Inserieren für die Volkspartei

Inserate sind vielseitig einsetzbar. Das weiß man auch in der Volkspartei, wo man sich über Mitgliedermagazine von Vorfeldorganisationen seit Jahren ein Zubrot verdient – finanziert durch Steuergeld und am Parteiengesetz vorbei.

Text: Sahel Zarinfard; Datenanalyse: Markus Hametner

Politik und Medien17.10.2022 

In der Harrachstraße 12 in der Linzer Innenstadt haust ein Goldesel. Hier firmiert der oberösterreichische Bauernbund samt dem Magazin Lust aufs Land – ein Titel, der nicht geläufig sein muss, auch wenn viermal im Jahr 477.000 Stück von Lust aufs Land an alle Haushalte in Oberösterreich zugestellt werden. Gratis liegt das Heft im Postkasten und wartet darauf, verschlungen zu werden: etwas mehr als zwanzig Seiten dünn, davon je nach Ausgabe zwischen sieben und neun Seiten Werbung. Dazwischen gibt es auch ein mediales Kuriosum zu entdecken: »unentgeltliche PR-Artikel«, die mit »Werbung« gekennzeichnet sind. Unentgeltliche Werbung in einem Gratismagazin? Offenbar kann man es sich leisten. Der Goldesel wird nämlich mit Geld privater Unternehmen gefüttert: der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich etwa, der Lebensmittelmarke Schärdinger oder der Supermarktkette Unimarkt. Auch Steuerzahler·innen tragen zum Futtertrog bei: Seit 2012 inserierte das ÖVP-dominierte Land für rund 550.000 Euro in Lust aufs Land.

Zählt man alle Inserate der öffentlichen Hand zusammen, so erhielt das Magazin in den vergangenen zehn Jahren rund 792.000 Euro. Das Spannende an den Geldflüssen ist nicht nur deren Höhe, sondern auch, dass sie nicht im Rechenschaftsbericht der ÖVP aufscheinen. Das geht, weil man ein Schlupfloch im Parteiengesetz nutzt: Seit 2012 zielt das Parteiengesetz auf die Nachvollziehbarkeit von Parteienfinanzierung ab, auch bei Inseraten in Parteipublikationen. Demnach müssen Inserate über 3.500 Euro in den Rechenschafts­berichten der Parteien ausgewiesen werden. Allerdings gilt die Meldepflicht nur für Medien, deren Inhaberin eine Partei oder eine ihrer Teilorganisationen ist. Nun ist Lust aufs Land zwar das Magazin des Bauernbunds, offiziell gehört es aber einer Firma mit dem Namen Agro Werbung GmbH.

Agro ist laut Impressum Medieninhaberin des Magazins. Adresse ist wie beim Bauernbund die Harrachstraße 12, und: Die beiden Agro-Eigentümer sind zudem Funktionäre des Bauernbundes, die ihre Anteile treuhänderisch für diesen halten. Trotzdem besitzt dieser, und damit letztlich die Partei, das Magazin nicht. Voilà! Schon hat man eine clevere Konstruktion, die es ermöglicht, diskret von privaten Unternehmen und öffentlichen Stellen stattliche Summen einzusammeln. Das sieht Agro-Geschäftsführer Franz König freilich anders: »Die vorgeworfene ›Konstruktion‹ ist eine völlig normale und transparente Gesellschaftsstruktur. Sobald eine Kapitalgesellschaft im Eigentum einer Parteiorganisation eine Gewinnausschüttung an die Parteiorganisation tätigt, ist die betroffene Parteiorganisation gemäß Parteien­gesetz verpflichtet, im Rechenschaftsbericht diese Einnahmen aus Unternehmensbeteiligungen zu melden. Würde die Agro Werbung GmbH nach Abzug aller Steuern eine Gewinnausschüttung an den Eigentümer tätigen«, schreibt König auf DOSSIER-Anfrage, so verbliebe »nach Abzug aller Produktionskosten bestenfalls ein sehr bescheidener Gewinnanteil.«

Die bescheidenen Gewinne beschränken sich aber nicht nur auf Lust aufs Land. Das Problem ist größer. Insgesamt hat die Volkspartei sechs ­Teil­organisationen, neben dem Bauernbund sind das der Wirtschaftsbund, der Seniorenbund, der ­Österreichische Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (ÖAAB), die Junge Volkspartei und die ÖVP Frauen. Sie sind jeweils auf Bundes- und Landesebene organisiert, daraus entspinnt sich ein Netz aus zahlreichen Organisationseinheiten. Was alle neben ihrer Treue zur ÖVP eint, ist eine Vorliebe für Druckwerke. Fast jede Vorfeldorganisation gibt ein Magazin für die eigenen Mitglieder heraus.

Nicht immer setzen die Herausgeber·innen dabei auf Firmenkonstruktionen. Oft wird auch eine Gesetzeslücke im Medientransparenzgesetz genutzt, die es ermöglicht,  Inserate nur dann zu melden, wenn sie über der Bagatellgrenze von 5.000 Euro im Quartal liegen. Und gar nicht einmal wenige sind bereit, für das Zubrot über Inserate mitunter strafrechtlich relevante Methoden anzuwenden. Das wohl bekannteste Beispiel der jüngeren Geschichte ist der Vorarlberger Wirtschaftsbund mit seinem Magazin Vorarlberger Wirtschaft. Wie das Ö1-Medienmagazin Doublecheck Ende 2021 enthüllt hatte, nutzte die ÖVP-Organisation im Ländle das Heft für allerlei Geschäfte. Seit 2016 nahm sie 4,5 Millionen Euro damit ein – bei einer Auflage von 20.000 Stück. Teilweise bestand das Heft aus bis zu 70 Prozent Anzeigen. Unter den öffentlichen Kunden: Landesunternehmen, die Landesregierung, die Wirtschaftskammer, allesamt von der ÖVP dominiert.

Der inzwischen zurückgetretene Direktor des Wirtschaftsbunds Jürgen Kessler soll Unternehmer·innen unter Druck gesetzt haben, Inserate in dem Magazin zu schalten. Die Affäre hat mittlerweile weitere Kreise gezogen: Denn ein Teil des Geldes aus den Inserateneinnahmen des Magazins, mindestens 900.000 Euro, soll vom Wirtschaftsbund an die Volkspartei geflossen sein. ­Finanzprüfer gehen sogar von einer höheren Summe aus. Sie rechnen mit 1,5 Millionen Euro, weil es auch direkte Zahlungen an ÖVP-Politiker und -Gemeindeorganisationen gegeben haben soll. Weil man bei all den Inseratendeals vergessen hatte, Steuern abzuführen, ermittelt aktuell die Staats­anwaltschaft Feldkirch. Eine Nachzahlung droht. Sogar Freiheitsstrafen sind möglich, wenn ein Vorsatz nachgewiesen werden kann.

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