Editorial

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Porno  

Dieses Heft ist ein Wagnis. Gewagt ist es, weil das Thema nahegeht und polarisiert. Weil es Emotionen weckt, weil es manche unangenehm berührt. Sexualität ist in unserer Gesellschaft schambehaftet. Pornografie ist es im Besonderen. Obwohl täglich Millionen Pornos konsumiert werden, sprechen wir kaum darüber: Wie oft haben Sie sich schon – selbst im engsten Freund·innenkreis – ernsthaft und offen über Pornokonsum unterhalten?

Eben. Es ist ein Paradoxon, das uns in den vergangenen Monaten bei den Recherchen begleitete: Pornos schauen – okay. Aber darüber reden? Ein Tabu. So kommt es, dass das Thema unterbelichtet ist. In den Medien, in der Wissenschaft, in den Schulen, in der Gesellschaft an sich. Dem wollten wir etwas entgegenhalten. Monatelang haben wir die Pornoindustrie journalistisch untersucht – ein Unterfangen, das alles andere als einfach und mit Sicherheit weniger erotisch war, als man sich das vorstellen könnte.

Am tiefsten in die Abgründe der Branche ist DOSSIER-Redakteur Nikolai Atefie eingetaucht. Ein Jahr lang hat sich Nikolai dem Thema gewidmet und nach eigenen Schätzungen »hunderte Pornos« gesehen. »Vieles hat mich verstört und belastet«, sagte Nikolai danach. »Nach einer Zeit will man keine nackte Haut mehr sehen.« Wer sich journalistisch mit Pornografie befasst, wagt sich auf dünnes Eis. Die Fallstricke sind vielfältig: Welches Vokabular verwenden, um Explizites zu beschreiben? Wie das Thema bebildern, ohne die Bildsprache der Industrie zu übernehmen? Wie Kritik üben, ohne moralistisch zu werden? Und nicht zuletzt: Wie das Thema mit all seinen farbenfrohen Facetten darstellen, ohne voyeuristisch zu werden? Wir entschieden uns dafür, das Wagnis einzugehen.

DOSSIER hat im Mai 2021 weltweit Schlagzeilen gemacht, als wir gemeinsam mit britischen Kolleg·innen von Tortoise Media aufdeckten, wer hinter einem der mächtigsten Pornokonzerne der Welt steht: ein Oberösterreicher. Wie andere Männer, die heute die internationale Pornoindustrie kontrollieren, hielt er sich penibel im Hintergrund. Mehr noch, er verdeckte seine Existenz und stellte sich der öffentlichen Kritik an gravierenden Fehltritten seines Unternehmens nicht. Wir finden, das sollte ein Ende haben.

Tauchen Sie mit uns in eine freizügige Welt ein, die hinter den Kulissen alles andere als transparent ist. Weil wir bei DOSSIER Transparenz großschreiben, finden Sie bei vielen Geschichten einen QR-Code, der Sie auf unsere Website und von dort zu Originalquellen führt. Außerdem wartet diesmal wieder das eine oder andere Video auf Sie. Laden Sie die App Artivive auf Ihr Smartphone. Dort, wo Sie bei Bildern ein kleines Handysymbol entdecken, erwachen diese zum Leben, wenn Sie Ihr Handy mit geöffneter App über das entsprechende Bild halten. Aber Vorsicht: Dieses Mal sind die Inhalte explizit.