Editorial

Propaganda17.4.2025 

Da machen wir ein Fass auf – wobei, es ist doch schon längst ­offen. Information als Gift fürs Gehirn? Schwer vorstellbar. Wissen ist doch Macht. So lautete zumindest einst das Credo, das das Zeitalter der Aufklärung eingeläutet hat. Im Moment erleben wir eher das Gegenteil: ein Zeitalter der Propaganda, das paradoxerweise davon profitiert, ein Übermaß an Information zu produzieren – eine regelrechte Infodemie.

Obwohl der Menschheit noch nie mehr Informationen und somit mehr Wissen zur Verfügung standen als heute, scheinen die Errungenschaften der Aufklärung mehr denn je in Gefahr: der faktenbasierte Diskurs, die Erkenntnisse der Wissenschaft als Basis von politischen Entscheidungen, Wissen statt Glauben. Was kann man heute überhaupt noch glauben? Schon sind wir mittendrin im Kampf um die Wahrheit.

Die Suche nach ihr beschäftigt die Menschheit seit der Antike. Nicht ganz so lange liefen unsere Recherchen für diese Ausgabe – und das vorweg: Wir erheben weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch darauf, »absolut« richtig zu liegen. Das überlassen wir den Religionen. Unser Anspruch ist es, belastbare Tatsachen zu berichten, die Fakten eben.

Als wir im Oktober 2024 mit der Recherche für diese Ausgabe loslegten, war die Idee zunächst, das Phänomen »Desinformation« zu untersuchen. Denn eines stand fest: Die Corona-Pandemie hatte eine Flut an Falschinformationen ins Netz gespült. Manchmal waren es ehrliche Fehler, in vielen Fällen jedoch bewusst gestreute Fakes. Doch dann holten uns die politischen Geschehnisse ein.

Im November wurde Donald J. Trump ein zweites Mal zum US-Präsidenten gewählt – und setzte seinen Feldzug gegen kritische Medien fort. In Österreich erhielt die FPÖ, angeführt von Parteichef Herbert Kickl, im Jänner 2025 den Auftrag, eine Bundesregierung zu bilden.

Der rechtspopulistische Damm schien auch hierzulande gebrochen – und die Richtung klar: hin zu einer illiberalen Demokratie nach dem Vorbild der USA oder Ungarns, mit der führende FPÖ-Politiker·innen schon länger offen liebäugeln. Ganz oben auf der ­To-do-Liste: den Journalismus an die Kandare nehmen. Das konnten wir nicht einfach ignorieren, selbst wenn das Projekt »Volkskanzler Kickl« zumindest vorerst abgeblasen ist.

Seit jeher ist ein Journalismus, der die Herrschenden kritisiert, die Mächtigen kontrolliert und dabei vor allem nach Wahrhaftigkeit strebt, die größte Gefahr für jene, die an den Schalthebeln der Macht sitzen – oder dorthin wollen. Journalismus, der Antagonist der Propaganda, die stets von Interessen getrieben ist; ganz gleich, ob sie nun Fakten präsentiert oder Lügen auftischt.

Journalismus ist unser Auftrag und unsere Leidenschaft. Insofern haben auch wir einen Bias: Wir haben ein Interesse daran, dass der Journalismus gedeiht und nicht in die Enge getrieben oder gar infrage gestellt wird. Doch genau das passiert gerade – mitunter aus eigenem Verschulden.

Etliche Medien in Österreich haben sich viel zu lange mit der Politik gemeingemacht und damit eine Steilvorlage für jene geliefert, denen unabhängige und kritische Berichterstattung ein Dorn im Auge ist. Denn nichts ist einfacher für Propagandist·innen, als aus einem Funken Wahrheit ein sattes Narrativ zu entwickeln.

Darin ist auch Daniel Seex ein Profi, der großartige Illustrator dieser Ausgabe, dessen Assoziation zu Propaganda ein Mensch in Schutzkleidung ist, der uns Gift ins Gehirn schüttet. Ein ziemliches Fass eben.