Kein Wort soll nach außen dringen. Daran lässt Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, keinen Zweifel: »Wir haben Stillschweigen vereinbart. Wir wollen die Verhandlungsergebnisse auf keinen Fall gefährden.«
Es ist die heiße Phase einer brisanten politischen Angelegenheit: der Reform der österreichischen Medienförderung. Seit Monaten verhandelt Blimlinger im Geheimen mit dem Team von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP).
Diese hatte im Jänner 2022 etwas angekündigt, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte – in Österreich aber einer Utopie gleichkommt: eine »klare Trennung zwischen den sogenannten Medienförderungen und der Vergabe von Inseraten«.
Es ist so etwas wie der gordische Knoten der österreichischen Medienpolitik: die Vermengung von öffentlicher Werbung und Presseförderung. Gelingt es Türkis-Grün tatsächlich, den Knoten zu lösen? »Wir sind zuversichtlich«, sagt Blimlinger kurz vor Redaktionsschluss. Es wäre ein großer Wurf.
Möglicherweise ist er, wenn Sie diesen Artikel lesen, gelungen oder wurde zumindest angekündigt. Vielleicht hat Österreichs Bundesregierung eine umfassende Reform der Medienförderung präsentiert. Zum Zeitpunkt der Recherche sind Expert·innen und Politiker·innen noch skeptisch. Das hat Gründe.
Denn Stillstand, Postenschacher und Korruption prägen Österreichs Medienpolitik seit langem. »Wenn man zynisch ist, könnte man sagen, Medienpolitik war in den vergangenen zehn Jahren kaum oder nicht vorhanden«, sagt Politikanalyst Thomas Hofer.
»Die Branche hat sich entwickelt, aber die verantwortlichen Politiker·innen hinken nach«, analysiert Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. »Das ist die wohlwollende Interpretation. Die vielleicht realistischere ist: Die Politik hat einfach kein Interesse an wirklich kritischem Journalismus.«
Das größte Manko: eine veraltete und entgleiste staatliche Medienförderung.
Seit 2012 waren vier Medienminister·innen, ein Staatssekretär, gar mehrere Bundeskanzler höchstpersönlich für eine von sämtlichen Expert·innen dringend geforderte Reform verantwortlich. Fast alle haben sie eine Neuausrichtung angekündigt, Medienenquetes veranstaltet und die Granden der Branche zu Gesprächen geladen.
Doch die Initiativen liefen ebenso verlässlich ins Leere, wie bereits zu Papier gebrachte Reformpläne wieder in der Schublade verschwanden. Paradoxerweise liegt es nicht an den fehlenden Lösungen – da sind sich die politischen Parteien und Expert·innen im Wesentlichen sogar einig.
Es geht um zwei zentrale Maßnahmen: erstens eine Regulierung der Regierungsinserate, denn die sind zur »inoffiziellen« Presseförderung ausgeartet, was zu problematischen Abhängigkeiten führt.
Zweitens eine Erhöhung der offiziellen Medienförderung, die wiederum an nachvollziehbare und zielgenaue Förderkriterien geknüpft sein soll. In Zahlen gesprochen: In den vergangenen zehn Jahren sind rund 71 Millionen Euro über die Presseförderung an Medien geflossen. In derselben Zeit gaben die öffentliche Hand und staatsnahe Unternehmen mit rund 1,9 Milliarden Euro ein Vielfaches für Inserate aus.
Dieses Missverhältnis wächst, während die Politik seit einem Jahrzehnt auf der Stelle tritt. Um herauszufinden, wie Österreich in der medienpolitischen Sackgasse gelandet ist, muss man noch etwas weiter zurückblicken – in eine Zeit, als ein ehrgeiziger Wohnbaustadtrat eine folgenschwere Idee hatte.
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