Sieben Punkte für bessere Information

DOSSIER hat sieben Punkte im Kampf gegen Desinformation zusammengestellt. Die zentrale Frage: Was kann jede·r Einzelne tun, was die Politik, der Gesetzgeber und globale Tech-Konzerne?

Propaganda17.4.2025 

1. Es fängt bei einem selbst an

Desinformation erkennt man auch am Ton: Wie wirkt die Nachricht? Ist der Tonfall sachlich-informativ? Oder soll eine reißerische Sprache emotionalisieren, starke Gefühle wie Angst oder Wut auslösen? Es ist gar nicht so einfach, solchen Impulsen nicht zu folgen. Doch genau das ist bei Desinformation gefragt: durchatmen, einen kühlen Kopf bewahren und die Nachricht auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen.

Indem man etwa das Medium, das die Nachricht verbreitet, kritisch hinterfragt: Wer betreibt die Seite, wie finanziert sie sich, wie plausibel sind die Quellen, oder handelt es sich gar um Satire? Wenn sich diese grundlegenden Informationen nicht herausfinden lassen, dann ist Vorsicht angesagt. Um diesen kritischen Blick zu entwickeln, sollte man die eigene Medienkompetenz stärken.

2. Medienkompetenz für alle!

Seriöse von unseriöser Berichterstattung unterscheiden zu können ist bei Desinformation unerlässlich. Da hilft es, das eigene Wissen über journalistische Standards wie Quellentransparenz oder ausgewogene Recherche auszubauen. Dafür braucht es professionelle Wissensvermittlung, etwa wissenschaftlich gestützte Medienkompetenz als verpflichtendes Schulfach, aber auch als Angebot in Einrichtungen der Erwachsenenbildung. DOSSIER hat deshalb ein eigenes Kursprogramm zusammengestellt.

3. Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen

Immer mehr Leser·innen misstrauen etablierten Medien. Das hat viele Ursachen: Menschen fühlen sich nicht ausreichend oder falsch repräsentiert. Andere sind enttäuscht, Medienskandale wie jene um Matthias Schrom, Robert Ziegler und Rainer Nowak haben Spuren hinterlassen. Das Problem der Inseratenkorruption ist längst nicht mehr nur in der Branche bekannt. Teile des Publikums wenden sich ab und landen bei sogenannten Alternativmedien.

Der Schlüssel liege darin, das verlorene Vertrauen in etablierte Medien zurückzugewinnen, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung in Deutschland. »Dafür müssen sich Politik und Medien auch auf die Debatte einlassen, inwiefern die Gründe des Vertrauensverlusts mitverantwortet sind« – schonungslos ehrlich, transparent und für alle zugänglich.

4. Die Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Digitalisierung hat so gut wie jeden Lebensbereich durchdrungen und viele davon auch demokratisiert: Nicht mehr nur einige Privilegierte, sondern theoretisch alle Menschen können sich an öffentlichen Debatten beteiligen – lokal bis global. Doch neben dem teils regen Austausch werden in der digitalen Arena auch Hassrede und Desinformation verbreitet.

Im Frühjahr 2022 haben sich die EU-Mitgliedsstaaten deshalb auf strikte Regeln für Anbieter·innen von sozialen Netzwerken geeinigt: Der Digital Services Act, kurz DSA, schreibt Unternehmen vor, strafbare Inhalte zu entfernen, beispielsweise Aufrufe zur Gewalt. Wenn Nutzer·innen dagegen verstoßen, werden ihre Beiträge oder gar ihr Konto gelöscht.

5. Desinformation gesetzlich stoppen

Für den Gesetzgeber ist der Kampf gegen Desinformation kein einfaches Unterfangen: Soll man Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit einschränken, um große Teile der Bevölkerung vor Desinformation zu schützen? In Frankreich etwa wurden vor der Präsidentschaftswahl 2017 Falschinformationen verbreitet – zum Nachteil des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und zum Vorteil seiner Kontrahentin Marine Le Pen.

Deshalb verabschiedete das Parlament im November 2018 ein Gesetz, um in Wahlkampfzeiten gegen Desinformation vorgehen zu können. Verboten ist seither »jede Behauptung oder ungenaue oder irreführende Zuschreibung über eine Tatsache, die die Wahrhaftigkeit der bevorstehenden Wahlen beeinträchtigen könnte, die absichtlich, künstlich oder automatisch in großem Umfang über einen öffentlichen Online-Kommunikationsdienst verbreitet wird«.

Ein Gericht entscheidet dann darüber, wie die Verbreitung gestoppt werden soll: Die Desinformation kann etwa geblockt oder ganz gelöscht werden.

6. Fairplay der Parteien

Nicht nur Trollfabriken im Ausland produzieren Desinformation, auch politische Parteien im Inland streuen sie im Wettbewerb um Wähler·innenstimmen. Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre ein Verhaltenskodex, der ein faires Miteinander garantiert – also die Selbstverpflichtung, keine Desinformation über politische Gegner·innen digital zu verbreiten.

So geschehen in Deutschland: Im Wahljahr 2021 forderte die Initiative Campaign Watch aus mehr als 20 Organisationen, darunter wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Verbände, die Parteien dazu auf, Selbstverpflichtungen zu veröffentlichen. Damit sollte ein fairer digitaler Wahlkampf gewährleistet werden. So gut wie alle Parteien folgten dem Aufruf: Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, FDP und die Linke veröffentlichten online ihre Verhaltenskodizes.

Nur die AfD und die CSU sahen keinen Bedarf dafür.

7. Selbstregulierung der Tech-Konzerne

Noch bevor sich das Blatt spätestens mit der ­Inauguration von US-Präsident Donald Trump wendete, setzten soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook Maßnahmen, um die grassierende Desinformation auf ihren Plattformen mit Faktenchecks oder Anmerkungen der Community einzudämmen. Doch seit Elon Musk 2022 Twitter aufgekauft und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nach Trumps Wahlerfolg einen Sinneswandel durchlebt hat, sieht die Sache anders aus.

Zuckerberg bezeichnete Faktenchecks plötzlich als »Zensur«, ebenso Musk jede Art von Moderation auf Twitter (heute X). Das Ergebnis: eine digital vergiftete Debattenkultur. Doch es gibt erfolgreich erprobte Methoden, um öffentlich geführte Diskussionen faktenbasiert zu gestalten – ein Beispiel dafür ist Facebook selbst.

Das Netzwerk arbeitet etwa in Deutschland schon seit Jahren mit der gemeinnützigen Redaktion Correctiv und der Deutschen Presseagentur zusammen, die Beiträge einem Faktencheck unterziehen und Richtigstellungen oder Warnhinweise verfassen. Die aufgespürte Falsch- und Desinformation wird aber nicht gelöscht, sondern im Vergleich zu anderen Beiträgen algorithmisch benachteiligt.

So sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie Nutzer·innen überhaupt angezeigt wird. Damit die Entscheidungsfindung und der Algorithmus selbst nachvollzogen werden können, braucht es den natürlichen Feind von Machtmissbrauch: Transparenz.