Didi, grüß mir die Sonne

Ob im Wingsuit, mit Fallschirm oder in Propellermaschinen, Hauptsache: Grenzen ausloten. Im Widerspruch zum obersten Prinzip der Fliegerei – Sicherheit.

Text: Florian Skrabal

Red Bull12.2.2021 

In diesem Artikel finden Sie Links zu Original-Dokumenten aus der Recherche.

Mehr erfahren

Es gibt tatsächlich Menschen, die das Projekt ­Stratos so gefesselt hat, dass sie heute noch wissen, wo sie an jenem Tag waren, an dem Felix Baumgartner aus 38.969 Metern in die Tiefe sprang. Ähnlich der Mondlandung 43 Jahre zuvor hängen am ­14. Oktober 2012 Millionen vor der Glotze, diesmal in High Definition, viele auf dem Handy und in den sozialen Medien.

Zwei Stunden und 36 Minuten dauert der Aufstieg des Ballons, dann schiebt Baumgartner seine Beine aus der Kapsel, richtet sich auf, spricht die Worte »I am coming home now«, ­salutiert und fällt. Nach 34 Sekunden erreicht er als erster Mensch ohne Antrieb Mach ­1, ­ein paar Sekunden später seine maximale Geschwindigkeit: 1.358 km/h. Dann bremst ihn die Atmosphäre.

Nach vier Minuten zwanzig löst er den Fallschirm, knapp sechs Minuten später hat Baumgartner wieder Boden unter den Füßen. Die Welt atmet auf – Stratos ist explodiert. In den Medien. Um die 200 Fernsehsender übertragen, im Youtube­-Livevideo sind bis zu acht Millionen Menschen dabei. Alles ist perfekt geplant, inszeniert und mit militärischer Präzision ausgeführt.

 Mehr als fünf Jahre hatte die Vorbereitung gedauert. Es wurde gerechnet, getestet, trainiert. Unbemannt, bemannt geprobt, mit Sprüngen im März und Juli 2012; es gab Therapie für Baumgartner, damit er die Klaustrophobie überwinden konnte, die der enge Raumanzug bei ihm auslöste.

Es wurde sogar überlegt, ob sich eine Schlange durch den Anzug würde beißen können, wenn Baumgartner nach dem Sprung in der Wüste von Roswell stünde. Man wollte sichergehen, just in case.

Für alle Fälle holte man Experten an Bord. Den Mediziner Jonathan Clark, der einst für die Nasa gearbeitet, oder Art Thompson, der den Stealth Bomber mitentwickelt hatte; und nicht zu vergessen Ex-Militärpilot Joe Kittinger. Ende der 1950er-Jahre war er beim Projekt Excelsior, einer Serie bemannter Fallschirmsprünge der US Air Force, dabei und legte 1960 die Latte für den ­Höhenweltrekord mit 31.333 Metern entsprechend hoch. Und zwar im Tiefentauchanzug und aus offenem Korb. Statt GoPros am Körper, die jede Sekunde für die Nachwelt in HD einfangen, knipste eine Kamera per Selbstauslöser ein Foto von ­Joe Kittingers Fabelsprung.

Exklusiv für Mitglieder

Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie unabhängigen Journalismus!

Sie erhalten die DOSSIER-Magazine des kommenden Jahres und sofort Online-Zugang zu exklusiven Geschichten.

Mehr erfahren

Mitglied werdenund alle Artikel lesen