Text: Markus Hametner, Mathias Huter (Forum Informationsfreiheit)
Illustration: Jakob Listabarth
Teil 1: Aus der Zeit gefallen
Stellen Sie sich mal vor, Sie haben einen Verdacht. Bei einem Inseratengeschäft des Finanzministeriums soll etwas nicht sauber abgelaufen sein. Umfragen sollen manipuliert, Berichterstattung gekauft und die Geldflüsse teilweise verschleiert worden sein. Was tun? In Schweden – wie in den meisten anderen Staaten der EU – könnten Sie einfach den Vergabeakt des fragwürdigen Geschäfts einsehen. Sie bekämen Rechnungen und Verträge; sogar E-Mails über die konkrete Geschäftsanbahnung. Selbst SMS-Nachrichten von Staatsdiener·innen kann man anfragen und erhalten. In Österreich ist das unvorstellbar. Hier muss schon Kommissar·in Zufall ran; etwa mit einem auf Ibiza unter umstrittenen Umständen gedrehten Video, das zu Ermittlungen führt, im Zuge derer man wiederum auf Thomas Schmid, jede Menge Chatnachrichten und schließlich auf dubiose Inseratengeschäfte stößt.
Vor 256 Jahren wurde in Schweden das sogenannte Öffentlichkeitsprinzip eingeführt. Dieses Recht gewährt Bürger·innen seither Einsicht in fast alle Vorgänge von Behörden und öffentlichen Stellen, vom Minister- bis zum Bürgermeister·innenbüro, von der Lebensmittelinspektion zum Rechnungshof. Das Öffentlichkeitsprinzip ist das Knäckebrot des gut genährten Vertrauens der Schwed·innen in ihren Rechtsstaat, und nebenbei eine Goldgrube für Journalist·innen. In Österreich ist es genau umgekehrt, auf den Kopf gestellt: Seit fast 100 Jahren steht hier das Amtsgeheimnis in der Verfassung. 1925 wurde es in den Verfassungsrang gehoben und eine Amtskultur, die man aus der Monarchie der Habsburger kannte, in Verwaltungsapparat und Rechtsstaat der Ersten und der Zweiten Republik fortgeführt. Das macht Österreich heute zum letzten demokratischen Staat Europas, der seinen staatlichen Institutionen eine Kultur des Schweigens per Verfassung vorschreibt.
Bei einem Bruch des Amtsgeheimnisses drohen Mitarbeiter·innen von Behörden im Extremfall bis zu drei Jahre Haft. Die Stoßrichtung für die Verwaltung ist also klar: lieber so lange wie möglich mauern und Informationen zurückhalten, statt offen und bürger·innenfreundlich zu handeln. Auch die seit 1987 geltenden Auskunftspflichtgesetze in Bund und Ländern bieten Bürger·innen kein Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten. Verwaltungsbehörden sind demnach lediglich verpflichtet, auf Anfrage eine Auskunft zu erteilen. Im Idealfall bekommt man eine kurze Zusammenfassung des Wissensstandes der Behörde. Originalverträge, Rechnungen, Korrespondenzen? Fehlanzeige. Und dafür dürfen sich Behörden acht Wochen Zeit lassen. Wie sehr Österreichs staatliche Geheimnistuerei inzwischen aus der Zeit gefallen ist, zeigt das Global Right to Information Rating, das die Bürger·innenfreundlichkeit von Transparenzgesetzen bewertet. Unter 136 Ländern liegt Österreich an der letzten Stelle – punktgleich mit dem pazifischen Inselstaat Palau.
Das Informationsfreiheitsgesetz der Slowakei aus dem Jahr 2000 landet in dem Ranking zwar nur auf Platz 107 – seit 2011 treten dort aber öffentliche Verträge nur dann in Kraft, wenn sie im Volltext im Internet abrufbar sind. Anders in Österreich. Hier verweigern öffentliche Stellen mitunter sogar Auskünfte, obwohl eine grundsätzliche Pflicht zur Offenlegung besteht. Bestes Beispiel: das sogenannte Medientransparenzgesetz. Seit 2012 in Kraft, schreibt es öffentlichen Stellen vor, einmal im Quartal die Kosten für Werbeausgaben in periodischen Medien zu melden, sofern der dafür ausgegebene Betrag über 5.000 Euro liegt. So weit, so gut. Das Problem: Durch Lücken im Gesetz, die zum Teil ausgenutzt werden, fließen Jahr für Jahr Millionen Euro an Steuergeld an der Offenlegungspflicht vorbei. Das betrifft Geldflüsse des Finanzministeriums, die in der Inseratenaffäre rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine Rolle spielen, ebenso wie etwa Zahlungen der Stadt Wien an parteinahe Verlage.
Exklusiv für Mitglieder
Werden Sie Mitglied und unterstützen Sie unabhängigen Journalismus!
Sie erhalten die DOSSIER-Magazine des kommenden Jahres und sofort Online-Zugang zu exklusiven Geschichten.