Was tun, wenn Nacktaufnahmen im Netz landen?

Tipps für Betroffene von einem Rechtsanwalt und »Anna Nackt«, einer Plattform für Menschen, deren nackte Inhalte gegen ihren Willen im Internet geleakt wurden.

Text: Patrizia Schlosser, Eja Kapeller

Porno17.6.2022 

1. Ruhe bewahren

»Keine Panikreaktion«, sagt Dirk Hanisch. Besser: nachdenken, wer hinter dem Verbreiten des Videos oder Fotos stecken könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass es jemand aus dem Bekanntenkreis ist, ist größer als die, dass es ein Unbekannter ist, so die Erfahrung von Rechtsanwalt Hanisch. Hat man einen Verdacht, auf keinen Fall den mutmaßlichen Täter kontaktieren – damit er keine Gelegenheit bekommt, Beweise zu vernichten. »Das Ziel muss sein, die Primärquelle zu finden, also den Täter, der die Inhalte als Erster hochgeladen hat, und diesen dafür haftbar zu machen«, sagt Hanisch.

2. Beweise sammeln

Sofort Screenshots von allem machen, was man an Inhalten findet. Gutes Tool dafür: Atomshot. Mit einer Bilderrückwärtssuche, etwa »Google Reverse Image«, lässt sich feststellen, wo dasselbe Foto noch online zu finden ist. Verschiedene Suchmaschinen liefern unterschiedliche Ergebnisse – am besten also mit mehreren suchen, um möglichst viel zu finden. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich Inhalte von einer Seite auf weitere ausbreiten, ist hoch.

3. Kontakt aufnehmen

Viele Pornoseiten haben für die Meldung von nicht konsensuellen Nacktaufnahmen eigene Kontaktformulare. Bei anderen sind Kontaktmöglichkeiten im Impressum zu finden. Mit einer E-Mail fordert man die Seitenbetreiber·innen auf, die Inhalte sofort zu löschen. »Einen Brief zu schreiben mag seriöser als eine Mail wirken. So arbeiten diese Pornoseiten aber einfach nicht«, sagt Rechtsanwalt Hanisch. Eine E-Mail, so Hanisch, sei schneller und wird eher beantwortet. In Österreich unterstützt die Internet-Ombudsstelle (ombudsstelle.at) zudem bei der Durchsetzung von Löschungen.

4. Anzeige erstatten

Eine Anzeige zu erstatten geht bei der nächstgelegenen Polizeistation oder auch online. In Österreich bietet die Beratungsstelle gegen Hass im Netz des Vereins Zara (zara.or.at) rechtliche Beratung an und begleitet Betroffene zu Terminen bei der
Polizei, bei Gericht oder bei sonstigen Behörden. In Deutschland kann unter online-strafanzeige.de Anzeige erstattet werden. Außerdem ist es überlegenswert, je nach Schwere des Falls eine·n Anwält·in einzuschalten. »Ich empfehle zusätzlich, den Täter in einem Zivilverfahren auf Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung zu verklagen. Das tut ihm mehr weh als die möglicherweise geringe Strafe am Ende eines Strafverfahrens«, sagt Hanisch. Zudem könne man im Rahmen eines Zivilverfahrens den Täter unterschreiben lassen, dass er solche Handlungen künftig unterlässt – und ihn haftbar machen, wenn sich weitere Bilder online finden.

5. Kontrolle zurückgewinnen

Alle potenziellen Sicherheitslücken überprüfen: Werden meine Fotos automatisch in die Cloud geladen? »Cloudhacks passieren ständig«, so Hanisch. Auch die Social-Media-Accounts sollte man überprüfen und gegebenenfalls auf Privat-Modus umstellen. »Gerade Vereine sollten sich überlegen, ob wirklich unbedingt Fotos von Sportlerinnen oder Kindern auf der Homepage in bester Auflösung zu sehen sein müssen. Ich möchte dafür sensibilisieren, dass alles, was online ist, missbraucht werden kann«, sagt Hanisch.

6. Nicht allein bleiben

Die Gefahr ist groß, sich zu schämen – und zu schweigen. Es kann helfen, mit einer Beraterin oder einem Berater zu sprechen. In Österreich kann man sich etwa an den Notruf der Frauenberatung (frauenberatung.at) oder die Beratungsstelle ­Tamar (tamar.at) wenden. Die Datenbank des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland ­(frauen-gegen-­gewalt.de) ze­igt die nächste Hilfseinrichtung in der Nähe an. Häufig glaubt man sich allein mit dem eigenen Fall, doch Rechtsanwalt Hanisch weiß: »Es gibt nichts, das es nicht gibt: Ich kenne Fälle von Schwiegervätern, die ihre Schwiegertöchter auf Pornoseiten ausstellen. Einen Religionslehrer, der Fotos aller Schülerinnen online gestellt hat, oder einen Mann, der Polaroids seiner verstorbenen Oma auf Pornoseiten hochgeladen hat. Man ist leider wahrlich kein Einzelfall als Betroffene.« 

Exklusiv für Mitglieder

Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie unabhängigen Journalismus!

Sie erhalten die DOSSIER-Magazine des kommenden Jahres und sofort Online-Zugang zu exklusiven Geschichten.

Mehr erfahren

Mitglied werdenund alle Artikel lesen