»Wir befinden uns in Europa bereits im Kriegszustand.« Mit diesen Worten leitete Ronald Vartok die Präsentation des »Risikobilds 2025« ein. Vartok ist Brigadier und stellte Anfang 2025 die Lage aus Sicht des österreichischen Bundesheeres dar. Konkret meinte Vartok die Gefahr durch »hybride Kriegsführung«, also Cyberangriffe und auch Desinformation, die mit dem Ziel verbreitet würde, Wahlen zu beeinflussen und das Vertrauen in Demokratien zu untergraben.
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnte bei einem Neujahrsempfang für Diplomat·innen: Es sei offensichtlich, dass der russische Machthaber Wladimir Putin darauf setze, westliche Demokratien zu zersetzen. »Wie sich zeigt, sind wir nicht immun gegen diese Bedrohungen. Wir haben nicht genug Werkzeuge, diesen Lügen und Verdrehungen, die unsere Gesellschaft unter anderem auf den sozialen Medien überfluten, etwas entgegenzusetzen.«

Die Lage ist ernst, die Gefahr real – selbst im neutralen Österreich. Während der Kreml in Deutschland, Frankreich und anderen EU-Ländern mit teils erheblichem Aufwand Desinformation lanciert, gab es hierzulande lange keine nennenswerten Hinweise auf von Russland gesteuerte Propagandakampagnen. Die Alpenrepublik, eine Insel der Seligen? Ein Trugschluss.
Ende 2024 ging der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) – wie der Verfassungsschutz mittlerweile heißt – eine bulgarische »Influencerin« ins Netz. Sie soll im Zentrum einer umfangreichen Operation russischer hybrider Kriegsführung stehen. Ihr mutmaßlicher Auftraggeber: der gebürtige Österreicher Jan Marsalek, der wie es aussieht seit Jahren für Russland arbeitet.
Ein Agent und einst Vorstand des 2020 in die Insolvenz geschlitterten deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard. Marsalek soll für Malversationen in Milliardenhöhe mitverantwortlich sein. Um seiner Verhaftung zu entgehen, floh er damals über Minsk nach Moskau.
Aber zurück zur Bulgarin. Ihr Auftrag war es einerseits, Putin-kritische Journalist·innen wie den Aufdecker Christo Grosew – einen Landsmann aus Bulgarien – oder Profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer zu überwachen. Der andere Teil des Auftrags lautete: die öffentliche Meinung zum Ukraine-Krieg im Sinne Russlands zu beeinflussen.
Mit der Verbreitung von Desinformation im Netz – aber nicht nur dort. Laut DSN wurde auch der öffentliche Raum in der Offlinewelt bearbeitet: mit ukrainefreundlichen Aufklebern und Graffiti, die mit rechtsextremen und neonazistischen Symbolen versehen wurden. So sollte das falsche russische Narrativ verstärkt werden, wonach die Regierung in Kiew rechtsextrem sei.
Auch abgesehen von dieser jüngst bekanntgewordenen Einflusskampagne mangelt es hierzulande keineswegs an Kreml-Propaganda – nur ist diese in Österreich meist hausgemacht. Denn geht es nach der DSN, verfolgt der Kreml in Österreich in puncto Desinformation eine etwas differenziertere Strategie.
»Die hiesigen verfassungsschutzrelevanten Szenen, allen voran das heterodox-extremistische Milieu sowie die Alternativmedien, fungierten als Katalysatoren russischer Desinformationskampagnen, indem sie russische Desinformationsnarrative aufgriffen und weiter verbreiteten«, heißt es in einer schriftliche Stellungnahme aus der DSN an DOSSIER.
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