Der Grenzgänger

Nähe zu Macht und Mächtigen ist verführerisch. Kommen noch Inserate ins Spiel, wird es in Sachen Unabhängigkeit brenzlig. Nicht nur der Boulevard-, auch der Qualitätsjournalismus tut sich beim Ziehen von Grenzen schwer, wie das Beispiel von »Presse«-Chefredakteur Rainer Nowak zeigt. Eine Fallstudie.

Text: Florian Skrabal; Fotografie: Tom Linecker; Daten: Markus Hametner

Politik und Medien17.10.2022 

Als Anfang Oktober 2021 die Inseratenaffäre rund um Sebastian Kurz (ÖVP) die Republik erfasste, stand plötzlich auch der Ruf der öster­reichischen Presse auf dem Spiel. Manipulierte Umfragen in Zeitungen platzieren? Mit Inseraten redaktionelle Berichte erkaufen?

Dass da Wolfgang Fellners Name fiel, überraschte wenig. Wegen seiner journalistischen und geschäftlichen Methoden, ­DOSSIER berichtete mehrfach, zählt der Österreich-Herausgeber zu den umstrittensten Medienmachern des Landes. Dass neben Fellner aber auch Rainer Nowak in den Chatprotokollen ­auftauchte, erstaunte dann doch.

Der Chefredakteur der renommierten Tageszeitung Die Presse auf Tuchfühlung mit Thomas Schmid? Auf Du und Du mit dem zentralen Protagonisten in der Inseratenaffäre? Bei der Presse war jedenfalls Feuer am Dach.

Der Redaktionsausschuss der Qualitätszeitung untersuchte den durch die Chats genährten Verdacht, dass nicht nur in Fellners Österreich, sondern womöglich auch in der Presse frisierte Umfragen abgedruckt worden waren. Aber Fehlanzeige. Und auch bei anderen Verdachtsmomenten, etwa jenem, dass durch ÖVP-Interventionen Artikel in der Presse platziert worden sein könnten, gab es vom Ausschuss Entwarnung.

»Die in den Chats behaupteten Interventionen«, schrieb Rainer Nowak in einer öffentlichen Entschuldigung später, hätten sich nicht »inhaltlich in der Berichterstattung« niedergeschlagen. Alles gut? Mitnichten.

Wird in Österreich über Missstände in der Medienbranche gesprochen, geht es bald einmal um Inseratendeals zwischen Politik und Boulevard. Gerne wird dabei übersehen, dass Qualitätsblätter in ähnlich bedrohliche Abhängigkeiten geraten sind. Am Beispiel der Presse wird deutlich, wie sehr das Problem auch den Qualitätsjournalismus betrifft.

Neben der typisch österreichischen Verhaberung, die in den Chats zum Vorschein kam, lauern weitere Probleme: Interessenkonflikte durch Mehrfachfunktionen, vor allem aber die Abhängigkeit von öffentlichen Werbeschaltungen.

Nehmen wir das Jahr 2020. Es war für die Presse eines der wirtschaftlich erfolgreichsten. Der Jahresabschluss weist 49,4 Millionen Euro Umsatz aus. Knapp 750.000 Euro blieben als Gewinn – beachtlich für die konservative Tageszeitung, die traditionell rote Zahlen schreibt.

Zieht man die in den Medientransparenzdaten ersichtlichen Werbeausgaben des Bundeskanzleramtes, des Finanz- und des Außenministeriums ab, insgesamt rund 1,5 Millionen Euro, sieht das Bild ganz anders aus. Dazu kommen weitere öffentliche Geldflüsse wie die Presseförderung (rund 1,7 Millionen Euro) oder die Kurzarbeitsbeihilfe (rund 460.000 Euro).

Kurzum: Ohne Steuergeld wäre die Presse ein Defizitbetrieb.

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