
Sieg und Niederlage liegen im Sport oft nah beieinander. In einem Augenblick ist der Triumph zum Greifen nahe, im nächsten alles verloren. Das macht es so spannend – und oft tragisch. Während in diesen Momenten alle Augen auf die Sportler·innen gerichtet sind und für sie und ihre Fans Träume in Erfüllung oder Welten untergehen, klingeln anderswo die Kassen: Im Verborgenen wechseln im Moment der Entscheidung Wetteinsätze, mitunter in Milliardenhöhe, ihre Besitzer·innen. Willkommen in der Welt der Sportwetten! Einer Welt, die so faszinierend wie trügerisch ist – und durchaus auch gefährlich.
Sportwetten sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Immer mehr Menschen setzen täglich Geld auf den Ausgang von Sportveranstaltungen – und immer mehr verlieren es. Die Zahl der Wettsüchtigen steigt. Oft sind es junge, sportaffine Männer, nicht selten mit Migrationshintergrund, die dem Irrglauben aufsitzen, ihr Sportwissen zu schnellem Geld machen zu können. Auf sie hat es die Industrie mit ihren Werbespots besonders abgesehen.
Bereits während der Fußballweltmeisterschaft 2022 hat unsere Arbeit an diesem Magazin begonnen. DOSSIER-Redakteurin Sahel Zarinfard fiel auf, wie Wettanbieter mit fragwürdigen Versprechen lockten. Damals galt ihr Interesse vor allem der Werbefinanzierung des ORF und dessen Verstrickungen mit Österreichs Glücksspielindustrie. Aber wie so oft im Journalismus führte das eine zum anderen: Die Vielzahl an TV-Spots weckte zunächst Sahels, dann auch die Neugier des Teams.
Und so kam es, dass wir diesmal Sportwetten unter die Lupe genommen haben; ein Milliardengeschäft, in dem just das kleine Österreich Branchenriesen wie Bwin, Bet at Home oder Admiral hervorgebracht hat. Kein Wunder: Österreich ist ein Eldorado für die Industrie. Das »Malta der Alpen« nennt es der deutsche Sozialwissenschaftler und Journalist Dietmar Jazbinsek, der seit Jahren zu Sportwetten recherchiert und uns mit seinem Wissen an etlichen Stellen im Heft geholfen hat.
Denn liberaler als hierzulande, das geht in Europa fast nicht. Als einziger EU-Staat stuft Österreich Sportwetten nicht als Glücks-, sondern als Geschicklichkeitsspiele ein. Die Folgen: eine Politik, die sich nicht zuständig fühlt, lasche Gesetze, keine zentrale Aufsichtsbehörde, mangelhafter Spieler·innenschutz und natürlich keine Rede von Werbebeschränkungen. Stattdessen lautet das Motto: Alles geht! Dabei verhält es sich bei Sportwetten ähnlich wie mit dem Rauchen – wer nicht raucht, wird nicht süchtig.
Doch während in unserer Gesellschaft inzwischen Konsens darüber herrscht, dass Rauchen schädlich ist und daher nicht beworben werden darf, ist das bei Sportwetten anders. Trotz ihres Suchtpotenzials bleibt der öffentliche Aufschrei bisher aus. Das liegt auch daran, dass nicht nur die Wettanbieter, sondern immer mehr Sportverbände und -vereine, führende Medien des Landes und sogar der Staat vom Geschäft profitieren. Die Zeche für die Folgeschäden, die bezahlen letztlich aber alle. Grund genug, genauer hinzusehen. Apropos Hinsehen: Der Schwerpunkt wurde diesmal vom großartigen Ulrich Fuchs illustriert. Wir wetten, dass es Ihnen gefällt.