Wer trägt Schuld am Leid von Günter L.?

Im Juli 2024 deckte DOSSIER einen Skandal in einem Vorarlberger Pflegeheim des profitorientierten Konzerns Senecura auf – was seither geschah.

Text: Julia Herrnböck; Illustration: Ūla Šveikauskaitė

Pflegeheime11.12.2024 

Die Recherche war nichts für schwache Nerven. Im Frühjahr wandten sich drei Brüder aus Vorarlberg mit schweren Vorwürfen an DOSSIER: Nach rund drei Monaten in einem Pflegeheim der privaten Senecura-Gruppe war ihr Vater, Günter L., stark abgemagert, dehydriert und wundgelegen.

L. starb im Sommer 2022, er wog zuletzt nur noch 46 Kilogramm. Die Familie wirft Senecura Vernachlässigung vor – und nimmt auch die für Pflegeheime zuständige Aufsichtsbehörde des Landes, die Heimaufsicht, in die Pflicht. Tage vor L.s Tod hatte eine Amtssachverständige des Landes die Pflege von Herrn L. noch als »angemessen« beurteilt. 

Als DOSSIER im Juli erstmals über den Fall berichtet, schlägt dieser hohe Wellen: Medien übernehmen die ­Recherche, allen voran ORF Vorarlberg und die Vorarlberger Nachrichten.

Auch die Politik reagierte: SPÖ, ÖVP und FPÖ forderten Aufklärung. Die Neos brachten im Landtag eine Anfrage an die zuständige Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) ein, die FPÖ auch im Parlament an den zuständigen Bundesminister für Pflege, Johannes Rauch (Grüne).

Nach einer Beschwerde der Familie hatte die Aufsicht des Landes das Heim kontrolliert: Wie kann es sein, dass der Familie danach lediglich mitgeteilt wurde, dass die Amtssachverständige in Bezug auf die Pflege eine »angemessene Vorgehensweise« festgestellt hatte – sie jedoch gleichzeitig in ihrem internen Gutachten vor potenziellen Gefährdungen von Bewohner·innen und Mitarbeitenden warnte? 

Knapp ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung unseres Artikels sind viele Fragen ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch ermittelt wegen des Verdachts des Quälens und Vernachlässigens einer wehrlosen Person. Soziallandesrätin Wiesflecker hatte im Sommer eine unabhängige Untersuchungskommission angekündigt. Diese sollte prüfen, unter welchen Umständen Herr L. gestorben war.

Passiert ist das nicht: Auf DOSSIER-Nachfrage räumt Wiesflecker ein, dass es doch keine Kommission gibt. Warum nicht? »Einzelne Personen, die dafür infrage kamen, hatten nicht die entsprechenden Kompetenzen zur Überprüfung beider Inhalte – Einzelfall und strukturelle Themen wie Aufsicht«, schreibt die ehemalige Landesrätin. Nach der in der Zwischenzeit geschlagenen Vorarlberger Landtagswahl ging Wiesflecker im November in Pension.

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