26 Prozent teurere Betriebskosten in Wiener Gemeindebauten

DOSSIER und NZZ.at präsentieren den ersten Betriebskostenspiegel für Wiener Gemeindebauten.

Wohnen4.10.2015 

Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) ruft in Medienberichten Mieterinnen und Mieter gerne dazu auf, ihre Betriebskosten zu kontrollieren. Denn, so der Stadtrat: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."

Dabei sind hohe Betriebskosten gerade in Wiens Gemeindebauten keine Seltenheit. Bereits im Jahr 2012 empfahlen die Prüfer des Rechnungshofes der städtischen Hausverwaltung Wiener Wohnen,

der Frage nachzugehen, warum im Vergleich zum privaten Bereich in einigen Positionen eklatante Unterschiede der einzelnen Betriebskosten bestehen.

Ein solcher Vergleich werde mangels Vergleichbarkeit „nicht als zweckmäßig“ erachtet, antwortete Wiener Wohnen damals. Auf Anfragen von DOSSIER und NZZ.at gibt die kommunale Hausverwaltung die Betriebskosten einzelner Gemeindebauten mit dem Verweis auf den Datenschutz nicht bekannt. Auch die größte Mieterschutzorganisation des Landes, die SPÖ-Vorfeldorganisation Mietervereinigung Österreich, veröffentlicht seit 2009 zwar jährlich einen Betriebskostenspiegel, jedoch nur für private Mietzinshäuser. Bis heute war es daher unmöglich, Betriebskosten zwischen privaten und Gemeindewohnungen miteinander bzw. von Gemeindebauten untereinander zu vergleichen.

Betriebskosten von 2,24 Euro pro m² und Monat

Seit August 2015 untersuchen DOSSIER und NZZ.at die Betriebskosten in Wiener Gemeindebauten. Ein Ergebnis der Recherche ist der 1. Betriebskostenspiegel für städtische Wohnhausanlagen. 32 Gemeindebauten mit insgesamt 662.671,54 m² Nutzfläche liegen diesem zu Grunde. Zum Vergleich: Der Betriebskostenspiegel der Mietervereinigung beruht auf rund 400.000 m² Nutzfläche (2013).

Berechnungen von DOSSIER und NZZ.at ergeben, dass die Betriebskosten in Wiener Gemeindebauten ohne Lift im Schnitt 2,24 Euro pro m² und Monat ausmachen. Nach Auskunft von Wiener Wohnen liegen diese durchschnittlich jedoch nur bei 2,13 Euro pro m² und Monat. Teurer wird es hingegen, wenn man die Daten der Statistik Austria hernimmt: Diese beziffert die durchschnittlichen Betriebskosten in Wiener Gemeindewohnungen überhaupt mit 2,4 Euro pro m² und Monat.

Ein Grund für die abweichenden Zahlen könnten die Kosten für die Aufzüge sein. In 20 der 32 untersuchten städtischen Wohnhausanlagen waren Lifte vorhanden. Bezieht man die Liftkosten in die Berechnung der 20 Bauten (303.804,69 m² Nutzfläche) mit ein, liegen die Betriebskosten für Gemeindewohnungen mit Lift bei 2,45 Euro pro m² und Monat. 

Um 26 Prozent teurere Betriebskosten im Gemeindebau

Mieterinnen und Mieter einer 50 m² großen Gemeindewohnung zahlen im Schnitt 112 Euro an Betriebskosten im Monat oder 1.344 Euro im Jahr. Nach dem Betriebskostenspiegel der Mietervereinigung berappen private Mieter 1,78 Euro pro m² und Monat für Betriebskosten.

Hinweis (7.10.2015): DOSSIER und NZZ.at zogen für die Berechnung den Betriebskostenspiegel der Mietervereinigung aus dem Jahr 2015 heran. Dieser basiert jedoch auf Abrechnungen aus dem Jahr 2013. Wenn man die Inflation, die Steigerung der Verwaltungsgabe und Gebührenerhöhungen für Müll, Wasser und Kanal einrechnet, macht das für private Mieter im Jahr 2014 Betriebskosten in der Höhe von 1,83 Euro pro Quadratmeter und Monat. Die Betriebskosten im Gemeindebau sind demnach um 22,4 Prozent höher. 

Bei einer 50 m² großen Privatwohnung macht das 89 Euro im Monat oder 1.068 Euro im Jahr aus. Die Betriebskosten in einer ebenso großen Gemeindewohnung sind also um 276 Euro im Jahr oder um rund 26 Prozent teurer.

Die höchsten Kosten im Gemeindebau verursachten die Positionen „Hausbesorger-Arbeiten und Fremdfirmenbetreuung“ (25,8%), die Müllabfuhr (17,3%) und die Verwaltungskosten (12,6%). Gemeinsam machen diese drei Posten mehr als die Hälfte der angefallenen Betriebskosten aus. 

Schicken Sie uns Ihre Abrechnung

Jahr für Jahr weist die Mietervereinigung am Ende ihres jährlich für private Mietwohnungen veröffentlichten Betriebskostenspiegels darauf hin:

„Sollten die Beträge signifikant von den Werten des vorliegenden Betriebskostenspiegels abweichen, ist es allen Mieterinnen und Mietern dringend anzuraten, ihre Abrechnungen überprüfen zu lassen.“

In 75 Prozent der von DOSSIER und NZZ.at untersuchten städtischen Wohnhausanlagen lagen die Betriebskosten über zwei Euro pro m² und Monat; ein Wert, ab dem oft in Medienberichten eine Überprüfung empfohlen wird. DOSSIER und NZZ.at empfehlen allen Mieterinnen und Mietern von Wiener Gemeindebauten, uns ihre Abrechnungen zu schicken: abrechnung@dossier.at

Offenlegung zur Auswertung

In Wien gibt es rund 1.750 Gemeindebauten mit einer Nutzfläche von 12,8 Millionen m². Die Standardabweichung in der vorliegenden Stichprobe (n=32 Wohnhausanlagen mit 662.671,54 m²) beträgt 0,3. Der Standardfehler ist 0,053. Mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von fünf Prozent liegen die Betriebskosten eines durchschnittlichen Gemeindebaus ohne Lift zwischen 2,07 und 2,29 Euro pro m² und Monat. Um noch genauere Aussagen treffen zu können, rufen wir dazu auf, uns Abrechnungen zu schicken.