Prolog

Ein fast perfekter Sturm

Hinter dem Erfolg rechtspopulistischer Parteien und Politiker·innen steht ein ausgeklügelter Spielplan. Er setzt auf eine dreiteilige Strategie: das Misstrauen in traditionelle Medien schüren, die eigene Agenda mit PR perfekt inszenieren und eine Flut an Informationen verbreiten.

Text: Manfred Gram, Florian Skrabal; Artwork: Daniel Seex

Propaganda17.4.2025 

Der Wolf im Schafspelz. Die Nadel im Heuhaufen. Der Schatten seiner selbst. Metaphern sind ein faszinierendes rhetorisches Instrument. Sie verbinden scheinbar unzusammenhängende Konzepte und eröffnen so neue Bedeutungsebenen. So wie das Sprachbild des perfekten Sturms. Ein perfekter Sturm beschreibt eine Situation, in der mehrere negative Faktoren zusammenkommen und zu einer Katastrophe führen. Ein Super-GAU der Natur sozusagen.

Der Begriff stammt aus der Meteorologie, hat aber erst durch den Sachbuch-Bestseller ­The Perfect Storm. A True Story of Men against the Sea (1997) von Sebastian Junger Bekanntheit erlangt.

Das Buch, das wenige Jahre später mit George Clooney in der Hauptrolle verfilmt wurde, erzählt vom Untergang des Fischereischiffs Andrea Gail im Jahr 1991. Damals führte eine ungewöhnliche Wetterlage vor der US-Ostküste dazu, dass sich die Wellen im Atlantik meterhoch auftürmten und Schiff samt Fischern in die Tiefen des Meeres rissen.

Die Ursache war das unheilvolle Zusammentreffen von drei meteorologischen Phänomenen: einem Tiefdruckgebiet, einem Hochdruckgebiet und einem abflauenden Hurrikan. Seitdem weiß man: Wenn ein perfekter Sturm ausbricht, ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Schlimmer geht’s nimmer.

Die Querfront

Wie es aussieht, wenn sich so ein perfekter Sturm zusammenbraut, sieht man gerade in den USA. Mit einer Mischung aus Propaganda und Populismus greift US-Präsident Donald J. Trump Fakten und Wahrheit, Bildung und Wissenschaft an. Unterstützt wird er dabei von einflussreichen Tech-Magnaten aus dem Silicon Valley und, nicht zu vergessen, vom reichsten Mann der Welt.

Trumps vorrangiges Ziel: freie und unabhängige Medien, insbesondere jene, die ihn kritisieren.

Trumps Rhetorik, die bereits in seiner ersten Amtszeit (2017–2021) aggressiv war, hat sich seit seinem Amtsantritt im Jänner 2025 weiter verschärft. Er bezeichnet kritische Medien nicht mehr nur als »Fake News«, sondern als »Feinde des Volkes« – und klingt damit seinem Pendant in Russland, Präsident ­Wladimir Putin, erstaunlich ähnlich.

Wobei Putin Trump ein paar Schritte voraus ist: Ein Jahr nach dem Großangriff auf die Ukraine im Februar 2022 ließ er in der Duma ein Gesetz verabschieden, das die »Diskreditierung« russischer Beamt·innen, also auch von Militärs,  und die Verbreitung von »Fake News« über den Krieg unter Strafe stellt. Die Höchststrafe: fünf Jahre Gefängnis.

Und natürlich bestimmt letztlich Putin, was Fakt und was Fake ist. Dabei geht es auch um die Herrschaft über die Sprache, um Deutungs­hoheiten und Umdeutungen von ­Begriffen und bestehenden Bezeichnungen. Denn Sprache schafft Bewusstsein, und sie verändert die Wahrnehmung der Realität. Wer die Kontrolle über die Sprache übernimmt, kontrolliert auch das Denken. Das weiß der große Sprachsäuberer Putin.

Anfang 2025 hat die Duma einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der die Verwendung von Wörtern wie »coffee«, »fresh«, »sale«, »shop« und »open« auf Schildern und in Schaufenstern verbietet. Und Menschen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht als »militärische Spezialoperation« bezeichnen, drohen bei Verstößen Strafen.

Donald Trump bedient sich ähnlicher Methoden der sprachlichen Zensur. So zirkuliert eine Liste von rund 200 unerwünschten Begriffen, die nicht mehr auf Websites und in offiziellen US-Dokumenten verwendet werden sollen.

Und es gibt noch weitere verblüffende Parallelen zwischen zwei der mächtigsten Männer der Welt. Da ist zunächst die technische Infrastruktur: das Internet und die sozialen Medien. Für Propaganda, egal von wem und mit welcher Absicht verbreitet, eignen sie sich besonders gut. Das zielgruppengerechte Adressieren von Botschaften, die immense Präzision aufgrund riesiger Datenmengen.

Mit überschaubaren Mitteln lassen sich erstaunliche Reichweiten erzielen. Gerade heute zeigt sich, was mit Trollfabriken alles möglich ist – oder mit einem Mitstreiter wie Elon Musk, der gar an der Quelle sitzt, dem Algorithmus einer Plattform.

Hat man die Infrastruktur einmal im Griff, geht es um die Botschaft: An wen richtet man sie? In welchem Format und mit welchem Zweck?  Für Trump sind es direkte Angriffe auf News-Flaggschiffe wie CNN oder die New York Times, verbale Attacken auf Journalist·innen bei Pressekonferenzen oder der Ausschluss unliebsamer Medien und Medienvertreter·innen von ebendiesen.

Ein bemerkenswertes Beispiel ist der Umgang mit der Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Als diese sich weigerte, den Golf von Mexiko als »Golf von Amerika« zu bezeichnen, wurde AP-Reporter·innen der Zugang zu Pressekonferenzen verweigert.

Mitte Februar 2025 folgte schließlich ein dauerhaftes Verbot für die AP, gegen das die Nachrichtenagentur derzeit gerichtlich vorgeht. Lieber sieht der 47. Präsident der USA Influencer·innen und ­Content-Creator·innen im Weißen Haus. Kein Wunder, verbreiten sie doch die Botschaften genau so, wie es der Machthaber will.

Trumps Angriffe auf die Medien lassen sich auf eine Kombination aus politischen, strategischen und persönlichen Gründen zurückführen. Er will Kontrolle über die öffentliche Wahrnehmung erlangen und rächt sich an kritischen Medien und Journalist·innen, die einfach nicht spuren wollen. Diese Konflikte sind – auch wenn es paradox klingt – Teil der Strategie, um ­seine Macht zu festigen.

»Österreich zuerst«

Natürlich haben weder Wladimir Putin noch ­Donald Trump das Spiel mit Propaganda und Desinformation erfunden. Sie perfektionieren es, indem sie Medienrealitäten erschaffen und zweifelhafte Narrative über digitale Plattformen verbreiten – alles Maßnahmen aus dem Katalog für autoritäre beziehungsweise illiberale Staatsführung.

Und zumindest mit Letzterem liebäugelt eine Partei in Österreich schon länger: die FPÖ, die mit beiden – Trump und Putin – gut kann. Hierzulande ist keine andere politische Kraft dem Kreml so wohlgesinnt wie die Freiheitlichen.

Viele Jahre pflegte sie ihre Verbindungen nach Russland, auch nach der Besetzung der Krim im Jahr 2014. Am dritten Jahrestag des russischen Großangriffs nennt FPÖ-Chef Herbert Kickl den Aggressor zwar beim Namen – es sei ein »russischer Angriff auf die Ukraine« gewesen, heißt es in einer Presseaussendung im Februar 2025.

Kickl geißelt dann aber nicht den russischen Präsidenten und Kriegsverbrecher Wladimir Putin, sondern die »Sinnlos-Sanktionen« der EU gegen Russland.

Und Donald Trump wiederum hatte Herbert Kickl zur Angelobung eingeladen. Kickl blieb aber daheim und trat beim Neujahrstreffen der Partei in Vösendorf auf. Trump sage immer »America first«, er sage »Österreich zuerst«, so Kickl vor tausenden Fans. Statt ihm reiste schließlich FPÖ-Außenpolitiksprecherin Susanne Fürst nach Washington.

Trump regt die Fantasie an. Man denke nur, was hierzulande alles möglich wäre, ginge Kickl den Trump’schen Weg. Presseförderungen kürzen, Mediengesetze ändern, Inserate streichen – die Liste ist lang. Könnte also ein perfekter Sturm auch in Österreich Realität werden? Jederzeit.

Die Zutaten für einen solchen Sturm sind vorhanden: ein tiefes Misstrauen gegen klassische Medien, das seit Jahren wächst, das anhaltende Hoch der FPÖ bei Wahlen auf Landes- und Bundesebene und ein Wirbelsturm an Informationen, der in bisher nie dagewesener Geschwindigkeit und Reichweite im Internet tobt.

Tiefdruckgebiet, Hochdruckgebiet und Hurrikan – alles angerichtet für ein Ereignis, das nicht nur für ein Fischereischiff vor der US-Ostküste, sondern auch für die Demokratie in Österreich gefährlich ist.