Im Dezember 2016 stürmt ein bewaffneter Mann eine Pizzeria in Washington, D.C. Er ist überzeugt, dort Kinder in den Fängen eines geheimen Kinderpornorings vorzufinden. Anlass für den Vorfall, bekannt als »Pizzagate«, waren erfundene Behauptungen im Internet. Sie hatten reale Auswirkungen – und führten, wie die von Donald Trump verbreitete Lüge vom gestohlenen Wahlsieg, zu Gewalt. Beim Sturm aufs Kapitol kamen 2021 fünf Menschen ums Leben. Doch warum sind solche Erzählungen so wirkmächtig? Werfen wir einen Blick auf die Psychologie dahinter.
1. Im Bann der Geschichte

Verschwörungen erfüllen viele Merkmale einer guten Erzählung: Es gibt Schurken, oft eine Katastrophe – und Helden, die den Geheimplan durchschaut haben. »Verschwörungsmythen sind wahnsinnig wirkmächtige rhetorische Vehikel«, erklärt der Sozialpsychologe Roland Imhoff von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Imhoff forscht seit Jahren zu diesem Thema. Kernelement eines Verschwörungsmythos sei, »dass ein Ereignis durch geheime Absprachen einer Gruppe zu ihrem Vorteil und zum Nachteil der Allgemeinheit erklärt wird«. Die Attribute »geheim« und »planvoll« seien dabei sehr wichtig. Weil diese Erzählstruktur Menschen in ihren Bann zieht, sind Verschwörungsmythen als Werkzeug für Propaganda und gezielte Desinformation besonders beliebt.
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