Text: Dominik Blümel, Florian Skrabal
Visualisierung: Markus Hametner, Jakob Listabarth
Daten: Dominik Blümel
Wenn Kommerz auf Fankultur trifft, kann die Stimmung schnell kippen. Darüber kann Hans Jürgen Jandrasits einiges erzählen. Seit Frühling 2023 führt er die Geschäfte des Linzer Athletik-Sport-Klubs (LASK), zuvor war Jandrasits beim FC Red Bull Salzburg für die Finanzen zuständig.
Als Red Bull 2005 den finanziell maroden Fußballklub SV Austria Salzburg übernahm und mit dem Umbau begann, löste das einen der größten Fanproteste aus, die es in Österreich bis dahin gegeben hatte. In viel kleinerem Ausmaß gibt es aktuell auch in Linz Unmut wegen eines Geldgebers. Der Stein des Anstoßes ist dort rosarot – wie die Firmenfarbe des Wasseraufbereiters BWT.
Seit das Unternehmen 2019 als Sponsor bei dem Klub eingestiegen ist, laufen die Spieler immer wieder einmal in zartpinken Dressen aufs Feld. Und das wurmt viele Fans, sind die traditionellen Vereinsfarben ja Schwarz und Weiß. Doch Jandrasits hat im DOSSIER-Interview auch etwas zu noch heikleren Themen zu sagen: zur Rolle von Sportwettenanbietern als Sponsoren im Fußball.
Zu den gesellschaftlichen Auswirkungen von Sportwetten, Stichwort Wettsucht. Und zur Vorbildfunktion der Republik Österreich, die selbst an den Casinos Austria beteiligt ist und daran verdient, dass Leute zocken. Doch leider darf DOSSIER aus dem Gespräch nicht zitieren. Jandrasits verweigerte die Freigabe seiner Zitate. Was war passiert?
Der LASK hatte – zumindest bis Redaktionsschluss – ein Alleinstellungsmerkmal in Österreichs oberster Spielklasse. Als einziger Bundesligaklub hatte der Verein in der vergangenen Saison keinen Wettanbieter als Sponsor. Das liegt aber nicht daran, dass man deren Geld kategorisch ablehnt.
Schon jetzt hat Marktführer Admiral auch beim LASK einen Fuß in der Tür. Die Firma ist »1908 Business Club Partner«, bezahlte also bisher für eine Saisonkarte im VIP-Bereich. Nach DOSSIER-Informationen steht der Klub nun offenbar in Verhandlungen über ein Sponsoring mit einem Wettanbieter – und Jandrasits machte einen Rückzieher. Das sagt mehr als tausend Worte. Wer nicht mitzieht, ist finanziell im Nachteil.
Ohne Sportwetten kein Sport
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich Sportwettenanbieter ins Herz des österreichischen Fußballs gespielt. Ob im Vereinsnamen, auf dem Trikot, an der Bande oder auf der Saisonkarte – wer hierzulande Fußball spielt oder den Sport verfolgt, kommt an den Botschaften der Wettindustrie kaum noch vorbei.
Am auffälligsten ist das bei Großereignissen wie der Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Damals erhob und analysierte DOSSIER alle Werbespots, die vor, während und nach den Spielen im ORF und beim Privatsender Servus TV liefen. Wenig überraschend war keine Branche präsenter als die der Sportwetten (siehe DOSSIER-Magazin zum ORF).
Aber auch abseits der WM machen sich die Sportwettenanbieter breit. Nicht nur mit dem Sponsoring in der Bundesliga. In der 2. Liga wurden in der Saison 2022/23 nur zwei Klubs nicht gesponsert: der FC Liefering aus Salzburg und der SV Licht-Loidl Lafnitz aus der Steiermark. Insgesamt erhielten in der vergangenen Saison 88 Prozent der Profivereine in den beiden höchsten Spielklassen eine Form des Sponsorings von Wettanbietern.
Spitzenreiter ist der FAC Wien, der in der 2. Liga kickt und gleich zwei Wettsponsoren und einen Glücksspielkonzern auf seiner Website ausweist: Cashpoint, Admiral und Winwin.* Und selbst in den Regional- und Landesligen, wo überwiegend Amateurfußball gespielt wird, ist die Branche inzwischen präsent.
*Erratum: Wir zählten Winwin irrtümlich als Wettanbieter und wiesen dem FAC daher drei Sportwettensponsoren zu. Winwin betreibt Glücksspielautomaten und bietet keine Sportwetten an.
Wie eine DOSSIER-Analyse zeigt, kassierten zuletzt 28 Regionalliga- und 30 Landesliga-Vereine Geld von Admiral und Co (siehe Grafik). Vereine, die auch in höheren Ligen vertreten sind, sind hier nicht enthalten.
Werbeschaltungen rund um Events wie die WM und das Sponsoring von Vereinen sind für Wettanbieter mittlerweile ein »no-brainer«. Mit Sponsorings optimieren die Anbieter ihr Marketing. Sie präsentieren sich als Förderer des Sports und sprechen treffsicher und direkt ihre Zielgruppe an: die Sportfans.
Ein Hauptsponsor auf dem Trikot kann in einer guten Saison schnell als Teil des Erfolgs gesehen werden. Auch von Kindern und Jugendlichen. Die Sportwette wird zur Normalität und stellt Prinzipielles auf den Kopf. Aus »Ohne Sport keine Sportwette« wird »Ohne Sportwette kein Sport«.
»Direkt abhängig«
Während es anderenorts aus Fankurven Proteste gegen die Vereinnahmung des Sports durch die Wettindustrie gibt, ist es in Österreich erstaunlich ruhig. Auch von Werbe- und Sponsoringbeschränkungen, wie sie etwa in Italien oder Spanien eingeführt wurden, ist man hierzulande weit entfernt. Allein der Anschein einer Verschärfung genügt, und schon geht die Branche auf die Barrikaden – und muss ihr Lobbying nicht mehr allein betreiben.
Sie kann auf die tatkräftige Unterstützung von Sportverbänden zählen, wie sich 2021 zeigte: Damals wollten die Regierungsparteien ÖVP und Grüne das Glücksspielgesetz neu regeln. Prompt erhielt Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) einen Brief.
»Sollten Werbe- und Sponsoringbeschränkungen für Sportwetten umgesetzt werden, würde eine wesentliche jährliche Budgetsäule des österreichischen Breiten- und Spitzensports wegfallen«, heißt es in dem Schreiben, wie das Nachrichtenmagazin Profil berichtete. »Die Sportwett- und Glücksspielunternehmen leisten neben der öffentlichen Hand einen wichtigen Beitrag für alle Ebenen im österreichischen Sport.«
Sowohl der Breiten- als auch der Spitzensport seien »großteils direkt, aber auch indirekt über die berichterstattenden Medien, von Kooperationen aus diesem Bereich abhängig«. Gezeichnet: die Fußball-Bundesliga, der Eishockeyverband, der Handballbund, der Volleyball- und der Basketballverband. Bezeichnend: Sie alle werden von Sportwettenanbietern gesponsert. Drei der fünf Ligen tragen ihre Geldgeber im Namen.
Die heimische Fußball-Bundesliga heißt seit 2008 wie eine Wettfirma. Zuerst war Tipp 3 und danach Tipico Wettpate, heute ist es Admiral. Das Unternehmen aus Gumpoldskirchen sponsert zudem erstmalig nicht nur die oberste Spielklasse, sondern auch die 2. Liga. Um den Fans Sportwetten schmackhaft zu machen, spannt Admiral die gesponserten Fußballvereine vor den Karren.
Das sieht dann zum Beispiel so aus: Man lanciert ein kostenloses Gewinnspiel wie das »Admiral Sixpack«. Um mitzumachen, muss man sich lediglich mit seiner E-Mail-Adresse registrieren und seinen Lieblingsverein angeben. Schon kann getippt werden. Gratis, auf sechs Spiele einer Runde, als Hauptpreis winkt knapp eine Million Euro.
Neben Sachpreisen verschenkt Admiral auch Wettguthaben. So schließt sich elegant der Kreis von der harmlosen Tippwette zum richtigen Wettgeschehen. Besonders clever: Damit das Marketing nicht unmittelbar mit dem Anbieter in Verbindung gebracht wird, lässt Admiral die Fußballklubs die Werbetrommel rühren. Sie bringen über ihre Social-Media-Kanäle die frohe »Sixpack-Kunde« unter die Fans. Schön in Vereinsfarben getunkt und mit Wappen verziert.

Problembewusstsein? Fehlanzeige!
Auch der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) ist mit von der Partie: Tipp 3 und Admiral zählen zu seinen wichtigsten Sponsoren. Und wie geht der ÖFB damit um, dass man als riesiger Verband zum Werbeträger eines Produkts wird, das Gefahren wie Spielsucht mit sich bringt und durch Wettbetrug auch den Sport an sich schädigt?
»Leider ist es so, dass viele Produkte bei starker Nutzung potenzielle Risiken für ihre Konsumenten bergen – von Lebensmitteln über Getränke bis hin zu Internetnutzung beziehungsweise Social-Media-Konsum«, schreibt eine ÖFB-Sprecherin auf Anfrage.
»Im Sportwettenbereich haben wir eine besondere Risikogruppe, die auch mit der breiten Vermarktung zusammenhängt«, sagt hingegen Tobias Hayer, Glücksspielforscher an der Universität Bremen. Besonders Mitglieder von Sportvereinen seien anfällig dafür, in die Suchtspirale zu geraten.
Daher habe Hayer kein Verständnis dafür, dass »so getan wird, als ob die Produkte von Wettanbietern ähnlich harmlose Produkte wie Milch seien«. Aus diesem Grund ist es beispielsweise in Deutschland inzwischen verboten, dass aktive Spieler·innen und Funktionär·innen mit Testimonials für Wettanbieter werben.
2022 wurde in Deutschland das Bündnis gegen Sportwetten-Werbung gegründet, »eine Initiative von Fan-Organisationen im Fußball« sowie »Institutionen und Einzelpersonen, die zur Thematik Sportwetten (und Glücksspiel allgemein) in der Präventionsarbeit, Forschung, Sucht- oder Selbsthilfe tätig sind«. Der Name ist Programm und »eine weitestgehende Einschränkung von Sportwettenwerbung« das Ziel.
»Uns geht es salopp gesagt tierisch auf den Nerv, dass alles mit Sportwetten verknüpft wird. Die Sportwettenbranche versucht zu suggerieren, dass Sportwetten und Sport eine Einheit wären. Dem ist nicht so. Die Sportwette ist auf den Sport angewiesen, umgekehrt gilt das aber nicht«, sagt Konrad Landgraf vom Bündnis zu DOSSIER. Es sei toll, dass die Kritik aus der Ecke der Fans laut geworden sei und »nicht nur von den üblichen Verdächtigen kommt, die Sportwetten immer schon kritisch gesehen haben«, sagt er.
»Das Bündnis will, neben der Politik, auch Druck auf die Sportvereine ausüben, die viel Geld mit Sponsoring und Werbeverträgen für diese hochriskanten Glücksspiele verdienen«, so Landgraf. Erste Ergebnisse gibt es schon.
Der deutsche Zweitligist FC St. Pauli und der Bundesligist 1. FSV Mainz 05 beendeten mit Ende der Saison 2022/23 ihre Zusammenarbeit mit Sponsoren aus der Wettindustrie. Und derweil in Österreich? Mit dem LASK könnte nun auch das letzte wettanbieterwerbefreie gallische Dorf unter Österreichs Bundesligisten fallen. Ob es dann zu Protesten der traditionsbewussten Fans kommt, die schon bei den Trikotfarben auf die Barrikaden steigen, ist fraglich.
Auf Anfrage heißt es von der Fan-Initiative Schwarz-Weiß: »Ehrlicherweise haben wir intern dazu bisher gar keine Leitlinie erarbeitet.« Mal sehen, ob sich das ändert, sollte der LASK von einem Wettanbieter gesponsert werden. Oder ob die Fans dieses Sponsoring durch die rosarote Brille sehen.