Sehenswürdigkeiten einer Kleptokratie

Ungarn bietet imposante Sehenswürdigkeiten. Seit Viktor Orbán 2010 die Macht übernahm, hat das Land ­einige Attraktionen der anderen Art dazugewonnen – sie ­zeugen von Korruption und persönlicher Bereicherung.

Text: Dávid Gajdos, Maximilian Passruck; Fotografie: Tom Linecker

Ungarn20.6.2025 

Die Bimmelbahn des Premiers

Felcsút

Bahnfahren kann in Ungarn zur Zeitreise werden: Durch die ­Puszta, die ungarische Steppe, fahren noch Züge aus der Frühphase des ­Sozialismus – oft ohne Klimaanlage und mit 40 km/h. Da bleibt der ­Orbán-Regierung nichts anderes übrig, als ein bisschen weniger Geld für Propaganda auszugeben und in die Bahn zu investieren. Das tut sie auch, zum Beispiel in Viktor Orbáns Heimatdorf Felcsút.

Dort wurde 2016 eine hübsche kleine Schmalspurbahn eingeweiht, ganz zur Freude des ­Ministerpräsidenten. »Wenn wir auf unsere Kritiker hören würden, würde nichts im Land passieren. Aber wir müssen Schienen legen, das Land aufbauen«, sagte Orbán bei der Einweihungsfeier. 

Gebaut wurde die Bahn vom österreichischen Bauriesen Swietelsky für 857 Millionen Forint (2015 waren das knapp 2,8 Millionen Euro). 70 Prozent des Geldes stammten von der EU. Das Europäische Parlament wurde darauf aufmerksam, dass für die Verschönerung von Orbáns Lieblingsdorf so viel Geld geflossen ist.

2017 fuhr sogar eine Delegation des EU-Parlaments die 35-minütige Strecke ab. Konsequenzen hatte die Kontrolle aber keine: Das Geld war bereits geflossen, da fährt die Bimmelbahn darüber. 

Vorab überprüft die EU-Kommission Förderungen erst ab zwei Millionen Euro auf ihre Wirtschaftlichkeit. Die Summe, die die Bahn erhielt, lag knapp darunter. So fiel niemandem auf, dass die Prognose der Regierung, dass täglich 2.500 bis 7.000 Personen den Zug nehmen würden, vorne und hinten nicht stimmt. Tatsächlich fahren meist höchstens ein bis zwei Dutzend Menschen pro Tag, teils fährt die Bimmelbahn auch komplett leer.

Also rollt der Zug Jahr für Jahr mit Verlust durch die Pampa. Aber wer weiß, vielleicht kommen bald so viele Korruptionstourist·innen, die das protzige Anwesen der Orbán-Familie und das Stadion im Dorf sehen wollen, dass sich die Bahn doch noch irgendwann rentiert.

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