Datenvisualisierung

Verruchte Zahlen

Der Konsum von Pornos ist mancherorts verboten – und wo erlaubt, oft tabu. Das erschwert es auch, verlässliche Statistiken zu finden. Wir haben uns durch das Zahlendickicht gewühlt und ungewöhnliche nackte Tatsachen – ­nämlich solche in Zahlen- und Diagrammform – mitgebracht.

Recherche: Markus Hametner, Peter Sim; Visualisierung: Fabian Lang

Porno17.6.2022 

Website Rankings

Mittels Tracking-Daten von freiwilligen oder dafür bezahlten User·innen, Befragungen oder Traffic-Daten der Websites selbst versuchen Website-Rankings, die Beliebtheit von Internetseiten vergleichbar zu machen. Die großen Porno-Tube-Sites fallen in einigen dieser Rankings unter die Top 50 der meistbesuchten Websites und können jedenfalls mit den großen Namen des Internets mithalten.

Jede Sekunde sollen 28.258 Internetnutzer·innen Pornos schauen. Bis heute schwirrt diese Zahl durch das Netz. Der US-amerikanische Fernsehsender CNN zitierte sie schon vor 15 Jahren auf seiner Website. Madonna, das Frauenmagazin der Medien­gruppe Österreich, griff 2010 und wieder 2014 auf sie zurück. Selbst in die Wissenschaft schummelt sich die Zahl, zuletzt in eine im Springer-Verlag erschienene Publikation aus dem vergangenen Jahr. Aber woher kommt sie? Und wieso bleibt sie seit Jahren gleich, obwohl immer mehr Menschen das Internet nutzen? Irgendwie verdächtig.

DOSSIER konnte die ominöse Zahl bis ins Jahr 2007 zurückverfolgen. Bis zu einer Unterseite der Website Top Ten Reviews. Die Seite wurde mittlerweile gelöscht – wir haben sie in den Untiefen des Internet-Nirwanas dennoch gefunden, mit der sogenannten Way-Back-Machine, einem weltweiten Archiv für Websites. Da steht sie also: 28.258 Pornokonsument·innen, jede Sekunde. Hier beginnt unser Problem. Die Suche nach belast­barem Zahlenmaterial zum Thema Pornografie ist: kompliziert. Nicht nur die Anzahl der Pornokonsument·innen, auch der Internet-Traffic, der Pornografie zuzuschreiben ist, sowie der Gesamtumsatz der Industrie sind unbekannt. Trotzdem geistern Zahlen durch das Netz – zumeist solche, die die Industrie selbst veröffentlicht. So wissen wir etwa, dass Pornhub nach eigenen Angaben 42 Milliarden Besuche im Jahr 2019 verzeichnet haben soll. Und wie sieht es mit vergleichbaren Daten konkurrierender Websites aus? Fehlanzeige. So kommt es, dass selbst die Wissenschaft, die in vielen Bereichen wichtige, eben belastbare Erkenntnisse liefert, in der Pornoforschung an ihre Grenzen stößt.

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