Eine Illustration, gezeichnet mit schwarzer Tusche. Man sieht eine Hand, die eine Spritze hält. In der Spritze sind anstelle einer Flüssigkeit Sportbälle: ein Fußball, ein Basketball, ein Tennisball, ein Golfball und ein Baseball. Die Hand führt sich die Spritze zum linken Arm und ist kurz davor, sich den Inhalt der Spitze zu injizieren.

Alles für den Kick

Die Zahl der Wettsüchtigen steigt. In der Steiermark hat sie sich seit 2016 vervierfacht. Psycholog·innen, ­Leiter·innen von Hilfseinrichtungen und ein Betroffener ­berichten von der ­Gefahr.

Text: Sahel Zarinfard

Sportwetten13.8.2023 

Für Fußball hat er sich immer schon interessiert. Der Sport war für ihn mehr als nur ein ­Hobby, er war seine Leidenschaft. Schon mit sieben Jahren, sagt Stefan Resch, hat er sich über jede Mannschaft und einzelne Spieler informiert.

Der 34-Jährige erzählt mit ruhiger Stimme von seiner Kindheit in einer kleinen Gemeinde in der Steiermark. An seinen ersten Wettschein als ­Jugendlicher kann er sich genauso gut erinnern wie an die Heimlichtuerei vor seinen Eltern.

Die anfangs harmlose Freizeitbeschäftigung geriet nach und nach ­außer Kontrolle – bis Stefan Resch sein ­Leben nicht mehr im Griff hatte. Alles drehte sich nur mehr um Sportwetten. Wenn er heute über seine Spielsucht spricht, dann fällt ein Wort immer wieder: »Nervenkitzel«.

Der Nervenkitzel, der war schon ziemlich früh da. Das ist das, was Sportwetten wirklich ausmacht. Um Geld ist es nur eine kurze Zeit lang gegangen, danach war es der Nervenkitzel. Es ist ein dauerhaftes Kribbeln, eine dauerhafte Unruhe. Das war extrem. Und mit Livewetten noch viel extremer. Das war der Höhepunkt. Bei Livewetten hat man in kürzester Zeit einen Nervenkitzel, den ich mit nichts anderem vergleichen kann. Und je mehr man spielt, desto mehr wird man von diesem Nervenkitzel abhängig.

Der Drang nach Reiz überlagerte bei Resch alles: Er vergaß die Zeit, belog seine Familie und bestahl seine Ehefrau. Psycholog·innen sprechen in diesem Zusammenhang vom sogenannten Sensation S­eeking, der Suche nach Spannung.

»Der Reiz ist der Nervenkitzel, das ist das psychologische Element beim Glücksspiel. Das Spielen wird zum zentralen Lebensinhalt, Verhaltensmuster vor dem oder während des Spielens werden zu Ritualen. Menschen sind auf der Suche nach neuen Erlebnissen, da geht es auch darum, Langeweile loszuwerden, oder um die Ablenkung von Belastungen«, sagt Bettina Quantschnig, Psychotherapeutin und Spielsuchtexpertin. Aus der Spannung kann rasch eine Anspannung werden, schneller, als sich Betroffene das eingestehen wollen.

Livewetten, die Resch als Höhepunkt des Nervenkitzels beschreibt, spielen dabei eine zentrale Rolle. Das sind Wetten, die auch nach Anpfiff abgegeben werden können. Man setzt dabei in Echtzeit und während der Übertragung beispielsweise auf den Spielstand zur Halbzeit oder darauf, mit welcher Tordifferenz das Spiel ausgehen wird.

Im Internet, wo heute die meisten Spieler·innen ihre Wetten platzieren, gibt es dafür ein breites Angebot – vom legalen Setzen auf Ergebnisse bis hin zu in Österreich illegalen Wetten auf Ereignisse: Welche Mannschaft bekommt den nächsten Eckball oder eine rote ­Karte?

Je schneller die Entscheidungsfindung, je größer der Zeitdruck, desto größer die Suchtgefahr. Die Glücksspielforschung vergleicht Ereigniswetten deshalb mit dem Kleinen Glücksspiel, also mit Glücksspielautomaten: »Verfügbarkeit ist ein zentrales Merkmal zur Bestimmung des Suchtpotenzials. Zudem bedeuten Livewetten Entscheidungen über den Spielausgang quasi im Sekundentakt, verbunden mit den entsprechenden Emotionen. Diese Dynamik aus Spielgeschwindigkeit und Verfügbarkeit bedeutet in der Regel hohe Suchtgefahr«, sagt Glücksspielforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen.

Wie viele Personen in Österreich betroffen sind, zeigen die Jahresberichte der Hilfseinrichtungen. So werden etwa bei der Wiener Spielsuchthilfe aktuell 631 Menschen betreut, von den im Jahr 2022 rund 210 neu Hinzugekommenen gaben etwa 43 Prozent an, wettsüchtig zu sein – ein Wert, der sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt hat.

In der Steiermark fällt der Anstieg noch gravierender aus: »Wir haben jährlich die Erhebung der Spielarten ­jener Menschen, die neu dazukommen. Sportwetten sind ein großes Thema bei uns. Die Zahl hat sich seit 2016 vervierfacht«, sagt Monika Lierzer, Leiterin der steirischen Fachstelle für Glücksspielsucht.

In beiden Bundesländern spielen die Betroffenen auch online: In Wien sind es rund 30 Prozent. In der Steiermark nutzen 75 Prozent der Betroffenen gar ausschließlich Onlineangebote.

Der Sportwettenmarkt boomt. Die Digitalisierung hat das Angebot entscheidend erweitert: Wettkund·innen können ihre Tipps nicht mehr nur in Wettlokalen, Tankstellen, Trafiken oder Gasthäusern abgeben, sondern zu jeder Uhrzeit und auch von unterwegs. Das  Smartphone stets griffbereit für die nächste Wette.

Der Wettbewerb bekommt dadurch eine neue Dynamik: aggressives Marketing, höhere Spielgeschwindigkeiten, neue Spiel­varianten, immer attraktivere Neukund·innen-Boni – ungeachtet der Gefahren, die damit einhergehen.

Eine durch die Werbung verstärkt angesprochene Zielgruppe ist besonders gefährdet: junge Männer, teils mit Migrationshintergrund, aus eher bildungsfernen Haushalten, aufgewachsen in sozial benachteiligten Gebieten und mit geringem Einkommen.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist ihre große Affinität zu Sport, insbesondere zu Fußball. »Es liegt ja auf der Hand, warum das so ist. Man wird nie eine Sportwette platzieren, wenn man nicht sportbegeistert und ein Fan ist«, sagt Tobias Hayer.

Aller Anfang ist harmlos

Als Stefan Resch Anfang der 2000er-Jahre seine erste Wette abgibt, ist er 14 Jahre alt. In der Bankfiliale seiner steirischen Heimatgemeinde füllt er einen Wettschein von Tipp 3 aus. Auf den ersten folgten bald weitere. In Österreich darf man zwar erst ab dem Alter von 18 Jahren wetten, doch das war bei ihm kein Thema.

Niemand hat ihn je nach dem Ausweis gefragt, sagt Resch. Noch heute gilt nicht in allen Bundesländern eine gesetzlich zwingend vorgeschriebene Ausweispflicht, etwa in der Steiermark, wo der Ausweis nur »im Zweifelsfall« kontrolliert werden muss. Dem jungen Stefan Resch, einem glühenden Rapid-Fan, sollte das damals nur recht sein.

Ich habe gedacht, da ich schon so viel weiß über Fußball, dass ich natürlich der perfekte Experte bin, was Wetten betrifft. Da kann man eigentlich nur gewinnen – das war aber nicht so. Natürlich hat man Glückssträhnen und glaubt, man ist ein Spezialist. Ich war davon überzeugt, dass ich Experte bin, was Fußball betrifft. Das ist, glaube ich, jeder, der auf Sport wettet. Man wird in den meisten Fällen eines Besseren belehrt und merkt: Mit Können hat das überhaupt nichts zu tun. Es ist ein reines Glücksspiel, weil man eben von anderen Menschen abhängig ist, das sehen aber die wenigsten.

Die sich selbst zugeschriebene Expertise nennt die Wissenschaft »Kontrollillusion«. Diese Art der kognitiven Verzerrung bewirkt bei Spielsüchtigen, dass sie glauben, den Spielausgang durch Fachkenntnisse vorhersagen zu können. Das führt dazu, dass sie sich selbst und ihr eigenes Wissen überschätzen.

Schließlich haben die Spieler·innen viel in ihre Entscheidungsfindung investiert: angefangen bei der zeitintensiven Recherche nach relevanten Informationen über die Analyse von Spielstatistiken bis hin zum Vergleichen der Quoten von unterschiedlichen Wett­anbietern. Was sie dabei oftmals außen vor lassen, ist der Zufallsfaktor eines Spiels – das Ballglück, wenn man so will.

»Das ist genau die Illusion, die viele Sportwetter·innen haben, und es ist ganz schwer für sie zu akzeptieren, dass ihr Wissen ihnen nichts bringt. Wenn sie gewinnen, dann haben sie es eh gewusst. Wenn sie aber verlieren, dann war es der Schiedsrichter, das Wetter oder jeder andere äußere Umstand, auf den sie keinen Einfluss nehmen konnten«, sagt die Leiterin der steirischen Fachstelle für Glücksspielsucht, Monika Lierzer. Diese kogni­tive Verzerrung, die auch »magisches Denken« genannt wird, wirkt bei der Sportwettensucht wie ein Brandbeschleuniger.

Auch weil die Werbung der Wettanbieter auf den vermeintlichen Vorteil durch Kenntnisse abzielt. Die Slogans der Unternehmen strotzen nur so davon: »Du kennst jede Statistik?«, fragt etwa Admiral. »Jetzt dein Expertenwissen unter Beweis stellen«, fordert Interwetten auf und verspricht einen Gewinn von 100.000 Euro. Stefan Resch hat sein Fußballwissen nicht viel genutzt. Im Gegenteil, er hat mehr Geld verloren als gewonnen.

Das Leben ist kein Spiel

Als die Tipp-3-Scheine aus der Bankfiliale und der Trafik mit der Zeit ihren Reiz verlieren, geht er mit 16 Jahren ins Wettcafé. Da hat er auch schon mehr Taschengeld zur Verfügung und kann deshalb ­öfter spielen.

Bis er 25 Jahre alt ist, geht er tagein, tagaus in die Wettlokale seiner Umgebung. Sein Leben richtet er ganz nach den Sportwetten aus: Vor der Arbeit, nach der Arbeit, bis spät in die Nacht dreht sich alles um den richtigen Tipp.

Ich habe ziemlich lange zu Hause gewohnt, weil ich mein ganzes Geld in das Wetten ge-steckt habe. Wenn man sein ganzes Leben Sportwetten widmet, ist man meistens Mitte des Monats pleite. Da hat man dann um Geld betteln müssen, und da ist meiner Mutter schon aufgefallen, dass da irgendetwas nicht passt. Nur: Als Süchtiger versucht man zu beschwichtigen und zu sagen: »Es ist halb so schlimm, ich habe alles unter Kontrolle.« – Was natürlich schon längst nicht mehr der Fall war. Als 2016 die Registrierungspflicht gekommen ist, bin ich in Onlinewetten reingekippt. Es war auch praktischer, man hat nicht mehr irgendwohin fahren müssen, man hat jederzeit sein Gut-haben aufladen können, auf viel mehr Spiele wetten können, und das war dann eigentlich das wirklich Gefährliche. Teilweise sogar so arg, dass ich mir den Wecker gestellt habe, auf zwei oder drei Uhr in der Früh, um auf die Damen-liga in Honduras zu wetten. Ich habe mittlerweile auf jede Liga, die es weltweit gibt, gewettet.

2016 ist die Novelle des Steiermärkischen Glücksspielautomaten- und Spielapparategesetzes in Kraft getreten, die strengere Maßnahmen zum Schutz der Spieler·innen festlegte. In den Spielsalons, in denen man auch Sportwetten abschließen konnte, musste man sich fortan registrieren, eine entscheidende Hürde für viele: »Das haben mir die Spieler·innen damals auch gesagt, dass sie sich sicher nicht registrieren lassen, diesen Effekt hat man ganz genau beobachten können«, sagt Monika Lierzer.

Doch nicht nur die Gesetzesänderung, auch die Digitalisierung mitsamt breiteren Spielangeboten hat viele Spieler·innen ins Netz gehen lassen.

Ein Trend, der auch in anderen Bundesländern registriert worden ist: »Immer mehr Leute kommen zu uns, die online spielen, also Glücksspiele wie Poker oder Sportwetten. Da sehe ich einen starken Trend von offline zu online«, sagt Kurosch Yazdi-Zorn, Leiter der Ambulanz für Spielsucht in Oberösterreich. Im Online­glücksspielbereich ortet er aktuell die größte Gefahr, eine Spielsucht zu entwickeln.

Denn obwohl die Österreichischen Lotterien als einziges Glücksspielunternehmen eine Lizenz zum Betreiben von Onlineglücksspielen haben, sieht die Praxis anders aus. Glücksspiel- und Wettunternehmen aus dem Ausland mischen am österreichischen Markt mit und umgehen dabei nicht nur das Glücksspielmonopol, sondern auch den Spieler·innenschutz.

Wie gewonnen, so zerronnen

Wie viel Geld er in Wettcafés und bei Onlinean­bietern verloren hat, kann Stefan Resch heute nicht genau sagen. Es werden wohl »über 100.000 Euro sein, die ich in 18 Jahren verspielt habe«. Anfangs habe er mit kleineren Einsätzen gespielt: fünf Euro, zehn Euro, nicht mehr.

Bis er auf einen Schlag viel Geld gewinnt – und danach mit höheren Einsätzen wettet: »mindestens 20 Euro, dann teilweise 200 oder 300 Euro pro Tipp«, sagt er.

Ich habe mit einem Euro 956 Euro gewonnen, und dann ist natürlich der Gedanke gekommen, was ich wohl mit zehn Euro gewonnen hätte. Oder mit hundert Euro. Da wird man reich. Und dann sind natürlich die Einsätze größer geworden, während einer Glückssträhne habe ich dann einige Tausend Euro gewonnen. Das erzählt man jetzt so einfach, nur denkt keiner daran, was dann innerhalb von zwei oder drei Tagen auch wieder alles weg ist. Da habe ich gewusst, dass ich ein Problem habe, aber man will es sich nicht eingestehen.

Fatalerweise seien Gewinne die Eintrittskarte in ein Suchtverhalten, sagt die Psychotherapeutin Bettina Quantschnig: »Dieser lässt die Betroffenen glauben, dass sie rasch zu Geld kommen können, dass sich das wiederholt. Es gibt irrationale magische Denkprozesse, die sich dann abspielen: Trugschlüsse über Glücksspiele, unrealistische Annahmen über den Verlauf, die Pech- oder die Glückssträhne«, sagt sie. Bis sich die Betroffenen ihre Sucht eingestehen und bei Betreuungseinrichtungen Hilfe suchen, vergeht Zeit – in etwa sieben bis acht Jahre.

»Sie merken es schon früher, nur verdrängen sie ihr Suchtproblem. Sie reden sich ein, dass sie das Spiel jetzt durchschaut haben, dass sie jetzt gewinnen werden, dass sie es erst jetzt verstanden haben. Sie sagen sich vor, dass sie dann kontrollierter und beherrschter spielen werden. Das ist ein langer Leidensweg, eine lange Phase der Verdrängung«, sagt Hannes Rieger, Leiter der Suchtambulanzen der Diakonie de La Tour in Kärnten.

Sie haben dann bereits hohe Spielschulden, zwischen 20.000 und 40.000 Euro; haben Wertsachen verkauft, Spar­bücher leergeräumt und sich bei Familienmitgliedern oder Freund·innen verschuldet – oder sie, wie im Fall von Stefan Resch, auch bestohlen.

Manchmal, wenn es wirklich ganz brenzlig war, hat man sich auch Geld von der Familie geborgt. Und leider, wofür ich mich jetzt noch immer schäme, auch Leute bestohlen. Ich habe meine Ehefrau damals um ihre Kreditkarte erleichtert und habe damit Geld abgehoben, damit ich wetten kann. Das war dann schon der allertiefste Punkt, und da hat es mich sogar etwas vor mir selbst geekelt, aber im gleichen Moment wollte ich auch unbedingt spielen. Da kommt oft die Frage: »Denkst du denn überhaupt nicht an andere?« Nein, absolut nicht. Man ist im Strudel gefangen und macht alles, damit man weiterspielen kann. Meine Frau hat die Abrechnung für ihre Kreditkarte bekommen. Da war eine Barabhebung, die ich dann nicht mehr erklären konnte. Und dann ist das Ganze zum Glück aufgeflogen, und die Beziehung stand kurz vor dem Aus. Das war so ziemlich der schlimmste Tag in meinem ganzen Leben, weil natürlich auch die Erkenntnis kommt: Jetzt muss ich es meiner ganzen Familie sagen. Jetzt muss ich erzählen, was ich die letzten 18 Jahre gemacht habe. Und ja, die Vorstellung war grausam. Und der Gedanke: Was habe ich meiner Frau angetan? Sie hat gesagt: »Lass uns reden, gehen wir den Weg zusammen«, sie bleibt bei mir, und sie unterstützt mich. Und das war das Beste, was mir jemals passiert ist.

Aus, Schluss, vorbei

Der Weg aus der Sucht war nicht einfach. Neben der Beichte bei seiner Familie, dem Abbezahlen der Schulden, dem Beginn einer Therapie und der »kompletten Sportabstinenz«, wie Resch sagt, musste er auch alle seine Spielkonten sperren lassen.

Bei etwa 50 Anbietern hatte er sich über die Jahre ­Accounts eingerichtet, aber so genau weiß er das nicht mehr: »Ich habe so gut wie alles genutzt, deswegen war es auch sehr problematisch herauszufinden, wo ich noch ein Konto habe und wo man sich sperren lassen kann.«

In Österreich ist das tatsächlich ein schwieriges ­Unterfangen. Es gibt keine einheitliche, anbieterübergreifende Datenbank, bei der sich Spieler·innen eintragen lassen und danach bei keinem Wettunternehmen mehr spielen können. In Deutschland gibt es so eine Sperrdatenbank bereits seit 2013 – zunächst nur für Spielhallen, 2021 ist sie auf alle Glücksspiele einschließlich Sportwetten ausgeweitet worden.

Das Spielersperrsystem »Onlineabfrage Spielerstatus«, kurz Oasis, ist ein zentrales Instrument zum Schutz von Spieler·innen. Jedes Wettunternehmen ist verpflichtet, sogenannte Selbstsperren, den freiwilligen Ausschluss von Spieler·innen, einzutragen sowie bei Neukund·innen eine Abfrage nach bestehenden Selbstsperren durchzuführen. Im Jahr 2021 waren in Oasis rund 31.300 Sperren im Bereich der Sportwetten eingetragen.

Hierzulande ist man noch weit entfernt von einer Lösung. In Österreich gibt es nicht einmal ein einheitliches Sportwettengesetz, sondern neun verschiedene Landesgesetze, die unterschiedliche Regeln vorgeben – auch hinsichtlich Selbstsperren.

In manchen Bundesländern müssen sie der Landes­regierung gemeldet werden, in anderen dem Wettunternehmen, und in Wien kann man sich bei beiden Stellen sperren lassen. So kommt es, dass niemand weiß, wie viele aktuell aufrechte Selbstsperren es in Österreich gibt, wie eine ­DOSSIER-Anfrage bei den Ländern hervorbringt.

Merkmale einer Sportwettensucht

  • intensive Beschäftigung mit und häufiges Denken an Sportwetten

  • Abschließen von Risikowetten, ­um ­Verluste auszugleichen

  • fixe Annahme, dass Sportwissen ein wesentlicher Faktor ist, um gewinnen ­zu können

  • Sportereignis ist weniger spannend, wenn keine Wette läuft

  • Überzeugung, dass Sportwetten ­langfristig eine gute Möglichkeit sind, Geld zu verdienen

  • Erhöhung der Einsätze

  • schlechtes Gewissen beim Platzieren einer Wette

  • Nichteinhaltung von selbstauferlegten Wettlimits

  • Wetten mit geliehenem/fremdem Geld

  • Verheimlichen der Häufigkeit ­des Wettens

Tirol, Salzburg, das Burgenland und die Steiermark berufen sich darauf, dass es nach ihren Wettengesetzen »keine gesetzliche Verpflichtung für die Wettunternehmer·innen« gibt, dem Land die Anzahl der Sperren zu melden. Niederösterreich habe zwar in den ausgestellten Bewilligungsbescheiden vorgeschrieben, dass dem Land die Zahl der Sperren gemeldet werden muss, »da wir aber die neuen Bewilligungen erst seit Herbst 2022 erteilt haben, bekommen wir auch die Berichte erst im Herbst 2023«, so der zuständige Abteilungsleiter der Landesregierung.

Bundesländer, die über die Anzahl der aktuell aufrechten Selbstsperren Buch führen, sind Vorarlberg mit zwei, Kärnten mit 27, Oberösterreich mit 176 und Wien mit 2.255 Sperren.

Spielfrei

Wer die Hürde der Selbstsperre überwunden hat, ist noch nicht am Ziel. Die Heilung von der Spielsucht verlangt Geduld und Zeit. Um den Weg zurück zu einem spielfreien Leben zu finden, gibt es in jedem Bundesland Anlaufstellen und Hilfsangebote. »Insgesamt geht es bei der Behandlung um Motivationsförderung, um Abstinenz, darum, Rückfälle zu vermeiden. Bei der stationären Behandlung geht es darum, die Patient·innen vor Trigger-Reizen zu schützen, und darum, freigespielt zu sein von den alltäglichen Notwendigkeiten, die daheim anfallen«, sagt Hannes ­Rieger von den Suchtambulanzen der Diakonie de La Tour in Kärnten.

Es gehe zunächst um die Krankheitseinsicht und darum, dem Spielreiz nicht nachzugeben. »Wir sehen das bei den Alkoholsuchtpatient·innen, bei ihnen geht es auch nur mit einer Abstinenz. Ich weiß, dass ich vulnerabel bin und dass ich das auch bleibe, aber ich lerne, damit umzugehen und auf mich aufzupassen«, sagt Rieger. Das musste auch Stefan Resch im Laufe ­seiner Therapie lernen.

Seit zwei Jahren und sieben Monaten bin ich spielfrei. Es ist schon etwas Zeit vergangen, zum Glück, aber der Weg ist noch lange nicht zu Ende. Die Heilung von der Spielsucht wird noch sehr, sehr lange, wahrscheinlich mein ganzes Leben lang, dauern. Seit zwei Jahren habe ich nicht mehr gewettet, nicht einmal um einen Kaffee. Absolute Abstinenz ist Pflicht. Am Anfang meiner Therapie ist mir gesagt worden, dass ein Süchtiger immer ein Süchtiger bleiben wird. Das habe ich mir dann wirklich sehr zu Herzen genommen. Auch die Gedankengänge, wenn man irgendetwas mit Sport zu tun hat, gehen noch immer Richtung Sucht. Wenn ich ein Fußballspiel sehe, dann sehe ich nicht die zwei Mannschaften, sondern nur die Quoten. Bis dieses Denken nicht komplett verschwunden ist, werde ich definitiv spielsüchtig sein. Zum Glück nicht aktiv, das ist das Allerwichtigste.