Staatsschutz auf Österreichisch

Bald bekommt das Land eine »Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst«, kurz DSN. Sie soll die Republik sicherer machen. Damit das klappt, dürfen sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen: Postenschacher und Sicherheitslücken lähmten den Vorgänger, das BVT, Österreichs wichtigste Stelle im Kampf gegen den Terror.

Text: Florian Skrabal; Mitarbeit: Sahel Zarinfard; Illustration: Daniel Seex

Terror15.10.2021 

Manchmal fällt es schwer, Operationen staat­licher Geheimdienste von kriminellen Machenschaften zu unterscheiden. So etwa 1985, als der französische Auslandsgeheimdienst DGSE das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior vor Neuseeland versenkte, kurz bevor es zu einer Protestaktion gegen Atomtests im Südpazifik auslaufen sollte – ein Fotograf kam dabei ums Leben. Oder die Iran-Contra-Affäre, die Mitte der 1980er-Jahre publik wurde. 

Die US-amerikanische Central Intelligence Agency (CIA) finanzierte damals mit illegalen Waffenverkäufen an den Iran einen brutalen Guerillakrieg in Nicaragua. 2020 deckten das deutsche Wochenmagazin Spiegel und andere Medien auf, dass der russische Geheimdienst FSB an dem Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny beteiligt gewesen sein soll. Die Liste der Geheimdienstskandale ist lang und insbesondere für die Dienste unangenehm, schließlich operieren sie meist im Verborgenen. 

»Geheimdienste heißen so, weil sie geheim sind«, sagt Siegfried Beer, Historiker an der Universität Graz. Beers Spezialgebiete: Zeitgeschichte und Intelligence Studies, also die Geheimdienst­forschung. 2004 gründete Beer das Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS). Und was macht ein Geheimdienst so? Die Begriffe »Nachrichtendienst« und »Geheimdienst« würden oft synonym verwendet, erklärt Beer.

Als Nachrichtendienste werden jene Stellen bezeichnet, die Informationen aus verschiedenen Quellen (offen oder verdeckt) sammeln, um den Auftraggeber – also vornehmlich den Staat – mit einem bestmöglichen Bild von einer Bedrohungslage zu versorgen.

Von einem Geheimdienst hingegen spricht man, wenn eine staatliche Behörde nicht nur Informationen sammelt, sondern auch befugt ist, aktiv Missionen auszuführen; etwa der US-Dienst CIA, der israelische Mossad oder der russische FSB, die bekannt dafür sind, eigene Firmen zu gründen oder ihre Gegner aktiv mit Operationen zu manipulieren. Davon sind wir in Österreich weit entfernt. 

Hier gibt es zwei militärische Nachrichtendienste: das Heeresnachrichtenamt und das Abwehramt (AbwA). Beide Stellen sammeln Informationen, aber nur das AbwA handelt – eine bei Diensten übliche Arbeitsteilung. So soll das AbwA gegen Extremismus im Bundesheer vorgehen oder Spione entlarven. 2018 überführte es einen pensionierten Salzburger Offizier, zuletzt im Dienstgrad Oberst, Informationen über Österreichs Landesverteidigung an den russischen Dienst weitergegeben zu haben. Seit 1992. Er wird 2020 zu einer dreijährigen unbedingten Haftstrafe verurteilt.

Neben den militärischen Diensten gibt es hierzulande noch »polizeiliche Nachrichtendienstarbeit, die im Innenministerium angesiedelt ist«, sagt Beer. Deren Struktur reiche bis in die Monarchie zurück. Noch ist dafür das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, kurz BVT, zuständig. Noch.

Denn die anhaltenden Skandale rund um das BVT – nicht zuletzt das Versagen im Vorfeld des 2. November 2020 – zwangen die Politik zu handeln.

Im Juli 2021 verkündete Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) die »größte Verfassungsschutzreform der Zweiten Republik«: Mit 1. Dezember wird das BVT in die neue Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) umgewandelt. »Das Ziel war, die rissige Mauer des Verfassungsschutzes neu aufzubauen«, so Nehammer. Wie das BVT wird die DSN als eine Art Inlandsnachrichtendienst konzipiert sein, zumindest zur Hälfte. Wie beim Militär übernimmt die andere Hälfte die Gefahrenabwehr.

Ziviler Staatsschutz ist in Österreich seit jeher Aufgabe der Polizei – und von Metternich bis Kickl für Skandale gut. In der Zweiten Republik gab es diese nicht erst beim BVT. Auch die Staatspolizei (Stapo) war in Verruf gekommen, als Innenminister Franz Olah (SPÖ) im Jahr 1964 im ­Fernsehen erklärte, dass der Staatsschutz rund 43.000 ­Personalakten über bedeutende Personen der Republik angelegt hatte. Jahrzehntelang war die Stapo für die Bekämpfung des Terrorismus zuständig und immer wieder gefordert – Mitte der 1990er-Jahre durch eine Briefbombenserie, die das Land erschütterte und die Polizei lange im Dunkeln tappen ließ.

Schönheitsfehler

2000 wird die erste schwarz-blaue Regierung angelobt. Im Jahr darauf steuern Atten­täter Flugzeuge ins World Trade Center in New York. Österreichs damaliger Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) stellt die heimische Terrorabwehr neu auf. 2002 führt Strasser die Stapo, die Einsatzgruppe D zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus zusammen. Das BVT entsteht – mit Vor- und Nachteilen.

Weiterhin ist es kein reiner Nachrichtendienst, sondern eine polizeiliche Ermittlungsbehörde. Die Beamten können somit im Unterschied zur CIA auch Personen verhaften. In den USA bräuchte die CIA dazu das ­Federal Bureau of Investigation. Ein BVT-­Problem: Ermittelnde Polizistinnen und Polizisten müssen strafrechtlich Relevantes der Staats­anwaltschaft berichten, die das wiederum in einem Ermittlungsakt vermerkt. Und in diesen können unter Umständen andere Parteien Einsicht haben – für befreundete ausländische Nachrichtendienste ein Risiko, das sie kaum eingehen wollen.

Doch das BVT hat zwei weitere, zutiefst österreichische Schwächen: Postenschacher und Föderalismus. Von Anfang an ist das BVT keine eigenständige Behörde, sondern gehört im Innenministerium (BMI) zur Generaldirektion für die öffentliche ­Sicherheit. Neben dem BVT gibt es neun LVTs, also Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die bei den jeweiligen Landespolizeidirektionen angesiedelt sind.

Das macht die Kommunikation und die Koordination nicht leichter. Hochrangige Polizisten forderten schon unter Ernst Strasser, dass das BVT stärker aus dem BMI herausgelöst werden und den Status einer eigenen Behörde bekommen sollte. Und schon damals wurde Innenminister Strasser vorgehalten, dass er staatliche Posten nach Parteibuch habe besetzen lassen – im Jahr 2008 wurde das durch veröffentlichte E-Mails belegt.

Es sind Postenbesetzungen dieser Art, die ab 2018 in der sogenannten »BVT-Affäre« erneut zum Vorschein kommen. Dass aber ausgerechnet Ernst Strasser das BVT gegründet hat, ist inzwischen eine Ironie der Geschichte. 

Strasser war von 2000 bis 2004 Innenminister, der erste Innenminister, den die ÖVP seit 1970 stellte. Nach seinem Rücktritt rund um Korruptionsvorwürfe wird er Unternehmer mit Schwerpunkt Russland, nach der EU-Wahl 2009 zieht er für die ÖVP ins EU-Parlament ein. Auch diesen Job muss er aufgeben.

Britische Investigativjournalisten hatten sich als Lobbyisten ausgegeben und verdeckt gefilmt, wie Strasser ihnen gegen Geld ein Gesetzesvorhaben verspricht. Im Gerichtsprozess behauptet er später, dahinter einen Geheimdienst vermutet zu haben, dessen Machenschaften er aufdecken wollte. Der Richter fragte, warum er sich mit seinem Verdacht nicht an das BVT gewandt hatte. Strasser antwortete, dass man dort schon »pfannenfertige Unterlagen« vorlegen müsse, damit jemand aktiv wird.

Er habe mit dem BVT früher eine schlechte Erfahrung gemacht: Bereits im Jahr 2002 habe er den Verdacht gehabt, ein ausländischer Geheimdienst wolle über seine Frau an ihn herantreten. Er habe das dem BVT mitgeteilt, aber: »Ich bin sogar als Minister ausgelacht worden.«

Das Konvolut

Politische Machtkämpfe sorgten in den vergangenen Jahren für Aufruhr – die einen vermuteten im BVT ein »schwarzes Netzwerk«, die anderen sahen in der Ära von Herbert Kickl (FPÖ) einen rechten Angriff auf den Staatsschutz.

Fakt ist: Das Innenministerium wurde seit Bestehen des BVT fast ausschließlich von der ÖVP, insbesondere der ÖVP Niederösterreich, geführt. In den rund 19 Jahren BVT-Geschichte bestimmten knapp 17 Jahre lang ÖVP-Politikerinnen und -Politiker über Organisation, Budget und Personal.

Die Ausnahmen: Rund eineinhalb Jahre war Kickl Innenminister. Etwas mehr als ein halbes Jahr dienten zwei politisch unabhängige Innenminister der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein. Zuletzt Wolfgang Peschorn, der heute als Präsident der Finanzprokuratur, der Anwältin der Republik, jene Scherben aufsammeln muss, die durch Versäumnisse des BVT im Vorfeld des Attentats in Wien angefallen sind.

In den Jahren nach der BVT-Gründung ist es noch verhältnismäßig ruhig in Österreich. 2009 kommt es zu einem Anschlag auf den ­Ravidass-Tempel in Wien, bei dem ein Mensch stirbt. 2011 mordet ein Oberösterreicher, dessen Tat trotz rassistischen ­Motivs nicht als Terrorakt gewertet wird. Es gibt Brandanschläge auf Flüchtlingsheime sowie türkische Vereinslokale. 2017 wird ein Ehepaar von einem mutmaßlichen Islamisten ermordet. 2018 attackiert ein Mann einen Soldaten vor der iranischen Botschaft mit einem Messer – und wird erschossen.

Doch langsam holt die geopolitische Situation auch Österreich ein. Der Arabische Frühling krempelt den Nahen Osten um, in Syrien bricht der Bürgerkrieg aus, der »Islamische Staat« erobert immer mehr Gebiete. Es brodelt. Nicht nur in der Weltgeschichte, auch in den Amts­stuben des BVT. 

2017 erreicht ein 39-seitiges Konvolut die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Der oder die Verfasser: unbekannt. Bis heute ist nicht geklärt, wer dahintersteckt. Es werden ein oder sogar mehrere frustrierte BVT-Mitarbeiterinnen oder -Mitarbeiter vermutet. Der Inhalt: eine Mischung aus weit hergeholter Schmutz­wäsche und detailliertem Insiderwissen.

Die Vorwürfe: Geldwäsche, Bestechung, Amtsmissbrauch. Informationen über politische Gegner sollen etwa an Parteien weitergespielt, Journalistinnen und Journalisten mit Informationen versorgt oder für die Rettung von Geiseln bestimmtes Lösegeld abgezweigt worden sein. Das Konvolut zieht schnell weite Kreise. Politikerinnen und Politiker bekommen es in die Hände – und die Medien. Auch ­DOSSIER hatte es damals auf dem Tisch.

Die Affäre

Im selben Jahr wird gewählt. Ende 2017 hat Österreich erneut eine Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ. Herbert Kickl wird Innenminister. Auch ihm sind die Vorwürfe rund um das BVT bekannt. Knapp zwei Monate nach der Angelobung, im Februar 2018, kommt es zur inzwischen berüchtigten Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz.

Zwar wird das Oberlandesgericht Wien diese später für rechtswidrig erklären, doch da sind die Ereignisse nicht mehr aufzuhalten, die sogenannte »BVT-Affäre« rollt über das Land und entwickelt sich zur Staatsaffäre. Im April 2018 wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, nach und nach kommen weitere Missstände ans Tageslicht. 

Entgegen der medialen Darstellung einer Stürmung durch eine Truppe von hartgesottenen Straßencops verlief die Hausdurchsuchung letztlich »österreichisch«: 58 Beamte der Einsatzgruppe für Straßenkriminalität (EGS) waren im Einsatz. Sie hatten weder Sturmhauben noch Helme auf oder schwere Bewaffnung mit. Einen Rammbock trugen sie in einer Sporttasche, mussten ihn aber nicht verwenden.

Denn ins BVT-Gebäude – theoretisch sollte so ein Nachrichtendienst gesichert sein wie Fort Knox – kamen die Polizisten durch einen Trick, der einem der Straßencops spontan einfiel: Sie sagten, sie hätten einen Termin, und zeigten ihren Dienstausweis. Die damals eingeteilte Wache führte dazu im U-Ausschuss aus: »Da haben wir die Tür von der Sicherheitszentrale aufgemacht, weil ich ja normalerweise von einem Kollegen nichts zu befürchten habe.« Die Ausschuss-Stenografen vermerkten an dieser Stelle: »Allgemeine Heiterkeit«.

Geleitet wurde der Einsatz von Oberst Wolfgang Preiszler, einem früheren FPÖ-Gemeinderat aus Niederösterreich. Er hatte Rückendeckung vom blauen BMI-General­sekretär Peter Goldgruber und Innenminister Kickl. 

Einmal drinnen, wurden streng geheime Unterlagen des Extremismusreferats durch die EGS-­Beamten durchwühlt – einer der brisantesten Aspekte der Razzia. Denn die Leiterin des Referats war keine Beschuldigte. Trotzdem stellte die Truppe unter FPÖ-Kommando bei ihr »sehr sensible Informationen« sicher, wie sie wenige Monate später im U-Ausschuss schildert.

Ihr erstes Empfinden angesichts der Razzia beschreibt sie so: »Da ich ja im Rechtsextremismusbereich auch sehr lange tätig bin und sehr viele Informationen habe, war meine erste Überlegung: Jetzt ist es so weit. Jetzt ist der Tag X, wo in der Szene immer davon geredet wird: Wenn sie an die Macht kommen, dann hängen sie als Erstes die Staatspolizei auf und als Nächstes kommt die Justiz dran.« Nicht nur ihr Vertrauen war nach der Hausdurchsuchung erschüttert, BVT-intern herrschte mehr Misstrauen denn je.

Und auch die Partnerdienste sahen genauer hin. 

Sie konnten alles in Medienberichten mitlesen, unter anderem, dass zwei Festplatten mitgenommen und der WKStA übergeben wurden. Sie waren im Büro eines IT-Mitarbeiters einfach auf dem Schreibtisch gelegen – nicht passwortgeschützt. Die Dateien: hochsensible Back-ups der Zentralen Quellenbewirtschaftung (in etwa Abrechnungsbelege der vom BVT bezahlten Informanten), des Neptun-Systems (ein strikt zu schützendes Informationsaustauschsystem der europäischen Geheimdienste) und des EU-Netzwerks »Police Working Group on Terrorism«. Von den ursprünglichen Vorwürfen aus dem 2017 aufgetauchten Konvolut ist zwar heute wenig Anklagbares übrig, dafür trat im Zuge des U-Ausschusses die wohl größte Schwäche des BVT zutage. 

Nicht unbedingt die besten Köpfe kümmerten sich um Österreichs Terrorabwehr, sondern viele politische Günstlinge. BVT-Chef Peter Gridling (2008–2020) sagte im Ausschuss mehrfach aus, dass ihm Personal ins BVT gesetzt wurde, das er für ungeeignet gehalten hatte – die Letztentscheidung sei aus dem Kabinett oder dem BMI gekommen. Razzia, Sicherheitslücken, Postenschacher – nicht nur im Parlament sorgte das für Stirnrunzeln.

Misstrauen

Im Rahmen der Regierungsbeteiligung der – mit der Partei des russischen Präsidenten Wladimir Putin offiziell befreundeten – FPÖ und der Hausdurchsuchung kam es zu öffentlichen Diskussionen, inwieweit ausländische Nachrichtendienste das BVT noch am Informations­austausch beteiligen wollen. So veröffentlichte der Falter das Faksimile einer Information des finnischen Geheimdienstes Supo, die an alle befreundeten Partnerdienste, »except BVT Vienna«, verteilt werden sollte. Es ging um die Observation eines russischen Diplomaten. Man war sich nicht mehr sicher.

Das Vertrauen – im Geschäft der Dienste die wichtigste Währung – in das BVT war erschüttert. Das zeigt auch der Fall eines Botschaftsrats des Iran. Seit 2014 war ­Assadollah Assadi Diplomat in Wien und plante von hier einen Bombenanschlag nahe Paris. Dieser konnte in letzter Minute verhindert werden. Assadi wurde rechtzeitig in Deutschland, seine Komplizen in Belgien verhaftet. Das BVT stand bei der Operation nur an der Seitenlinie der Terrorabwehr.

Auch der Berner Club, ein informeller Zusammenschluss westlicher Inlandsgeheim- und Nachrichtendienste, in dem Österreich durch das BVT vertreten wird, war alarmiert. Im Fe­bruar 2019 kamen deutsche, britische, Schweizer und litauische Schlapphüte im Auftrag des Berner Clubs nach Wien, um ein Security Assessment des BVT vorzunehmen. Oe24.at bekam den Bericht Monate später zugespielt und veröffentlichte ihn zunächst zur Gänze, nahm ihn dann jedoch wieder vom Netz.

Darin kritisieren die anderen Geheimdienste abermals die Sicherheit im BVT: Die mit den Österreichern geteilten Daten seien anfällig für Hackerangriffe, das IT-System nicht für höchste Geheimstufen geeignet. Man verwende ein russisches Antivirenprogramm, das andere Dienste schon Monate zuvor aus Sicherheitsbedenken entfernt hatten. Das Gebäude sei nicht ausreichend abgesichert. Zwar gebe es hunderte Kameras, aber nur zwei Wachen mit zwei Monitoren. Fluchttüren hätten keinen Öffnungsalarm gehabt – die Gruppe der Kontrolleure wurde bei ihrem Besuch gleich durch eine solche ins Gebäude gelassen.

BVT-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter würden unzureichend auf ihre Vertrauenswürdigkeit geprüft, wie sie laut Bericht selbst bestätigten: Die Sicherheitsüberprüfung beinhalte weder eine eigene Internetrecherche (dabei seien die Computer des internen BVT-Netzes sogar mit dem Internet verbunden, was ein weiterer Kritikpunkt des Berner Clubs war) noch eine Face-to-Face-­Befragung. Kontakte zu Personen aus Ländern mit problematischen Regimen oder extremistischen Gruppen würden nicht kontrolliert, die Social-Media-Accounts von BVT-Beschäftigten nicht regelmäßig überprüft. Sie müssten nicht einmal angeben, in welche Länder sie privat reisen. 

Literaturtipp

Thomas Riegler

»Österreichs geheime Dienste«

Klever-Verlag, 2. Auflage, 328 Seiten, Wien 2019

Trotz aller Vorbehalte: Bei konkreten Bedrohungen wurde Österreich weiterhin informiert. Das zeigen die Monate vor dem Anschlag in Wien. Sowohl der deutsche als auch der slowakische Dienst gaben im Sommer 2020 wichtige Informationen an das BVT weiter: Sie meldeten, dass Islamisten aus Deutschland nach Wien reisten, wo sie den späteren Attentäter trafen, und ebenso, dass dieser versucht hatte, in Bratislava Munition zu kaufen. Doch in Österreich setzte man die Puzzlesteine nicht ordentlich zusammen.

»Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit, aber bestimmte Dinge müsste man erwarten können«, sagt Historiker und Geheimdienstforscher Beer. Etwa dass ausgewiesene Extremisten, ganz egal, ob politischer oder religiöser Art, eben auch im Auge behalten und davon abgehalten werden, dem Staat Schaden zuzufügen. »Das ist der Lackmustest für einen Dienst. Mit den Mitteln und Werkzeugen, die zur Verfügung gestanden sind, hätte der Anschlag verhindert werden müssen, wenn sie denn eingesetzt und richtig gehandhabt worden wären«.