Text: Manfred Gram, Florian Skrabal, Sahel Zarinfard
Mitarbeit: Dominik Blümel, Sarah Marie Piskur
Visualisierung: Fabian Lang
Fotografie: Tom Linecker
Schneller, höher, weiter – so hat man es gern im Prater. Wie bei der Olympia Looping, der nach eigenen Angaben größten transportfähigen Achterbahn der Welt. Sie bringt es auf eine Streckenlänge von 1.250 Metern, stammt eigentlich aus München und gastiert diese Saison wieder einmal im Wiener Vergnügungspark. Über fünf große Loopings, die die olympischen Ringe symbolisieren, verfügt die Hochschaubahn.
Ein echtes Stahlmonstrum, das da im Prater steht; dort, wo das Areal an das Messegelände und den Campus der Wirtschaftsuniversität grenzt. Hier, am äußersten Rand des Wurstelpraters, gegenüber der Achterbahn, befindet sich auch die Admiral Arena, Europas größte Sportsbar oder – je nach Perspektive – Europas größtes Wettlokal. Dass sich die Olympia Looping in der Fassade der Admiral Arena spiegelt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Life is a rollercoaster. Ein ständiges Auf und Ab. Einmal gewinnst du, einmal verlierst du. Oder auch zweimal, dreimal, viermal. Dabei zu sein ist dann nicht mehr unbedingt alles. Um solche Gedanken erst gar nicht aufkommen zu lassen, bringt die Wettindustrie ihre Kundschaft mit knackigen Sprüchen auf die richtige Spur. »Wetten in einer anderen Liga« heißt das Versprechen bei Admiral. »Wetten, du liebst es«, »Das ist unser Spiel« oder »Hol dir den Kick« bei Mitbewerbern am Markt.
Der Kick! Um den geht es. Plötzlich ist es nicht mehr nur irgendein Spiel. Plötzlich ist es das eigene Geld, das auf dem Spiel steht. Geld, das man verliert oder vermehrt.
Um die Illusion des großen Glücks aufrechtzuerhalten, legt man sich in der Admiral Arena ordentlich ins Zeug. Mit Monumentalkitsch samt ägyptischen Artefakten, die geschickt Opulenz vortäuschen. Dazu dicke, cremefarbene Vorhänge und Milchglasfenster, die eine effektive Barriere für das Tageslicht schaffen und die Zeit vergessen lassen. Und Teppichböden, die die wenigen Nebengeräusche der Betriebsamkeit verschlucken.
Alles ist in ein weiches, goldgelbes Licht getaucht, das man von jenen Orten kennt, an denen Glücksritter·innen versuchen, aus Geld noch mehr Geld zu machen – egal ob in Wien oder in der Wüste von Nevada: Vieles in der Admiral Arena erinnert an ein Kasino. Kein Wunder. Hier war früher auch eines.
Bis Ende 2014, als die Stadt Wien das Kleine Glücksspiel verbot, klingelten an dieser Adresse im Prater noch die Automaten – ein paar Jahre später verwandelte Admiral das Kasino in den Sportwettentempel: Seither verschmelzen hier Sport und Glücksspiel zu einer Mischung, die für viele unwiderstehlich ist.
Was sich in anderen Teilen der Stadt in meist karg eingerichteten Gassenlokalen zuträgt, in denen fast ausschließlich Männer ihre Zeit verbringen, bekommt hier eine fürstliche Bühne: zwei Ebenen und rund 1.300 Quadratmeter Gesamtfläche. Eine der LED-Wände ist mit 42 Quadratmetern größer als die Wohnungen mancher, die hier ihr Geld verwetten. Aber nicht nur im Prater, sondern in ganz Wien haben Sportwetten das Automatenglücksspiel ersetzt. Mit dem Unterschied, dass Sportwetten gesellschaftlich viel akzeptierter sind.
Big Business
Global sind Sportwetten in den vergangenen Jahrzehnten zum Big Business geworden – und zwar zu einem besonders lukrativen. Auch weil es Parallelen zum Glücksspiel gibt. So wie beim Roulette die grüne Null dem Kasino stets einen Vorteil verschafft, erarbeiten sich auch Wettanbieter einen Vorsprung: durch das Sammeln von Informationen, das Berechnen der Quoten und das Vermitteln der Wetten an sich.
Unglaubliche Mengen an Daten laufen bei ihnen zusammen, weshalb das Geschäft hinter den Kulissen an den Börsenhandel erinnert. Anders als an der Börse, wo alle auch verlieren können, gewinnen bei Sportwetten die Anbieter aber so gut wie immer – denn sie bestimmen die Kurse, also die Quoten. Und wird ihnen das Risiko zu groß, können sie im Gegensatz zur Börse Einsätze einfach ablehnen.
All das macht sie zu Königen der sicheren Wetten. Natürlich hängen Wettunternehmen das nicht an die große Glocke. Im Gegenteil. In ihren Werbespots streuen sie den Irrglauben, man könne mit dem eigenen Wissen über welchen Sport auch immer Geld verdienen. In Wirklichkeit sind Wettanbieter ihrer Kundschaft aber meilenweit voraus.

Hinter Sportwetten stehen heute Hightech-Unternehmen mit richtig viel Geld. Seit 2002 sind etwa die Wetteinsätze bei Österreichs Marktführer Admiral auf fast das 7,5-Fache gestiegen, von knapp 94 Millionen auf 702 Millionen Euro (2021). Laut Jahresabschluss 2021 waren rund 312.000 Menschen bei Admiral als Kund·innen registriert – fünfmal mehr als noch vor zehn Jahren.
Glaubt man den Angaben des Unternehmens Sportradar, einem internationalen Dienstleister, der Wettanbieter wie Admiral mit Quoten versorgt, soll das Geschäft weltweit heute deutlich mehr als eine Billion Euro schwer sein. 1.000 Milliarden Euro. Dagegen wirken die Wetteinsätze bei Admiral wie Peanuts. Der rot-weiß-rote Marktanteil am weltweiten Geschäft ist dennoch beachtlich – denn Österreich ist ein Eldorado für Wettanbieter.
Neben Admiral haben international tätige Firmen wie Interwetten, Bet at Home und Bwin hier ihre Wurzeln. Letztere kennen viele, weil das Bwin-Logo jahrelang auf den Trikots der Fußballstars von Real Madrid prangte. Heute ist das Unternehmen ein Teil von Entain, einer an der Londoner Börse notierten Aktiengesellschaft, die mit Onlinezockerei Milliarden umsetzt.
»Bwin ist eine der führenden Onlinewettmarken Europas und ein Synonym für Sport«, heißt es auf der Website. Und weiter: »Bwin bietet auch Kasino, Poker und Bingo auf Mobilgeräten und im Internet an, alles über ein einziges Konto.« Ein One-Stop-Shop im Netz, Kasinospiele neben Sportwetten und umgekehrt.
Konzerne, die von Österreich aus Europa erobern und ihr Geld damit verdienen, dass es andere verlieren? Das ist kein Zufall. Denn Österreichs Wettbranche ist etwas gelungen, das keine andere in einem Staat der Europäischen Union geschafft hat: Land und Leute glauben zu machen, dass ihr Angebot mehr mit Geschick als mit Glück zu tun hat.
Als einziges EU-Land stuft Österreich Sportwetten nicht als Glücks-, sondern als Geschicklichkeitsspiele ein. Das hat Vorteile für die Unternehmen: »Echte« Glücksspiele werden höher besteuert, und sie unterliegen strengeren Auflagen, etwa in puncto Spieler·innenschutz. Auf Glücksspiele hat die Republik außerdem ein Monopol.
Sportwetten hingegen sind Ländersache – das heißt: Alles ist möglich. Bis heute sind beispielsweise Onlinewetten in fünf der neun Bundesländer gar nicht gesetzlich geregelt. Dabei spielt sich das meiste Geschäft inzwischen im Netz ab, wo Glücksspiele ganz nebenbei oft nur einen Klick vom Wettangebot entfernt sind.
Wie Glücksspiele und Sportwetten miteinander verstrickt sind, davon konnte man sich im Juli 2021 im Rahmen einer Podiumsdiskussion ein Bild machen. Claus Retschitzegger, Konzernsprecher von Bet at Home und Präsident der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel, erklärte damals: »Man muss wissen, dass Anbieter wie Interwetten, Bet at Home oder Bwin oder auch alle anderen in Österreich bekannten ja nicht nur die Sportwette anbieten, sondern natürlich auch andere Produkte wie Onlinekasino oder -poker.« Der Anteil der Onlinekasinos mache bereits mehr als die Hälfte des Gesamtertrags der Unternehmen aus. »Das heißt, dieser Bereich ist für uns extrem wichtig«, so Retschitzegger.
Der einstige Interwetten-Vorstandschef Stefan Sulzbacher pflichtete ihm bei: »Derzeit haben wir schon eine Quersubventionierung vom Kasinobereich rüber in die Sportwette.« Dass zwei Branchenvertreter die Verzahnung von Glücksspiel und Sportwetten so klar einräumen, ist selten. Österreichs Marktführer Admiral gibt sich deutlich mehr Mühe, Sportwetten und Glücksspiele zu trennen. So kann man auf der Website des Unternehmens tatsächlich nur Sportwetten platzieren. Und dennoch ist die Nähe zwischen den beiden Angeboten nicht zu übersehen. Sie ist historisch und organisatorisch gewachsen.
Admirals neue Kleider
Am 1. Mai 2017 wurde die Admiral Arena im Prater als Flaggschiff im Wettlokalnetz des damals wie heute umstrittenen Glücksspielkonzerns Novomatic eröffnet. Zur Feier schauten unter anderen Novomatic-Kappenträger Niki Lauda (verstorben 2019) und die Kicker des SK Rapid Wien für eine Autogrammstunde vorbei. Kabarettist Alex Kristan lieferte die Pointen.
Streng genommen war die Party an diesem Staatsfeiertag aber eine Wiedereröffnung. Denn nachdem Ende 2014 das Kleine Glücksspiel in Wien verboten worden war, sattelte Novomatic hier einfach aufs Wettgeschäft um und zog der Bude neue Kleider an.
Jahrzehntelang hatte die SPÖ-geführte Stadt Wien dem Automatenglücksspiel und Platzhirsch Novomatic den roten Teppich ausgerollt. Lasche Gesetze und Kontrollen führten zu einem Wildwuchs an Glücksspielautomaten in der Hauptstadt. Abgesehen vom Prater hatte die Industrie just in jenen Bezirken die meisten Automaten aufgestellt, in denen das Einkommen der Bevölkerung durchschnittlich niedriger war. Ein Zufall? Wohl kaum.
Die Auswirkungen – Sucht, Geldprobleme, Beschaffungskriminalität – müssen der SPÖ-Parteiführung lange bekannt gewesen sein. Den Kurswechsel vollzog man aber erst, als der interne Widerstand durch die kritische Basisgruppe Sektion 8 zu groß wurde. Die Partei beschloss, das Glücksspiel an Automaten aus der Stadt zu verbannen. Und so wurde aus dem Kasino schließlich eine Sportsbar.

Außerhalb der Stadtgrenze darf bis heute in Automatensalons gezockt werden. Im Novomatic-Kernland Niederösterreich lässt sich beobachten, wie nah beieinander Glücksspiel und Sportwetten liegen. Novomatic betreibt hier das eine wie das andere fast immer am selben Ort. Und zwar mit zwei Unternehmen, die unter demselben Dach und unter derselben Marke auftreten: Die Admiral Casinos & Entertainment AG ist für das Zocken an Automaten zuständig, die Admiral Sportwetten GmbH wiederum für Sportwetten.
Bei beiden Firmen muss man sich getrennt registrieren, auf einer gemeinsamen, in Blau und Gelb gehaltenen Website heißt es dennoch: Man biete in seinen Filialen »ein modernes Wett- und Glücksspielangebot, neueste Technik und einladendes Ambiente« an. Von den 78 niederösterreichischen Admiral-Filialen ist tatsächlich nur die in Wiener Neustadt nicht bloß wenige Schritte von der Zweigstelle des Kleinen Glücksspiels entfernt.
Die halbe Wahrheit
Sportwetten und Glücksspiele seien »unterschiedliche Produkte«, sagt Jürgen Irsigler, Geschäftsführer der Admiral Sportwetten. »Glücksspiel heißt, dass etwas ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig ist.« Das sei bei Sportwetten nicht der Fall, obwohl natürlich Glück auch ein Faktor sei. Klingt nicht hundertprozentig schlüssig – doch der Gesetzgeber gibt Irsigler recht.
In Österreich zählen Sportwetten erst als Glücksspiel, wenn auf zehn oder mehr Spiele gleichzeitig gewettet wird, wie etwa beim altbekannten Toto, bei dem derzeit 13 Matches richtig getippt werden müssen. Bei den meisten Glücksspielen mache man nichts vernunftgesteuert, sagt Irsigler. Wenn man vor einem Glücksspielautomaten sitze und auf eine Taste drücke, dann sei das kein rationaler Vorgang.
Während es auch beim Roulette rein vom Glück abhängt, ob die Kugel nun auf Rot, Schwarz oder Grün landet, gibt es bei Sportwetten tatsächlich die Möglichkeit, sich im Vorfeld über Sportereignisse zu informieren und auf Basis dessen zu entscheiden.
»Da spielen viele Parameter eine Rolle: Welche Spieler sind verletzt oder gesperrt? Gibt es in einem Verein Unruhe, weil die Gehälter nicht ausbezahlt werden konnten? Wie ist die aktuelle Form?«, zählt Irsigler im DOSSIER-Interview auf. »Dann gibt es Phänomene, wie dass Rapid gegen Austria die letzten elf Spiele nicht mehr gewonnen hat.« Über all das könne man sich informieren und dann eine Entscheidung treffen. Irsigler nennt das einen »Prozess der Ratio, der Vernunft«. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Denn der Durchschnittszocker aus Wien-Leopoldstadt oder Gramatneusiedl tippt aus dem Bauch heraus, das belegt die Suchtforschung: Spieler·innen sind emotional involviert und neigen zu unüberlegten Entscheidungen und irrationalen Denkmustern.
Irsigler weiß das natürlich: »Der Mensch ist ein sehr emotionales Wesen und trifft häufig emotionale Entscheidungen. Ein Rapid-Fan wettet auf Rapid, auch wenn die Mannschaft elfmal gegen Austria nicht gewonnen hat. Das ist ihm egal. Er hilft zu seinem Klub, und darum setzt er wider besseres Wissen vielleicht trotzdem auf Rapid«, sagt er trocken. »Die Emotionalität des Menschen ist ein entscheidender Faktor.«
Und genau darauf haben es Wettanbieter mit ihrer Werbung und ihrem Sponsoring abgesehen. Irsiglers Unternehmen macht es vor.
Admiral betreibt nicht nur die nach eigenen Angaben größte Sportsbar des Kontinents, der Wettanbieter ist auch in Österreichs Fußballstadien präsent: Das Unternehmen sponsert mittlerweile fast alle heimischen Profi-Fußballmannschaften. Geschickt werden rund um die Spiele die Emotionen der Fans angesprochen und der Nervenkitzel beworben. Noch geschickter wird vermittelt, dass mit ein bisschen Know-how lukrative Gewinne winken. »Wetten, Sie gewinnen« steht auf den Tippscheinen, die Admiral ausstellt. In Wirklichkeit sollte es heißen: »Wetten, Sie verlieren«. Denn selbst wenn man sich informiert, wird es der Durchschnittswetter nicht schaffen, auf Augenhöhe gegen Wettanbieter wie Admiral zu bestehen. Das erfordert nämlich mehr als Wissen darüber, ob Lionel Messi verletzt ist oder es am Spieltag regnen wird.
Um die Quoten und die Vielzahl an Sportstatistiken dahinter zu durchblicken, sind ausgeklügelte Wahrscheinlichkeitsrechnungen notwendig. Nur so können logisch abgeleitete Aussagen darüber getroffen werden, welche Mannschaft oder welche einzelnen Spieler·innen die größeren Chancen haben zu gewinnen. Und nur wer Mathematik wirklich beherrscht, kann das Glück zum Sportwettengeschick drehen, was wohl auf die meisten Wettkund·innen nur theoretisch zutrifft.
Aber ja, es gibt Menschen, die beim Wetten über längere Zeiträume gewinnen – nicht zufällig, sondern kalkuliert. Professionelle Wettspieler·innen, die jahrelang die Systematik hinter Sportwetten studieren, den Wettmarkt beobachten, Quoten vergleichen, Software programmieren und daraus für sie profitable Entscheidungen treffen.
Der Witz: Sie sind bei Wettanbietern nicht gern gesehen und werden von diesen mitunter auch gesperrt, wie ein Wettprofi DOSSIER schildert. Ähnlich wie Kartenzähler·innen beim Blackjack im Kasino.
Spiel, Satz, Sieg – und Punkt
Wetten platzieren, das kann man heute auf so gut wie jedes Sportereignis – über das Internet, immer und überall: auf Cricket in Indien, Basketball in den Vereinigten Staaten oder Badminton in Japan. Das meiste Geld steckt aber im Fußball, dem beliebtesten Sport der Welt. Auf Spiele wie Manchester City gegen Inter Mailand im diesjährigen Champions-League-Finale lässt sich genauso wetten wie auf das Match ÍR Reykjavík gegen Haukar Hafnarfjörður, zwei isländische Fußballteams, die man nicht kennen muss – und eine Partie, bei der es den meisten Wettkund·innen wohl schon schwerer fällt, sich so zu informieren, dass ihr Geschick überwiegt.
Und dann lassen sich Wetten noch kombinieren, sogar unterschiedliche Sportarten miteinander: Sieg Manchester City kombiniert mit Sieg ÍR Reykjavík und Niederlage von Dominic Thiem im Tennis. Treten alle Ergebnisse wie getippt ein, steigt der Gewinn durch die Kombination deutlich – der Kick schlechthin. Aber nichts ist so aufregend, schnell und impulsiv wie Livewetten, das jüngste Zugpferd der Industrie.
So kann man etwa auch darauf wetten, welches Fußballteam das nächste Tor schießt. Ist das nun mehr Glück oder Geschick? Auch bei Wetten im Tennis lässt sich nicht nur auf das nächste Spiel, den nächsten Satz oder den Sieg tippen, sondern auch darauf, wer den nächsten Punkt macht. Live, während das Spiel läuft. Alles, was es braucht, ist ein bisschen Risiko und Bauchgefühl.
Und schon steht man mitunter am Anfang einer Geschichte, die in den seltensten Fällen im Reichtum, dafür aber immer öfter in der Armut endet. Denn mit dem Wachstum des Angebots und der Wetteinsätze ist auch die Anzahl jener gestiegen, die ihr Spielverhalten nicht mehr im Griff haben.
Wie Jahresberichte von österreichischen Hilfseinrichtungen zeigen, hat sich die Zahl der Wettsüchtigen in Wien innerhalb weniger Jahre verdoppelt, in der Steiermark vervierfacht. Darüber hinaus gibt es kaum belastbare Zahlen: In Österreich werden Sportwetten meist aus der Glücksspielforschung ausgeklammert, weil diese hierzulande ja nicht als Glücksspiele gelten.
Dabei liegt die Gefahr ähnlich wie beim Kleinen Glücksspiel in der Spielfrequenz. Je öfter und schneller man setzen kann, desto riskanter wird es. »Die dynamische Entwicklung auf dem Sportwettenmarkt, online wie offline, muss man zur Kenntnis nehmen«, sagt der Glücksspielforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen. »So wie Automaten- und Onlineglücksspiel haben Sportwetten ein hohes Suchtpotenzial«, so Hayer. Umso wichtiger sei daher der Spieler·innenschutz. Doch bei dem hat Österreich Nachholbedarf.
Während in Italien oder Spanien bereits Werbe- und Sponsoringbeschränkungen für Wettanbieter existieren und in Deutschland seit wenigen Jahren aktive Spieler·innen und Funktionär·innen nicht mehr für Wettanbieter werben dürfen, ist etwa im Burgenland noch das Wettengesetz aus dem Jahr 1919 in Kraft. Einschränkungen für Online- oder Livewetten? Fehlanzeige.
So kommt es, dass es in Österreich mehr lizenzierte Sportwettenanbieter als in ganz Deutschland gibt. Und nicht nur das: Österreichische Unternehmen haben sogar dabei mitgeholfen, das staatliche Sportwettenmonopol im Nachbarland zu kippen und den Markt zu öffnen. Wer wagt, gewinnt.
Das gilt – wenn schon nicht für die Spieler·innen – zumindest für die heimischen Wettanbieter. Oder auch: Frechheit siegt. So wie im Prater, wo trotz des Verbots des Kleinen Glücksspiels im Sportwettentempel auch heute noch Automaten bimmeln, von denen letztlich der Wettanbieter Admiral und der Konzern dahinter, die Novomatic AG, profitieren.
Gleich beim Eingang rechts wartet auf die Zocker·innen ein Areal mit Spielautomaten, den sogenannten Video Lottery Terminals. Betrieben werden sie von der Casinos-Austria-Tochter Winwin, an der die Republik Österreich indirekt Anteile hält. Die Geräte selbst stammen von der Novomatic, die natürlich auch an der Miete für den Raum in ihrer Arena verdient. So dreht sich alles im Kreis. Im Prater nennt man das Looping.