Historie

Spuren des Terrors

Politisch motivierte Gewalt ist ein Teil von Österreichs Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte Terror aus den unterschiedlichsten Richtungen das Land – von rechts, von links, von ­In- wie Ausländern, von Einzeltätern oder terroristischen Gruppen. Eine Zeitreise.

Text: Thomas Riegler

Terror15.10.2021 

Aufmacherfoto: Bissuti Kristian / Kurier / picturedesk.com

1960er

Die Nacht der »Werwölfe «

In den 1960er-Jahren wurde die noch junge Zweite Republik von Rechts-terrorismus erschüttert. Bezugspunkt der Attentäter war der Südtirol-Konflikt. Von dort aus schlug die Gewalt aber auch auf Österreich zurück.

Sie nannten sich »Werwölfe«. Spätnachts kurvte die Kleingruppe durch Wien. Am Ziel angekommen, fielen mehrere Schüsse aus dem fahrenden Auto. Diese trafen einmal die Rückfront des Parlaments und ein anderes Mal die Fassade der italienischen Botschaft am Rennweg. Die Vorgangsweise hatten sich die jungen Neonazis offenbar von der Organisation de l’armée secrète (OAS) abgeschaut, einer Terrorgruppe extremistischer französischstämmiger Siedler in Algerien. Die Delta-Kommandos der OAS feuerten aus Autos heraus auf muslimische Passantinnen und Passanten.

Die nächtlichen Streifzüge der Wiener »Werwölfe« hingegen hatten auch etwas unfreiwillig Komisches an sich. So berichtete der Fahrer später, dass ihm bei einer der Touren in der Nacht des 8. Oktober 1961 zwischendurch der Motor abgestorben war. Kurzerhand begab sich die Gruppe zum nächstgelegenen »Würstelmann«, »wo wir uns ›Heiße‹ kauften«. So gestärkt, schoben sie das Auto an, und der Motor sprang wieder an.

Die »Werwölfe«, das waren fünf Männer unter der Führung des damals 20-jährigen Gerd Honsik. Dieser sollte bis zu seinem Tod 2018 eine fixe Größe des österreichischen Rechtsextremismus bleiben. Ebenfalls mit von der Partie war Gunther Kümel. Er hatte 1965 bei der Demonstration gegen die antisemitischen Äußerungen des Hochschulprofessors Taras Borodajkewycz den 67-jährigen Ernst Kirchweger so brutal niedergeschlagen, dass dieser später seinen Verletzungen erlag.

Kirchweger war das erste politische Todesopfer der Zweiten Republik.

Von den Schussattentaten abgesehen, brachten die »Werwölfe« mehrmals selbstgefertigte Sprengkörper zur Detonation – unter anderem vor dem Alitalia-Büro am Kärntner Ring, der US-Botschaft und dem Parlament. Einmal hielt Honsik ein Sprengstoffpaket mit brennender Lunte zu lange fest. Die Folge waren Schmauchspuren im Gesicht und Brandwunden an der Hand und am rechten Fuß.

Möglicherweise steckten die »Werwölfe« auch hinter einem der ersten großen Bombenanschläge in der Geschichte der Zweiten Republik: Am 30. April 1961 war ein Sprengsatz beim Republiksdenkmal am Ring detoniert und hatte beträchtlichen Sachschaden angerichtet.

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