Ein Meilenstein jagt den nächsten: der erste Sportwettenanbieter, der den Fußballverband Fifa bei einer WM, jener in Katar, gesponsert hat, jetzt der erste Sportwettensponsor der Uefa bei der heute startenden Fußball-EM in Deutschland. Das Glücksspielunternehmen Betano mischt bei den ganz Großen mit und ist just im Heimatland Österreich ein unbekannter Player.
Hinter der Marke steht die 2007 gegründete Betkick Sportwettenservice GmbH mit Sitz in Hohenzell, einer rund 2.300 Einwohner·innen kleinen Gemeinde in Oberösterreich. Seit Ende 2019 bietet das Unternehmen in Österreich zwar keine Sportwetten mehr an, das operative Geschäft wird aber weiterhin von hier aus mit sechs Angestellten geführt.
Wie kommt eine eher überschaubare Firma zu Deals mit den einflussreichen Verbänden Fifa und Uefa? Ein Blick auf die Eigentümer liefert erste Antworten: Betkick gehört seit 2018 dem global agierenden IT- und Glücksspielkonzern Kaizen Gaming mit Sitz in Malta – einem Schlaraffenland für Glücksspielunternehmen.
Dass sich internationale Konzerne wie die Kaizen-Gruppe für Sportwettenanbieter aus Österreich interessieren, ist nichts Ungewöhnliches. Viele Unternehmen wie Bwin, Interwetten und Bet at Home sind in Österreich gegründet worden und eroberten mithilfe von maltesischen Mutterfirmen den europäischen Sportwettenmarkt.
Ihren Erfolg haben sie einer Besonderheit zu verdanken, die EU-weit in keinem anderen Staat gelingt: Als einziges EU-Land stuft Österreich Sportwetten nicht als Glücks-, sondern als Geschicklichkeitsspiele ein.
Das hat Vorteile für die Anbieter: Glücksspiele unterliegen strengeren Gesetzen, weil die Republik darauf ein Monopol hat. Als Geschicklichkeitsspiele sind Sportwetten hingegen Ländersache – mit allem gesetzlichen Wirrwarr, das damit einhergeht. So kommt es, dass in Österreich allein in fünf Bundesländern 39 Sportwettenanbieter zugelassen sind. Zum Vergleich: In ganz Deutschland sind es lediglich 30 Anbieter, darunter Betano – doch das war nicht immer so.
Das Unternehmen hat erst seit 2021 eine aufrechte Lizenz, obwohl es bereits seit 2018 auf dem deutschen Glücksspielmarkt tätig ist. Über Jahre hat Betano ohne Konzession und ohne vorgeschriebene Schutzmaßnahmen Onlinesportwetten in Deutschland angeboten und zahlreiche Spieler·innen abgezockt.
Wegen dieses illegalen Angebots ist der EM-Hauptsponsor wenige Wochen vor Anpfiff im Gastgeberland Deutschland rechtskräftig verurteilt worden. Der klagende Spieler hat Anspruch auf Rückzahlung seiner Wettverluste – und mit ihm weitere Geschädigte. Für Betano dürfte der finanzielle Schaden in die Millionen gehen, einen Imageverlust muss man aber kaum befürchten.
Der Fußball ist immer stärker von der Wettbranche abhängig. Dankend nehmen Verbände und Vereine das Geld von Sportwettenanbietern an und platzieren deren Logos auf Trikots oder an den Banden. Auch Medien profitieren. Sportwettenwerbung ist gerade bei Großereignissen wie der EM allgegenwärtig: im Stadion, in Zeitungen, im Fernsehen. Fußballfans kommen so kaum an den Botschaften der Industrie vorbei – obwohl sie besonders davor zu schützen wären. Keine andere Zielgruppe ist anfälliger für eine Spielsucht als die Fans.
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Top, die Wette gilt nicht
Dass Betano vor Gericht verlieren würde, war trotz fehlender Lizenz nicht vorprogrammiert. Der Kläger, ein heute 32-jähriger Versicherungsvertreter, hatte 2018 Onlinesportwetten bei Betano abgeschlossen und in etwas mehr als zwei Monaten rund 12.000 Euro verloren. Als er später erfuhr, dass der Anbieter zu diesem Zeitpunkt keine Konzession gehabt hatte, suchte er juristischen Rat und landete bei Rechtsanwalt Thomas Schopf.
»Wir haben in Deutschland ein ziemliches Versagen erlebt, was die Glücksspielregulierung zwischen 2012 und 2020 angeht«, sagt Schopf im DOSSIER-Interview. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hatte das Glücksspielmonopol in Deutschland gekippt, der gesamte Glücksspielmarkt musste daraufhin reformiert werden.
Bis 2020 eine Lösung gefunden wurde, verging viel Zeit, in der »Glücksspielanbieter komplett unreguliert machen konnten, was sie wollten«, sagt Schopf. So auch Betano. Der graue Markt spielte dem Anbieter in die Hände, denn – so die Argumentation: Was nicht verboten ist, ist erlaubt.
Doch zusätzlich zur fehlenden Lizenz hat Betano auch mit seinem Angebot gegen das Gesetz verstoßen. Das Einsatzlimit von 1.000 Euro im Monat wurde nicht eingehalten. Damals verbotene Ereigniswetten – etwa auf das nächste Tor – konnten abgeschlossen werden. Zudem waren auf der Betano-Website neben Sportwetten Onlineglücksspiele zu finden – ein Angebot, das im Lizenzierungsverfahren definitiv nicht zugelassen worden wäre.
Im Instanzenzug entschied das Oberlandesgericht Dresden zugunsten des klagenden Spielers, auch der Bundesgerichtshof, das deutsche Höchstgericht, stimmte dem Urteil zu. Betano muss die Wettverluste von rund 12.000 Euro zurückzahlen – und mit weiteren Schadenersatzklagen rechnen. »Die Klagewelle läuft bereits, wir waren nur die Speerspitze. Betano muss mit einem Haufen Ansprüche rechnen«, sagt Rechtsanwalt Schopf.
Der abhängige Fußball
Wohin indes die mitunter illegal erworbenen Wetteinsätze geflossen sind, kann man etwa an den Sponsoringaktivitäten von Betano beobachten. Nach dem Markteinstieg in Deutschland 2018 sponserte das Unternehmen die Fußballvereine Hannover 96 und VfB Stuttgart. Prestigeträchtiger und wohl auch teurer ist der aktuelle Vertrag mit der Uefa.
Wie viel Geld geflossen ist, wollen weder der Fußballverband noch Betano auf Nachfrage offenlegen. Auch zu weiteren Fragen wollten sie keine Stellungnahme abgeben. Dabei wiegen die Vorwürfe schwer.
»Dass die Uefa einer Firma, die bis vor kurzem noch illegal Sportwetten in Deutschland angeboten hat, eine Bühne bietet, halte ich für einen Skandal«, sagt etwa Konrad Landgraf, Geschäftsführer der Landesstelle für Glücksspielsucht in Bayern. Er ist zudem Mitinitiator des Bündnisses gegen Sportwettenwerbung, einer von Fußballfans und Hilfseinrichtungen gegründeten Initiative, die auf die Gefahren von Sportwettenwerbung aufmerksam macht.
Landgraf sagt, dass speziell »Sportwetten durch massive Werbeausgaben gepusht werden. Man kommt gar nicht mehr umhin, auf allen Kanälen wird Werbung dafür eingeblendet. Das führt zu einer Normalisierung von Sportwetten. Außerdem verdienen ziemlich viele mit: die Werbeindustrie, die Medien, der Staat selbst, die Vereine und natürlich die Anbieter.«
Während einige profitieren, bleiben jene auf der Strecke, für die Fußball mehr als nur ein Hobby ist: die Fans. Sie fiebern mit ihren Lieblingsmannschaften mit und verfolgen jedes Spiel – emotional und oftmals mit gezückter Kreditkarte. Auf das eigene Team zu setzen wird von einer rationalen Überlegung zur Ehrensache.
Koste es, was es wolle: Einkommen, Ersparnisse, von Familie und Freund·innen geliehenes oder gestohlenes Geld – Wetten bis zum Existenzminimum. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Wettsüchtigen in Österreich kontinuierlich gestiegen: In Wien hat sie sich verdoppelt, in der Steiermark gar vervierfacht.
Müssten Fußballvereine und die Politik mehr auf die Fans achten und sie vor den Gefahren einer Spielsucht schützen? Wie geht etwa das EM-Gastgeberland Deutschland mit diesem Thema um?
Burkhard Blienert, Beauftragter der deutschen Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, schreibt auf Nachfrage: »Sportwettenanbieter machen ihren Profit mit nichts anderem als dem Geld der Fans. Die Uefa hat eine Verantwortung für die Fans. Wer Geld aus gesellschaftlich problematischem Sponsoring erhält, der muss auf der anderen Seite auch Geld in die Prävention stecken.«
Im Vorfeld der EM hätten verschiedene Player Aufklärungs- und Präventionsspots veröffentlicht, »das alles reicht aber noch nicht. Wir brauchen hier bei uns zum Beispiel ganz dringend engere Grenzen für die Sportwettenwerbung«, sagt Blienert.
Einige EU-Staaten gehen bereits gesetzlich gegen die omnipräsente Sportwettenwerbung vor: In den Niederlanden etwa sind seit 2024 Programm- und Eventsponsoring von Sportwettenanbietern verboten, ab 2025 ist jede Art von Sportwettenwerbung in Sportklubs untersagt. Auch in Spanien sind Sponsorenverträge mit Glücksspielanbietern verboten.
Und in Österreich? Keines der neun Wettengesetze der Bundesländer regelt den Bereich Werbung und Sponsoring. Sprich: Sportwettenanbieter dürfen so viel und überall dort werben, wie und wo sie es für richtig halten.
So kommt es, dass rund 90 Prozent der Profivereine in den beiden höchsten Spielklassen Werbeverträge mit Wettanbietern haben. In der Bundesliga hatte nur der Linzer Athletik-Sport-Klub (LASK) bis vor kurzem keinen Wettanbieter als Sponsor. Seit 2024 wird aber auch der LASK vom türkischen Anbieter Nerobet als »Premium Partner« finanziert – einem Unternehmen, das nicht einmal eine aufrechte Lizenz in Österreich hat.
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