Die gute Nachricht: Wir werden immer älter. Und die schlechte? Wir werden auch immer pflegebedürftiger – und das bringt eine immense Herausforderung mit sich: Bis 2050 müssen fast 200.000 Stellen in der Pflege nach- oder neu besetzt werden, um die derzeitige Versorgung aufrechterhalten zu können.
Dabei sei diese schon heute »weder flächendeckend vorhanden, noch ist die Qualität einheitlich gesichert«, wie Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, die Situation jüngst beschrieb. 2023 stellte die Volksanwaltschaft in etwa 70 Prozent der von ihr überprüften Alten- und Pflegeheime Mängel oder sogar Menschenrechtsverletzungen fest.
Altern in Würde? Das scheint in Österreich alles andere als gegeben. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Bei unserer Recherche sind wir auf zahlreiche Ideen gestoßen, wie man die Situation in den Pflegeheimen verbessern könnte. Hier haben wir die zentralen Punkte zusammengetragen.
Mehr Personal, mehr Zeit
Wenig überraschend steht die Forderung nach mehr und besser qualifiziertem Personal ganz oben auf der Liste. Um der Personalnot zu begegnen, muss der Beruf attraktiver werden – durch bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter. Außerdem müssen Fachkräfte aus dem Ausland mit entsprechenden Sprachkenntnissen angeworben werden. Ziel ist es, das Betreuungsverhältnis zu verbessern. Denn mehr Personal bedeutet mehr Zeit »am Bett« und damit eine bessere Versorgung. Um Zeit zu gewinnen, wünschen sich Pflegekräfte und Expert·innen zudem eine effizientere Pflegedokumentation.
Einheitliche und verbindliche Standards
Neun Bundesländer, neun Systeme. Der Föderalismus zählt zu Österreichs Eigenarten und betrifft viele öffentliche Bereiche. In Pflegeheimen hat das unter anderem unterschiedliche Personalschlüssel, Mindeststandards und Bewohner·innenrechte bis hin zu einer unübersichtlichen Datenlage zur Folge. Der Föderalismus ist zudem der größte Hemmschuh für eine dringend geforderte bundesweit einheitliche Definition von Pflege- und Betreuungsqualität.
Effizientere Kontrollen
Der Föderalismus treibt auch bei der Heimaufsicht sein Unwesen: Wer wie oft und auf welche Art kontrolliert, unterscheidet sich je nach Bundesland – und selbst innerhalb der Länder. Expert·innen und Pflegeheimleiter·innen fordern unisono eine bessere Koordinierung der Kontrollinstanzen – und ein konsequentes Einschreiten, wenn Probleme auffallen. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Auftreten der Heimaufsicht: Pfleger·innen fühlen sich teilweise von oben herab behandelt. Gefordert wird mehr Miteinander. Es gibt aber auch positive Beispiele: Vielerorts agiere die Heimaufsicht bereits auch als Beratungsstelle, an die man sich mit Problemen wenden könne, berichten Pfleger·innen.
Offene Fehlerkultur, interne Qualitätskontrolle
Es braucht nicht nur Kontrolle von außen, sondern auch Qualitätssicherung von innen. In diesem Zusammenhang wird eine offene Fehlerkultur als wichtiger Punkt genannt. Schwächen einzugestehen ist in der Pflege oft verpönt. Stattdessen ist die Einstellung »Wir schaffen das« weitverbreitet – selbst wenn es nicht mehr geht. Pfleger·innen sollten bei Kolleg·innen und Vorgesetzten Gehör finden, wenn sie Probleme haben – gerade dann, wenn einmal etwas schiefgeht. Ergänzend braucht es ein funktionierendes Whistleblower·innensystem, sodass Mitarbeiter·innen Missstände anonym melden können.
Mehr Aus- und Weiterbildung
Viele Pflegekräfte fordern mehr Aus- und Weiterbildung und zeitgemäße Arbeitskonzepte. Inhaltlich gibt es viele Bereiche, in denen Pflegekräfte ihre Kompetenzen gern erweitern würden – vom Deeskalationstraining oder Wundmanagement bis zur Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen wie der Sozialarbeit. Speziell geschulte Mitarbeiter·innen können helfen, Konfliktsituationen zu entschärfen. Vereinzelt sind in Österreichs Pflegeheimen bereits diplomierte psychiatrische Gesundheits- und Krankenpfleger·innen im Einsatz. Durch ihre Zusatzausbildung können sie etwa mit den Herausforderungen bei der Pflege von Demenzkranken besser umgehen und ihren Kolleg·innen mit Rat zur Seite stehen.
Transparenz bei den Kosten
Um zu verhindern, dass auf Kosten der Altenpflege Profit gemacht wird, setzen mehrere Bundesländer auf Transparenz. In Wien wird mit den Trägern etwa nach den tatsächlichen Kosten abgerechnet – die öffentliche Hand verlangt dafür Einblick in Miet- und Lieferverträge. Allerdings bedeutet das nicht unbedingt, dass die Kosten sinken: Die Hauptstadt gibt mit Abstand am meisten für die Altenpflege aus. Die Entwicklung geht dennoch in Richtung des Echtkostenmodells – und weg vom sogenannten Normkostenmodell, bei dem Träger ein gewisses Budget für die Pflege bekommen und damit die Versorgung organisieren.
Echte Gemeinnützigkeit statt Profitlogik
Die Altenpflege ist in Österreich Teil der Daseinsvorsorge, entsprechend werden Pflegeheime überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert – ein gutes Argument dafür, Pflegeheime gemeinnützig anstatt gewinnorientiert zu betreiben. Die Profitlogik ist im Pflegebereich ohnehin deplatziert, denn das Risiko ist ausgelagert. Wenn gewinnorientierte Heime bankrottgehen, muss die öffentliche Hand einspringen – sonst kann es sein, dass pflegebedürftige Menschen im schlimmsten Fall auf der Straße stehen. Doch auch bei gemeinnützig betriebenen Heimen können im Verborgenen Gewinne abgeschöpft werden, etwa durch überhöhte Mieten. Um echte Gemeinnützigkeit zu garantieren, braucht es einmal mehr Transparenz und mehr Kontrolle – und den politischen Willen dazu.