Das große Scheitern

Weg mit dem Amtsgeheimnis! Das Vorhaben fand nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landesebene Erwähnung. In Regierungsprogrammen und in verschiedenen Parteikonstellationen. Konkrete Gesetzesinitiativen für Informationsfreiheit waren oder sind aber nirgends ersichtlich.

Text: Markus Hametner, Mathias Huter (FOI); Grafik: Jakob Listabarth

Politik und Medien17.10.2022 

Regierungen Faymann I und II sowie Kern (2013 bis 2017)

Am 30. Jänner 2013 startet die Petition Transparenzgesetz.at als Vorläuferin zum Forum Informationsfreiheit (FOI) – noch im Februar verkündet die SPÖ-ÖVP-Regierung unter Werner Faymann, dass das Amtsgeheimnis abgeschafft wird. Zuständig dafür: Verfassungsminister Josef Ostermayer (SPÖ) sowie Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl (ÖVP). Auch ein aufstrebender Staatssekretär im Innenministerium ist eingebunden: Sebastian Kurz spricht sich für Transparenz aus. Doch zu dieser kommt es nicht. Im Herbst 2013 wird neu gewählt.

Die Neuauflage der SPÖ-ÖVP-Regierung bekennt sich nun im Regierungsprogramm zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Ende März 2014 wird ein Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt. Er ist äußerst unambitioniert. Eine von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Auftrag gegebene kritische Analyse des Entwurfs, die ein fehlendes Recht auf Einsicht in Originalakten und fehlende Abwägungen der Interessen zwischen Information und Geheimhaltung bemängelt, wird monatelang geheim gehalten.

Den Todesstoß für das Regierungsvorhaben setzt ein Hearing im Verfassungsausschuss im Oktober 2016: Der Leiter des Verfassungsdienstes Gerhard Hesse gibt an, dass etwa Kosten für Vergaben und Verträge auf Basis des Entwurfs weiter geheim bleiben würden. Die Regelung wäre somit ein Amtsgeheimnis unter neuem Namen geworden. Im Juni 2017 geben die Regierungsparteien bekannt, dass sie die Verhandlungen rund um die Informationsfreiheit für gescheitert ansehen – und schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Regierung Kurz I (2017 bis 2019)

Nach der Wahl am 15. Oktober 2017 formiert sich die türkis-blaue Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses spielt in dieser Regierung keine Rolle. Das Vorhaben sucht man im Regierungsprogramm vergeblich, folglich wird auch nicht daran gearbeitet. Der Versuchung, sich Vorschusslorbeeren zu holen, erliegt ­Sebastian Kurz trotzdem: So kündigt er 2018 beim 4Gamechangers-Festival an, das Amtsgeheimnis abzuschaffen – es bleibt bei der Ankündigung. Ein Jahr später kommt Ibiza, das Video, und ­Türkis-Blau ist 2019 Geschichte.

Regierungen Kurz II (2020 bis 2021) und Nehammer (seit 2021)

Im Wahlkampf 2019 sprechen sich alle Spitzenkandidat·innen für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aus. Und wieder findet sich das Vorhaben in einem Regierungsprogramm, dieses Mal unter Türkis-Grün. Im Juli 2020 versprechen die Grünen, das Amtsgeheimnis noch in diesem Jahr abschaffen zu wollen. Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) kündigt einen Entwurf »bis zum Sommer« an. Sieben Monate später wird dieser in Begutachtung geschickt. Seither gibt es – außer vager Verweise auf die Blockade der Länder und Gemeinden – weder Fortschritte noch öffentliche Diskussionen. Dafür muss Kanzler Kurz im Zuge seiner Inseratenaffäre im Herbst 2021 abdanken, Karl Nehammer übernimmt. Die zuständige Ministerin Edtstadler lässt auf Nachfragen wissen: Sie sei in Gesprächen mit den Behörden, die das Vorhaben umsetzen müssten. Es gebe »massive Bedenken«. 

Versprechen aus Regierungsprogrammen der Länder

  1. Salzburg, 2013–2018, ÖVP, Grüne, Team Stronach: »Sparsame Verwaltung durch Transparenz: Die Auskunftspflichten und Informationsrechte gegenüber den Bürger·innen sind massiv auszubauen. Dazu soll ein Modell ähnlich dem Hamburger Transparenzgesetz entwickelt werden und die Amtsverschwiegenheit einer zeitgemäßen Offenlegungspflicht weichen.« Keine Umsetzung
  2. Salzburg, 2018–2023, ÖVP, Grüne, Neos: »Wir wollen Vorreiter bei Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen sein.« Noch nicht ersichtlich
  3. Kärnten, 2013–2018, SPÖ, ÖVP, Grüne: »Mit einem ›Transparenzgesetz‹ werden Informationspflichten der Landesorgane, des Landtages und der ausgegliederten Rechtsträger ausgeweitet.« Keine Umsetzung
  4. Tirol, 2013–2018, ÖVP, Grüne: »Die Koalitionspartner vereinbaren (…) eine Weiterentwicklung der Informationsrechte der Bürger·innen in Abstimmung mit dem Bund (Informationsfreiheit).« Keine Umsetzung
  5. Tirol, 2018–2023, ÖVP, Grüne: »Die Koalitionspartner vereinbaren (…) die Erarbeitung eines Tiroler Informationsfreiheitsgesetzes in Zusammenarbeit mit dem Bund.« Noch nicht ersichtlich
  6. Vorarlberg, 2014–2019, ÖVP, Grüne: »Die Landesregierung begrüßt die Bemühungen des Bundes, ein einheitliches Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen. Sollte ein solches nicht in absehbarer Zeit beschlossen werden, prüft die Landesregierung die Möglichkeiten einer landesrechtlichen Umsetzung.« Keine Umsetzung
  7. Wien, 2015–2020, SPÖ, Grüne: »Wien begrüßt die Bestrebungen, einen einheitlichen bundesrechtlichen Rahmen für Informationsfreiheit zu schaffen. Sollte eine bundeseinheitliche Regelung im Jahr 2016 nicht zustande kommen, überprüft Wien eine etwaige landesgesetzliche Erweiterung der Transparenz- und Auskunftsbestimmungen.« Keine Gesetzesänderung
  8. Wien, 2020–2025, SPÖ, Neos: »Das Wiener Auskunftspflichtgesetz wird im Hinblick auf folgende Maßnahmen reformiert: Kürzere Auskunftsfrist (…), Auskünfte in (…) maschinenlesbarem Format. (…) Nach Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes auf Bundesebene richtet Wien auf Landesebene eine Informationsfreiheits-Ombudsperson ein.« Noch nicht ersichtlich
  9. Steiermark, 2019–2023, ÖVP, SPÖ: »Sofern von Bundesseite kein Transparenzgesetz in Kraft tritt, wird die Steiermark ein eigenes Landestransparenz-gesetz erlassen.« Noch nicht ersichtlich