Graphic Novel

Ein Thriller aus Teheran

Ein iranischer Diplomat wurde 2021 wegen eines geplanten Attentats nahe Paris zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Bombenanschlag war in letzter Minute vereitelt worden. Die Planung erfolgte zum Großteil in Wien.

Text: Ashwien Sankholkar; Illustration: S. R. Ayers

Terror15.10.2021 

Die Tarnung war perfekt. Vier Jahre arbeitete Assadollah Assadi in einem schmucken Palais in Wien-Landstraße als »Dritter Botschaftsrat« der Islamischen Republik Iran. In dieser Rolle besaß er seit 2014 diplomatische Immunität. Dieser Schutz vor nationaler Strafverfolgung war für seine heikle Arbeit essenziell, denn Assadi war nicht nur Mitglied des diplomatischen Corps, sondern auch lokaler Einsatzleiter des iranischen Geheimdienstes MOIS.

Und in dieser Rolle steuerte er von Österreich aus eine verdeckte Operation, die in die Geschichte der europäischen Terrorabwehr eingehen sollte: einen Bombenanschlag nahe Paris, der den Tod zahlreicher Menschen zum Ziel hatte. In letzter Minute wurde das Blutvergießen verhindert.

Die Ereignisse aus dem Sommer 2018 wirken wie aus dem Drehbuch von Homeland. In der US-Thrillerserie werden Attentäter dingfest gemacht, Menschenleben gerettet – und es wird tief in die Trickkiste der Terrorabwehr gegriffen. Auch bei der Bekämpfung der Assadi-Aktion haben Polizei und Geheimdienste filmreif gearbeitet: von der Observation auf Autobahnraststätten und in Fastfood-Restaurants bis hin zur Analyse des Standort- und Mobilfunkdatenverkehrs. Besonders konsequent waren die Antiterrormaßnahmen der Behörden in Belgien und Deutschland, wie aus DOSSIER vorliegenden Ermittlungsakten hervorgeht. Die Kooperation von Geheimdiensten und Polizei kann funktionieren – zumindest außerhalb Österreichs.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT, ab 1. Dezember 2021: Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst) spielte keine nennenswerte Rolle und wurde von ausländischen Partnerdiensten erst im Nachhinein informiert. Über den Gerichtsprozess zum gescheiterten Terrorkomplott berichteten die deutschen TV-Sender ARD und ZDF, die Süddeutsche Zeitung, die Welt und in Österreich etwa der Standard im Frühjahr 2021. Doch im Covid-Trubel ging die Sache unter.

Die Handschellen klickten für Assadi am 1. Juli 2018. In einer Raststätte zwischen Würzburg und Aschaffenburg wurde er festgenommen und kam umgehend in Untersuchungshaft. Wenig später lieferte man ihn unter Protest der Iraner nach Belgien aus. Mehr als ein Jahr versuchte der Iran, ihn auf dem diplomatischen Weg freizubekommen. Rechtsmittel wurden erhoben. Im November 2020 startete schließlich der Prozess in Antwerpen, und im Februar 2021 wurden er und seine Komplizen verurteilt.

Die belgische Staatsanwaltschaft hatte Chats, Rechnungen, Notizbücher und Bewegungsprofile vorgelegt, die den Verdacht geheimdienstlicher Agententätigkeit erhärteten. Das Gericht verdonnerte Assadi wegen des Anschlagsversuchs zu 20 Jahren Gefängnis. Seit Mai 2021 ist das Urteil rechtskräftig.

Exklusiv für Mitglieder

Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie unabhängigen Journalismus!

Sie erhalten die DOSSIER-Magazine des kommenden Jahres und sofort Online-Zugang zu exklusiven Geschichten.

Mehr erfahren

Mitglied werdenund alle Artikel lesen