Werben im Strafraum

Werbung für Sportwetten ist überall, das Angebot aber alles andere als harmlos – denn Sportwetten können süchtig machen. Wie Sportverbände und Medien von dem Spiel mit der Sucht profitieren.

Text: Sahel Zarinfard; Illustration: Ulrich Fuchs

Sportwetten12.7.2024 

Während der Fußball-EM gibt es kein Halten. Dann werben Sportwettenanbieter auf allen Kanälen um die Wette. »Was tippst du?«, fragt Bwin. »Das Leben ist ein Spiel«, heißt es bei Bet at Home. Und Interwetten erklärt sein Angebot mit dem Slogan »Wetten ist unser Sport« gar zur eigenen Disziplin. Bei Großereignissen wie der Europameisterschaft laufen die Werbespots in Dauerschleife.

Kein Wunder, schließlich sitzt die für Sportwetten empfängliche Zielgruppe, die Fans, wie gebannt vor dem Schirm. Geht es darum, Aufmerksamkeit für sich zu nutzen, sticht ein Wettanbieter heraus. Erstmals in der Geschichte der Uefa wird 2024 eine EM von einem Sportwettenanbieter gesponsert: Betano, einer Firma mit Sitz in Oberösterreich. Damit läuft Sportwettenwerbung nicht mehr nur vor, während und nach jeder Spielübertragung. Man sieht die Reklame nun auch im Stadion.

Doch wie kommt ein Wettunternehmen aus Österreich zu so einem Deal? Hier lohnt ein Blick auf die Eigentumsverhältnisse: Betano ist eine Marke der Betkick Sportwettenservice GmbH, und diese gehört wiederum dem IT- und Glücksspielkonzern Kaizen Gaming mit Sitz in Malta. Der kleine EU-Staat ist wegen laxer Gesetze ein Schlaraffenland für Glücksspielunternehmen.

Dass sich internationale Konzerne für Sportwettenanbieter aus Österreich interessieren, ist nichts Ungewöhnliches. Unternehmen wie Bwin, Bet at Home und Interwetten sind hier gegründet und aufgebaut worden und haben dann mithilfe von Firmen auf beziehungsweise Lizenzen aus Malta den europäischen Glücksspielmarkt erobert. Alles Erfolgsgeschichten, von denen allerdings nur wenige profitieren.

Was harmlos mit ein paar Euro Einsatz auf ein Ergebnis beginnt, endet mitunter in einer Spielsucht – mit drastischen Folgen für die Betroffenen und ihre Ange­hörigen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Wettsüchtigen in Österreich kontinuierlich gestiegen: ­­In Wien etwa hat sie sich verdoppelt, in der Steiermark gar vervierfacht.

Während Werbung für andere Suchtmittel wie Tabak oder Alkohol aus gutem Grund reguliert ist, gibt es für Sportwetten in Österreich keine Werbebeschränkungen. 

Das ist einem Umstand geschuldet, der europaweit seinesgleichen sucht und für die Entwicklung der ­Branche ein Segen ist: Als einziges EU-Land stuft Österreich Sportwetten nicht als Glücks-, sondern als Geschicklichkeitsspiele ein. Die Vorteile für die Anbieter? Glücksspiele unterliegen strengeren Gesetzen. Darüber hinaus sind Sportwetten als Geschicklichkeitsspiele Ländersache – das heißt: neun Länder, neun Gesetze. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber: Keines der Wettengesetze regelt Werbung oder Sponsoring. 

Deswegen werben Sportwettenanbieter so viel und überall dort, wie und wo sie es für richtig halten. Davon profitieren nicht nur sie. Auch Medien und Fußballvereine schneiden ordentlich mit. In Österreich haben inzwischen alle Klubs der Fußball-Bundesliga den Pakt mit der millionenschweren Wettbranche geschlossen. Geld für Werbeflächen – genau dort, wo die Fans hinschauen. Selbst dann, wenn das Geld, wie im Fall von EM-Hauptsponsor Betano, aus illegal eingenommenen Wetteinsätzen stammt.

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