem neuen Mieter etwa 200 Euro pro Jahr zu viel verrechnet.
Wie geht das?
Der Größenunterschied muss der Hausverwaltung seit August 2013 bekannt sein. Denn damals wurde der Hugo-Breitner-Hof im Zuge eines Mietrechtsverfahrens neu vermessen. Mit dem Ergebnis, dass die meisten Wohnungen in der Anlage tatsächlich kleiner sind als bisher angenommen und vertraglich festgelegt. Die Abweichungen reichen in manchen Fällen bis zu fünf Quadratmetern – zum Nachteil der Mieter.
Durchgeführt wurde die Neuvermessung von der dafür zuständigen Magistratsabteilung 25 („Abteilung Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser“). Dass das Ergebnis noch im selben Monat an Wiener Wohnen übermittelt wurde, Wiener Wohnen also seit zwei Jahren über die Größenabweichung der Wohnungen im Hugo-Breitner-Hof Bescheid weiß, ist durch ein Schreiben dokumentiert. Dass die kommunale Hausverwaltung dennoch Wohnungen mit den alten, falschen Flächenangaben weitervermietet und abrechnet, begründet sie damit, dass jenes Mietrechtsverfahren, mit dem die Neuvermessung in Gang gesetzt worden war, noch immer nicht abgeschlossen ist.
Das ist auch die Begründung, mit der eine Pressesprecherin von Wiener Wohnen zu der Frage, ob Wiener Wohnen wissentlich Mietverträge mit falschen Flächenangaben ausstellt, jede Stellungnahme verweigert. Die Hausverwaltung beteuert immer wieder, dass es angesichts der mehr als 220.000 Gemeindewohnungen, die von Wiener Wohnen verwaltet werden, Einzelfälle wohl geben könne.
Sachverhaltsdarstellung
Zwei Mietervertreter im Hugo-Breitner-Hof hatten schon länger den Verdacht, dass Wiener Wohnen wider besseres Wissen Wohnungen auf der Grundlage falscher Flächenangaben vergibt. Jetzt haben sie erstmals einen schriftlichen Beweis dafür.
Ernst Schreiber und Gerhard Kuchta haben den Fall ins Rollen gebracht und nun auch ein E-Mail an die Staatsanwaltschaft Wien geschickt. „Es muss also davon ausgegangen werden, dass Mieter durch die Angabe von falschen, größeren Wohnungsausmaßen – in Kenntnis anders beschaffener Gegebenheiten – in die Irre geführt und getäuscht werden“, heißt es in ihrer Sachverhaltsdarstellung. Daran schließt sich die Bitte, zu überprüfen, ob Wiener Wohnen wissentlich und willentlich agiert, was bedeuten würde, dass eine strafrechtlich relevante Tat, nämlich Betrug, vorliegt. Und zwar „nicht nur für unsere Wohnhausanlage, sondern wienweit“.
Die Staatsanwaltschaft Wien entschließt sich, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. "Dass ein alter Schlüssel einer alten Quadratmeterangabe (noch) zur Anwendung kommt, mag sein. Die Überprüfung ist aber offensichtlich schleppend, aber immerhin in Gange. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten ist nicht ableitbar." Die Causa müsse daher mit zivilrechtlichen Mitteln gelöst werden.