Wiener Biotop

Keine Gebietskörperschaft hat einen höheren Informations- und Kommunikationsbedarf als ­Österreichs Hauptstadt. Das kommt ausgewählten Medien und insbesondere der regierenden SPÖ Wien zugute. Ein analytischer Tauchgang in die Tiefen der Wiener Inseratenunterwelt.

Text: Florian Skrabal; Mitarbeit: Eja Kapeller; Illustration: Thom Van Dyke

Politik und Medien17.10.2022 

In geschützten Biotopen kann sich die Natur frei entfalten. Abseits der Zivilisation gibt es hier seltene und seltsame Blüten der Schöpfung zu entdecken. Ein solches Habitat findet man auch mitten in Wien, im zweiten Gemeinde­bezirk, der Leopoldstadt.

Auf Entdeckungs­reise in der Wiener Inseratenunterwelt stößt man dort auf kaum bekannte Bewohner eines Lebensraums, in dem sich ­Politiker·innen und Verleger·innen gefährlich nahe kommen. Dabei verhalten sie sich manchmal gar nicht so unauffällig. Einer machte vor der Gemeinderatswahl 2020 auf sich aufmerksam, als seine Zeitungen und Magazine eine bemerkenswerte Schlagseite zeigten.

Da lächelte dann der SPÖ-Anwärter für das Amt des Bezirksvorstehers, Alexander Nikolai, mit ganzseitigem Foto vom Cover der Herbstausgabe des Mag 1020, eines kostenlosen Hefts, das per Postwurf alle Leopoldstädter·innen erreicht.

Blättert man nur einmal um, findet man das erste ganzseitige öffentliche Inserat aus dem Einfluss­bereich der Stadt Wien – eine Anzeige der Bestattung Wien. ­»Verlässlichkeit kann man wählen«, lautet die Überschrift der Titelstory im Heft – erneut wird unverschämt die Werbetrommel für den SPÖ-Kandidaten gerührt.

Hinter Mag 1020 stehen die Firma Starfish Communications und ihr Eigentümer Robert Neiger. In Wiens Verlagswelt zählt er zu den scheuen Geschöpfen. Auf Anfragen reagiert Neiger nicht und bleibt auf Tauchstation.

Damit macht er dem Tier, das für seine Firma namensgebend war, alle Ehre: Wie in der Natur ist der Seestern auch im Wiener polit-medialen Biotop in Bodennähe zu finden. Dort, wo es trüb und undurchsichtig ist.

Dass sich der Seestern mitunter von Aas ernährt, wäre eine Erklärung für die Copy-and-Paste-­Inhalte, die sich in Neigers mageren Druckwerken wiederfinden – zwischen Parteipropaganda für die SPÖ und Inseraten der Stadt Wien und stadteigener Unternehmen. Aber eines nach dem anderen.

Ein Tauchgang erfordert Vorbereitung! Fitness? Check! Ausrüstung? Check! Hinein in ein österreich-, vielleicht europaweit einzigartiges Biotop: die ­Inseraten- und Medienwelt der Stadt oder, besser gesagt, der SPÖ Wien, in der alles darangesetzt wird, sich gut zu verkaufen und das Habitat zu erhalten. Bevor es stufenweise in die Tiefe geht, zunächst noch ein Blick auf den größten Fisch im Wasser.

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