1. Werner Faymann (SPÖ)
Bundeskanzler (2008–2016)
Politischer Werdegang
- Verkehrsminister (2007–2008)
- Wohnbaustadtrat Wien (1994–2007)
Werner Faymann geht in Österreichs Geschichtsbücher ein – als erster Bundeskanzler, gegen den die Staatsanwaltschaft noch während laufender Amtszeit ermittelte. Der Grund: Inseratengeschäfte. Aber wie kam es dazu?
Das Wohlwollen des Boulevards hatte er sich auf Kosten der Steuerzahler·innen erkauft und sich so den Weg an die Macht geebnet. Millionen Euro flossen für wohlwollende Berichte, zunächst an den Wiener Boulevard, dann an immer zahlreichere andere (Print-)Medien.
Faymann nutzte dafür Geld aus Ressorts, für die er unmittelbar verantwortlich war, er griff aber auch auf Etats von nachgelagerten öffentlichen Unternehmen zu. Mit dem Wechsel in die Bundesregierung 2007 machte er die Inseratenkorruption, die er in der Stadt Wien praktiziert hatte, quasi zur Bundessache.
Nur zwei Wochen nach seiner Angelobung als Verkehrsminister erschien die Inseratenstrecke »Unsere Bahn« in der Kronen Zeitung. Die zwischen Faymann und dem 2010 verstorbenen Krone-Boss Hans Dichand vereinbarte Kampagne kostete die ÖBB 500.000 Euro – und löste die Ermittlungen der Justiz aus.
Mit Faymann brach ein Damm: Ministerinnen und Minister kopierten sein Erfolgsmodell. Sie schalteten mehr Werbung und ließen sich – was bis 2012 möglich war – auch mit ihrem Foto abbilden. Gleichzeitig ging die offizielle Presseförderung in Faymanns Amtszeit als Regierungschef zurück.
Der »Inseratenkanzler« stand der Kronen Zeitung so nahe, dass mitunter gespottet wurde, Hans Dichand sei sein Onkel. 2013 wurden die Ermittlungen gegen Faymann und dessen Weggefährten Josef Ostermayer eingestellt – ein bis heute nicht ganz nachvollziehbarer Schritt der Staatsanwaltschaft.
Pikantes Detail: Faymanns Anwalt Wolfgang Brandstetter wurde kurz darauf Justizminister.
Sebastian Kurz Anfang Oktober 2021 zu Gast bei »ZiB 2«-Anchor Martin Thür. Der Kanzler ließ sich bei der Inseratengebarung tief in die Karten blicken.
2. Sebastian Kurz
Bundeskanzler (2017–2019, 2020–2021)
Politischer Werdegang
- Außenminister (2013–2017)
- Staatssekretär im Innenministerium (2011–2013)
Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt! Hausdurchsuchungen im Finanzministerium (BMF) und in der ÖVP-Parteizentrale! Wenige Stunden nachdem das politische Erdbeben des Jahres 2021 die Republik erschüttert hatte, nahm Sebastian Kurz im Studio der Zeit im Bild 2 (ZiB 2) Platz. ORF-Moderator Martin Thür hatte Fragen an den Kanzler.
Diese drehten sich um den Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: Eine Gruppe engster Kurz-Vertrauter soll mit Inseratenaufträgen an Medien der Fellner-Gruppe Umfragen manipuliert und positive Berichte gekauft haben. Die Rechnung dafür sollen die Steuerzahler·innen beglichen haben, und zwar über das Budget des BMF.
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Interessant war des Kanzlers Auftritt in der ZiB 2 nicht, weil er den Fragen auswich und die Vorwürfe abstritt, sondern wegen einer Aussage, die ihm Moderator Thür entlockte. Auf dessen Frage nach der Gegenleistung für Inserate antwortete Kurz: »Ich hoffe sehr, dass es eine Gegenleistung gab, nämlich Berichterstattung und ein Inserat.«
Damit war Kurz nach Wolfgang Sobotka der zweite hochrangige ÖVP-Politiker, der live im Fernsehen offenbarte, dass Einflussnahme auf die Berichterstattung quasi part of the game ist. Ob mit der Inseratenaffäre, die abgesehen von den frisierten Umfragen an die skandalösen Vorgänge rund um Werner Faymann und Josef Ostermayer erinnert, die strafrechtliche Grenze überschritten wurde, ist noch immer Sache der Justiz.
Fakt ist: Sebastian Kurz nutzte während seiner Amtszeit als Außenminister Millionen Euro an Steuergeld aus diesem Ressort, auch um sich die Gunst von Medien zu kaufen.
3. Michael Ludwig (SPÖ)
Wiener Bürgermeister (2018 bis heute)
Politischer Werdegang
- Wohnbaustadtrat Wien (2007–2018)
- Wiener Gemeinderat (1999–2007)
Michael Ludwig und Werner Faymann haben einiges gemeinsam. Beide begannen ihre politische Laufbahn als einfache Funktionäre in Bezirken am Wiener Stadtrand. Beide stiegen zum Wohnbaustadtrat in Wien auf – und setzten von dort aus zum Sprung an die Spitze an.
Faymann wurde zunächst Verkehrsminister, 2008 dann Bundeskanzler. Ludwig wiederum wurde 2018 Wiener Bürgermeister. Doch Faymann und Ludwig verbindet mehr als das: Beide bewiesen in ihrer Zeit als Wohnbaustadtrat ein Händchen im Umgang mit Medien. In der Hauptstadt heißt das: Zeitungen mit Inseraten füttern, allen voran den Boulevard. Im Gegenzug streifen sie schmeichelnde Berichte oder schlicht redaktionelle Werbung ein.
Wie Faymann zuvor steckte auch Ludwig Unmengen an Steuergeld in Inserate und Öffentlichkeitsarbeit, um das eigene Image zu pflegen. 2018 rechnete DOSSIER aus: 41,5 Millionen Euro hatte die Ludwig untergeordnete Magistratsabteilung 50 (»Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten«) in den zehn Jahren seiner Zuständigkeit für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben. Umgerechnet waren das 11.400 Euro am Tag.
Damit toppte Ludwig sogar seinen Vorgänger. Doch anders als bei Faymanns Weg an die Macht hatte Ludwig ab 2012 ein Problem: das Kopfverbot.
Politiker·innen dürfen sich demnach auf Regierungswerbung nicht mehr mit ihrem Foto abbilden lassen. Michael Ludwig scheint dennoch längst einen Workaround gefunden zu haben: DOSSIER stieß bei Recherchen auf zahlreiche Beiträge in Zeitungen, die wie Werbung für den einstigen Stadtrat und heutigen Bürgermeister wirken und diesen auch mit Foto abbilden – angeblich aber, ohne dass dafür Geld geflossen wäre.
Faymann musste für solche »Berichte« noch zahlen, heute sollen sie unentgeltlich sein, wie es aus den Redaktionen auf Nachfrage heißt.
4. Wolfgang Sobotka (ÖVP)
Nationalratspräsident (2017 bis heute)
Politischer Werdegang
- Innenminister (2016–2017)
- Landeshauptmann-Stellvertreter Niederösterreich (2009–2016)
- Landesrat Niederösterreich (1998–2016)
Es war eine bemerkenswerte Aussage, die Wolfgang Sobotka im Interview mit Wolfgang Fellner vor rund zwei Jahren tätigte. »Fürs Inserat gibt es ein Gegengeschäft«, sagte er. Dabei ist es, sofern alles mit rechten Dingen zugeht, normalerweise so: Für Geld gibt es ein Inserat. Sonst nichts.
Kein Wunder also, dass Sobotka, der damals wie heute eines der höchsten Ämter im Staat, den Job des Nationalratspräsidenten, innehat, Zuseher·innen durchaus verblüfft zurückließ.
Sobotkas Umgang mit Steuergeld sorgte bereits 2010 für öffentliche Kritik. Als Finanzlandesrat war er dafür verantwortlich, dass in Niederösterreich mit Wohnbaugeldern spekuliert worden und es zu riesigen Verlusten gekommen war. Seiner politischen Karriere schadete das nicht. Mittlerweile leitet er bereits den zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss, in dem auch er selbst Untersuchungsgegenstand ist.
Dabei geht es unter anderem um Inseratengeschäfte, in die Sobotka persönlich verwickelt ist beziehungsweise war. Etwa mit Inseraten, die der Glücksspielkonzern Novomatic in der Vereinszeitung des inzwischen aufgelösten Alois-Mock-Instituts geschaltet hatte. Sobotka war Obmann des Instituts und profitierte von diesen Inseraten wie auch von weiteren Geldflüssen, die von Firmen kamen, die im Eigentum des Landes Niederösterreich stehen.
Besitzt man selbst ein Medium, lässt sich über Inserate elegant Geld einsammeln. Hat man umgekehrt keine eigene Zeitung, aber ein (öffentliches) Budget zur Verfügung, kann man eifrig schalten und sich die Gunst von Medien sichern. Das scheint Sobotka insbesondere in seiner Zeit als Innenminister getan zu haben.
So schaltete das Innenministerium im Wahljahr 2017 unter Sobotkas Führung Werbung in der Höhe von rund 2,6 Millionen Euro. Offiziell wurde damit größtenteils die Wahl beworben – oder gab es für die Inserate noch etwas?
Inseraten-Experten on air. In der Sendung »Fellner! Live« im Dezember 2020 beeindrucken Wolfgang Fellner und Wolfgang Sobotka mit mangelndem Problembewusstsein
Wolfgang Fellner: »Wenn man das schon tut, dann sollte man doch eigentlich nicht in so einem U-Ausschuss der Vorsitzende sein, oder?«
Wolfgang Sobotka: »... Ich war weder im Untersuchungszeitraum ein Regierungsmitglied noch war ich eine nachgeordnete Stelle. Das heißt, de facto würde ich als Person vollkommen rausfallen. Das nehmen Sie nicht zur Kenntnis, ich mache es halt.«
Fellner: »Das kann man so nicht ganz sagen. Das geht ein Stückchen zurück, und da waren Sie sehr wohl Innenminister.«
Sobotka: »Da habe ich in dieser Form in keinster Weise auf die Gesetzeswirkung von Novomatic oder Glücksspielgesetz …«
Fellner: »Darauf will ich gar nicht zurück. Die Frage ist ja, dass Sie von Novomatic Spenden erhalten haben.«
Sobotka: »Nein, Herr Fellner, ich kann ja nur das untersuchen, was im Untersuchungsgegenstand ist, sonst könnte ich ja alles … Erstens habe ich nie Spenden genommen. Ich hätte sie genommen, weil sie rechtmäßig …«
Fellner: »… na dann halt Inserate oder wie immer Sie das bezeichnen …«
Sobotka: »… Sie kennen das Geschäft ja: Fürs Inserat gibt es ein Gegengeschäft, oder?«
Fellner: »Ja, natürlich.«
Sobotka: »Natürlich. Und das wird man wohl machen dürfen, wenn man einen Thinktank hat.«
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