Auf dem Holzweg

Bei Schleichwerbung verschwimmen die Grenzen zwischen Journalismus, PR und Werbung. Besonders heikel wird es, wenn sich Politiker·innen der manipulativen Technik bedienen.

Text: Georg Eckelsberger; Illustration: Daniel Seex

Politik und Medien17.10.2022 

Stolz auf Holz – mit diesem Werbespruch könnte man die Reaktion der Stadt Wien in einer skurrilen Causa zusammenfassen. Es geht dabei um ein Gewinnspiel, einen Walfisch, ein rotes Wohnmobil und ein Baumhaus. In den Hauptrollen: ein ehrgeiziger Stadtrat und einer der »wirklich besten Journalisten des Landes« (laut Ex-Vizekanzler Heinz-­Christian Strache im Ibiza-Video). In Wahrheit geht es bei der schrägen Story aber um Schleichwerbung – mutmaßlich. Denn die handelnden Personen wollen es nicht zugeben, und anders lässt es sich nicht beweisen. ­Damit sind wir auch schon beim Kern der Sache.

Schleichwerbung hat viele Gesichter und ist schwer als solche zu erkennen. Getarnte Werbeartikel (Advertorials) sind noch die einfachste Spielart. Kniffliger wird es bei Gefälligkeitsinterviews, Umfeldjournalismus 1 oder Koppelungsgeschäften 2 – sie sind kaum zu entlarven. Mit einem Gewinnspiel wie jenem, das sich der damalige Wohnbau­stadtrat Michael Ludwig (SPÖ) und Ex-Krone.at-Chef ­Richard Schmitt ausgedacht haben, ist man in der Champions League der verschleierten Werbung angekommen.

1 Redaktionelle Artikel, deren vorrangiger Zweck es ist, bezahlte Anzeigen einzubetten

2 Wohlwollende Berichte, die man zu Inseraten »gratis« dazubekommt

Die Geschichte beginnt im Dezember 2017: »10.000 Euro für Ihre besten Wohnideen!«, ruft Schmitt damals in der Krone ein gemeinsames Gewinnspiel mit der Stadt Wien aus. »Ich freue mich, wenn jetzt alle Wiener ihre Vorstellungen in die Zukunft unserer Stadt einbringen«, wird Ludwig am 13. Dezember 2017 in einem ganzseitigen Artikel zitiert, daneben ein großes Foto des lächelnden Stadtrats. In den Wochen darauf bewirbt die Krone die Aktion mehrmals ­wöchentlich – samt prominenter Erwähnung von Ludwig.

Die Publicity in der größten Zeitung des Landes kommt ihm mehr als gelegen. Er steckt damals im wichtigsten Wettstreit seiner Karriere: in jenem um das Amt des Wiener Bürgermeisters. Zur Erinnerung: Die SPÖ Wien wartete nicht erst die nächste Wahl ab. ­Bürgermeister ­Michael Häupl gab das Amt während der Legislaturperiode parteiintern weiter. Andreas Schieder und Michael Ludwig ritterten um seine Nachfolge und um die dafür nötige Gunst der 981 SPÖ-­Delegierten. Just in den Wochen vor dem Landesparteitag startet das Krone-Gewinnspiel. DOSSIER berichtet erstmals im Jänner 2018 über die Aktion. Schon damals gibt es Zweifel, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Der Walfisch spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle – doch dazu später.

Ludwig zählt zu den Gewinnern, noch bevor das Gewinnspiel zu Ende ist. Denn während sich hunderte SPÖ-Delegierte den Kopf darüber zerbrechen, wer sie als neuer Bürgermeister in die Zukunft führen soll, lächelt der Stadtrat als Visionär des Wohnbaus aus der größten Zeitung des Landes. Dass es sich dabei offiziell um eine redaktionelle Kooperation handelt und nicht um Werbung, ist entscheidend: Hätte Ludwig die Aktion mit Inseraten beworben, hätte das nicht nur ein kleines Vermögen gekostet. Darüber hinaus hätte der Stadtrat dabei unsichtbar bleiben müssen. Denn das »Kopfverbot« im Medientransparenzgesetz ist streng: Auf Inseraten öffentlicher Stellen dürfen Politiker·innen nicht zu sehen sein. Sie dürfen Steuergeld nicht missbrauchen, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern.

Doch Ludwig hat Glück, schließlich handelt es sich bei dem Gewinnspiel nicht um Werbung: Das Wohnbauressort stellt nur das Preisgeld von 10.000 Euro zur Verfügung. Eine stattliche Summe, aber immerhin hat sich die Stadt hunderttausende Euro für die Inserate gespart. Wobei: Geld fließt ja trotzdem. Die Stadt Wien, und zu erheblichem Teil das Wohnbauressort, überweist der Krone jährlich Millionen Euro für Inserate. Was bleibt: auf der einen Seite viel Geld für Inserate. Auf der anderen Seite: ein kostenloses Gewinnspiel von unbezahlbarem Wert. Könnte es einen Zusammenhang geben? So schnell landet man von der Champions League in der Grauzone.

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